Dortmund. Nächste Runde im Skandal um das Millionenloch im Dortmunder Haushalt: Die zuständige Bezirksregierung erhebt Einspruch gegen das Ergebnis der Kommunalwahl. Die Begründung: Bürger und Rat seien über die finanzielle Lage der Stadt nicht richtig informiert worden.

Regierungspräsident Helmut Diegel macht ernst und erhebt nun offiziell Einspruch gegen die Kommunalwahl vom 30. August. Das 22 Seiten starke Papier ist der Stadt heute fristgerecht zugestellt worden. Darin fordert die Bezirksregierung auch Noch-OB Gerhard Langemeyer auf, sein Amt als Wahlleiter niederzulegen. Langemeyer, der dem Wahlprüfungsausschuss vorsitzt und somit Einfluss auf das Verfahren hat, sei wegen seines "pflichtwidrigen Verhaltens" befangen. Die Einspruchsfrist gegen die Kommunalwahl endet am kommenden Montag.

Helmut Diegel
Helmut Diegel © IKZ

Nach intensiver juristischer Prüfung mache die Bezirksregierung Arnsberg von ihrem Recht Gebrauch und erhebe Einspruch gegen die Dortmunder Kommunalwahl, heißt es in einer Mitteilung der Behörde. Einspruch erhoben wird gegen alle drei Einzelwahlen, die des OBs, des Rates und der zwölf Bezirksvertretungen. Zentrale Begründung des Einspruchs: die "unzulässige Wahlbeeinflussung durch pflichtwidrige Nicht- und Falschunterrichtung des Rates und der Dortmunder Bürger" über die sich spätestens Ende Mai 2009 abzeichnenden Haushaltslücke im dreistelligen Millionenbereich.

Der ebenfalls in die Wahlbetrugs-Affäre verstrickte desginierter OB Ullrich Sierau wird von der Bezirksregierung nicht direkt beschuldigt, aber immerhin erwähnt: Sierau sei seit Mai über das sich abzeichnende Millionendefizit informiert gewesen - und habe geschwiegen.

Manipulation durch Desinformation

Die Bezirksregierung begründet ihren Einspruch mit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (BVG) aus dem Jahr 2003. Dabei handelte es sich um die Bestätigung eines Urteils des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, das seinerzeit die Kommunalwahl in Bad Homburg für nichtig erklärt hatte - ein bundesweit bislang einmaliger Vorgang. Das BVG, so Arnsberg, habe damals zu den vom Grundgesetz verbotenen Manipulationen und Beeinflussungen der Wähler auch Täuschung und Desinformationen gezählt. Auch in Dortmund sei der Wähler getäuscht worden.

Ein weiterer Aspekt des Einspruchs ist eher unpolitischer Natur, könnte aber dennoch juristische Sprengkraft entwickeln: Die Bezirksregierung bemängelt, dass 22 Dortmunder Wahllokale - nach WAZ-Informationen ein Viertel aller Fälle in NRW - in Raucherkneipen verlegt worden seien. Zu Raucherkneipen hätten die bei der Kommunalwahl 16-jährigen Wahlberechtigten aber eigentlich keinen Zutritt. Das Problem beschäftigt inzwischen auch die Landespolitik.

Die Stadt bestätigte der WAZ den Eingang des Arnsberger Papiers und nahm es als Nummer 98 in die lange Liste der Einsprüche gegen die Kommunalwahl auf.

Einspruch eingelegt hatten bisher 92 Privatpersonen und fünf Parteien und Wählergemeinschaften. Über die Einsprüche entscheiden muss der so genannte Wahlprüfungsausschuss, der vom neuen Rat eingesetzt werden muss. Das letzte Wort aber hat der Rat selbst. Der künftige OB Ullrich Sierau hatte bereits rechtliche Schritte signalisiert, falls der Rat dem Einspruch stattgeben sollte und die Wahl wiederholt werden muss. Für den umgekehrten Fall hält sich nach WAZ-Informationen wiederum Regierungspräsident Diegel den Rechtsweg offen. Wegen der Wahlanfechtungsfrage steht derzeit auch das rot-grüne Ratsbündnis in Dortmund auf der Kippe.