Dortmund. Er war Dortmunds erster hauptamtlicher Oberbürgermeister und zugleich das umstrittenste Stadtoberhaupt, das diese Stadt jemals hatte. Nach zehn Jahren als OB scheidet Dr. Gerhard Langemeyer heute aus dem Dienst aus. Eine Betrachtung.

Am Ende gibt es doch noch ein Präsent: Heute um 13 Uhr nahm Dr. Gerhard Langemeyer die Statue „Alter Bergmann” entgegen. Die Figur eines Wettersteigers, der mit seiner Grubenlampe die Luftqualität unter Tage prüft, stand bislang im Flamingoweg und wird nun ihren neuen Platz neben dem Kaiserbrunnen an der Kaiserstraße finden.

Atmosphärische Störungen

Dr. Gerhard Langemeyer ( SPD) wird am 01.10.1999 als Oberbürgermeister von Dortmund im Rat vereidigt und erhält die Amtskette von seinem Vorgänger Günter Samtlebe (links), rechts Bürgermeister Lorenz Ladage (CDU). Archivfoto. Helmuth Voßgraff
Dr. Gerhard Langemeyer ( SPD) wird am 01.10.1999 als Oberbürgermeister von Dortmund im Rat vereidigt und erhält die Amtskette von seinem Vorgänger Günter Samtlebe (links), rechts Bürgermeister Lorenz Ladage (CDU). Archivfoto. Helmuth Voßgraff © WAZ FotoPool

Ob und wenn wie Gerhard Langemeyer die Qualität der ihn umgebenden Luftschichten zu überprüfen pflegt, ist nicht überliefert. Dass es ihm dabei - anders als dem Wettersteiger - gelegentlich an geeigneten Messmethoden mangelt, dagegen schon. So könnte selbst sein letzter öffentlicher Termin als Oberbürgermeister noch zu atmosphärischen Störungen Anlass geben. Denn den „Alten Bergmann” nimmt Langemeyer als Geschenk für die Stadt von RWE entgegen, ausgerechnet von jenem Konzern also, auf dessen Aufsichtsratsbezüge in sechsstelliger Höhe er auch als Pensionär nicht verzichten will. Stattdessen nimmt er lieber die Empörung sogar der eigenen Parteigenossen billigend in Kauf. Langemeyer und RWE - das ist also fraglos ein Reizthema in der Stadt. Dennoch scheint der 65-Jährige keinerlei Berührungsänsgte zu kennen, sich an seinem letzten Arbeitstag mit RWE-Boss Jürgen Großmann bildtechnisch verewigen zu lassen.

Apropos ewig: 27 Jahre - also mehr als ein Vierteljahrhundert und damit eine kleine Ewigkeit lang hat Gerhard Langemeyer im Dienst der Stadt gestanden, die letzten zehn Jahre davon als erster hauptamtlicher Oberbürgermeister Dortmunds überhaupt. Doch wenn er heute am späteren Nachmittag die schallisolierte Tür seines Büros im Rathaus hinter sich zuzieht, wird von diesem letzten Akt des einstmals mächtigsten Mannes der Stadt kaum jemand Notiz nehmen. Geräuschlos wie wohl sonst niemand von gleichem Rang scheidet Langemeyer aus dem Amt. Kein Presse-Termin, kein Tamtam mit den Würdenträgern der Stadt, keine inszenierte Staffelübergabe mit Nachfolger Ullrich Sierau. Der wird - mit auffälliger zeitlicher Distanz - erst am kommenden Montag (also nach seiner Rückkehr aus dem Herbsturlaub) aus seinem eigenen Dezernentenbüro aus- und ins OB-Büro einziehen. Für ein paar Tage also bleiben die holzvertäfelten Räumlichkeiten des Dortmunder Stadtoberhauptes verwaist. Allenfalls Reinigungskräfte dürften hier das Regiment führen. Ein symbolisches Bild.

Abschiedsfeier fraglich

Dr. Gerhard Langemeyer wird auf dem SPD - Unterbezirksparteitag am 30. Januar 1999 in Dortmund zum Kandidaten der Partei für die OB-Wahl 1999 nominiert. Archivfoto: Horst Müller / WAZ FotoPool
Dr. Gerhard Langemeyer wird auf dem SPD - Unterbezirksparteitag am 30. Januar 1999 in Dortmund zum Kandidaten der Partei für die OB-Wahl 1999 nominiert. Archivfoto: Horst Müller / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool

Erst kürzlich stieß die WAZ bei ihrer Recherche, ob es denn überhaupt eine Abschiedsfeier für das umstrittene Stadtoberhaupt geben wird, auf Achselzucken und beredtes Schweigen. Ob Stadtverwaltung, SPD-Fraktion oder Partei: Niemand wollte sich zuständig fühlen. Ein Verhalten, das Bände spricht.

Die derzeitige Sprachregelung im Rathaus lautet jetzt: Eine offizielle Verabschiedung des OBs soll es bei der Jahresabschlussfeier des Rates am 11. Dezember geben. Dahinter dürfte die Überlegung stehen, dass die zweitgrößte NRW-Stadt zumindest den Schein der Wohlanständigkeit nicht gänzlich aufgeben will. Den eigenen Oberbürgermeister in die Wüste zu schicken, das hätten sich sicher nicht wenige im Rathaus, in der eigenen Partei und unter den Bürgern, also eben nicht nur die politischen Gegner, gewünscht - kein Wunder nach Bargeld-Affäre, OB-Kandidaten-Krampf und Haushaltsskandal. Soweit ist es denn doch nicht gekommen. Ein letzter Respekt vor dem Amt, der Fatalismus, dass er ohnehin bald weg sei, und das unbestimmte Gefühl, dass in zehn Jahren nicht einfach alles nur schlecht gewesen sein kann - all das bewahrte Langemeyer vor der schlimmsten Demütigung. Parteiausschlussverfahren und Abwahl standen freilich schon im Raum.

Entwicklung selbst zuzuschreiben

Zuzuschreiben hat sich Langemeyer diese Entwicklung selbst. Auch wenn er damals wegen seiner wohlwollend als beratungsresistent umschriebenen Amtsführung schon umstritten war, hätte er sich einen besseren Abgang verschaffen können, wenn er spätestens im Herbst 2008 die Reißleine gezogen und von vorneherein auf seine dritte OB-Kandidatur verzichtet hätte. Seiner Partei wäre eine schlimme Zerreißprobe erspart geblieben, der Stadt eine hässliche Schlammschlacht. Langemeyer hat damals schlichtweg die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Zehn Jahre an der (hauptamtlichen) Spitze einer Großstadt wie Dortmund sind genug. Sie wären es schon für einen Jüngeren, erst Recht also für einen Mann im besten Rentneralter.