Dortmund. Das Martyrium einer Zwangsehe endet für eine Dortmunderin mit dem Tod. Auch ihre Tochter wird angegriffen. Sie schildert die Tat vor Gericht.

Schon bevor Abel S. in Handschellen in den Gerichtssaal geführt wird, kämpft seine Tochter mit den Tränen. Sie sitzt gemeinsam mit ihrem ältesten Bruder auf der Nebenklägerbank und bereitet sich auf ihre Aussage vor. Richter Thomas Kelm, der aktuell auch dem Strafprozess rund um die tödlichen Polizeischüsse auf Mouhamed Dramé vorsitzt, ruft die 21-jährige Pflegehilfskraft in den Zeugenstand. Die Anwältin der Nebenkläger bittet um Rücksicht: „Meiner Mandantin geht es heute sehr schlecht.“

Zunächst geht es um die familiäre Situation vor dem Messerangriff auf Mutter und Tochter. Die 21-Jährige und ihr ebenfalls berufstätiger Bruder leben in einem eigenen Apartment unter der elterlichen Wohnung. Dort hielt sich die Tochter alleine auf, als sie am Abend des 26. November 2023 plötzlich heftiges Poltern von oben hörte. Sie sei nach oben gerannt und habe gegen die Tür gehämmert, bis ihr Vater schließlich öffnete. „Ich bin ins Wohnzimmer gestürmt, habe nur die Schreie meiner Mutter gehört. Es war alles verwüstet, es war klar, dass sie sich gestritten haben“, so die Tochter. Ihre Mutter habe vor Wut einen Tisch umgeworfen, an ihrem Hals hätten sich Würgemale abgezeichnet.

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Dortmunder soll seine Frau gezwungen haben, Alkohol zu trinken

Sie habe sich nach dem Grund des Streits erkundigt. „Ich werde jeden Tag gezwungen, zu trinken!“, habe die Mutter erwidert. Daraufhin sei der Vater kommentarlos in die Küche gegangen und mit einem rund 30 Zentimeter langen Fleischermesser zurückgekommen. Sie habe sich schützend vor ihre Mutter gestellt, die angesichts des Messers gesagt habe: „Sie sagte, dass ich keine Angst haben soll, dass er zu feige wäre, das zu tun. Noch währenddessen habe ich den ersten Messerstich in den Oberschenkel bekommen.“

Beide Frauen seien zu Boden gegangen: „Dann wurde abwechselnd auf uns beide eingestochen“ – laut Anklage zwölfmal auf die Mutter und fünfmal auf die Tochter. Der Vater habe irgendwann die Wohnung verlassen: „Als er wegging, dachte ich, jetzt kommt noch etwas anderes dazu.“ Er habe während der gesamten Tat kein einziges Wort gesagt. Auch im Prozess schweigt er bisher zu den Vorwürfen.

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Die 21-Jährige musste mehrfach operiert werden, gibt an, rund zwei Monate im Krankenhaus gewesen zu sein. Ihre Mutter überlebte den Angriff nicht. Die junge Frau plant, eine Therapie zu machen, um das Erlebte zu verarbeiten. Weitere Fragen wurden auf kommende Sitzungen verschoben, um sie nicht zu sehr zu belasten.

Vater verschleuderte Sozialhilfe für Cannabis und Alkohol

Der in Deutschland geborene Jordanier soll die Sozialhilfe der Familie für sich und seine Rauschmittel ausgegeben haben, so die Anklage. Regelmäßig habe er seine fünf Kinder geschlagen und seine Frau Nadja misshandelt. Mehrfach musste die 40-Jährige deshalb stationär und ambulant behandelt werden. Sie sei gegen ihren Willen mit dem heute 47-Jährigen verheiratet worden und habe ihm fast täglich sexuell zu Diensten sein müssen. Zuvor habe der Mann sie stets gezwungen, sich aufreizend anzuziehen, zu schminken und Alkohol zu trinken, so die Staatsanwältin zum Prozessauftakt.

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Die furchtbare Tat erinnert an den Fall Rafael K., der ebenfalls in diesem Monat vor dem Schwurgericht verhandelt wurde. Auch dem 44-Jährigen wurde vorgeworfen, seine Frau in der gemeinsamen Wohnung in der Dortmunder Nordstadt ermordet und seine Tochter verletzt zu haben. Am 17. Mai wurde er für diese Taten zu lebenslanger Haft verurteilt.