Bottrop-Kirchhellen. . Eiseskälte beherrscht unser Wetter, Eiseskälte bewiesen aber auch unbekannte Tierquäler, die im Waldgebiet Vöingholz 73 handzahme Ratten ausgesetzt haben, eingequetscht in kleinen, feuchten Pappkartons. Nur durch einen Zufall wurden die verzweifelt zappelnden Großmäuse entdeckt.
73 handzahme Ratten in feuchten Pappkartons entdeckte ein Gladbecker Ehepaar, das im Vöingholz spazieren ging, unweit des Waldpädagogischen Zentrums. „Vom Parkplatz Forsthaus Specht sind es vielleicht zehn, 15 Minuten bis zu der Stelle“, sagt Karola N. (Name von der Red. geändert), „da lagen zwei blaue Müllsäcke und drei Kartons – doch dann haben wir die drei toten Meerschweinchen im Müll entdeckt und sind näher ran gegangen. Mein Mann sagte, ‘da quietscht was!’ Ich dachte, der will mich veräppeln.“
Doch schnell war klar: In den Kartons steckt was Lebendiges. „Wir haben vor lauter Angst erst gar nicht in die Kartons reingeguckt“, schaudert die 23-jährige Gladbeckerin. Und als sie zwei Tage später erfährt, dass es in den mit Paketband stramm zugeklebten Kisten vor kleinen zahmen Ratten nur so wimmelte, als die Kartons im Tierheim geöffnet wurden, schlägt sie die Hände vors Gesicht: „Mein Gott, das gibt’s doch nicht, die armen Tierchen!“ Dass diese bedauernswerten Geschöpfe überlebt haben, ist den beiden jungen Gladbeckern zu verdanken und der professionellen Hilfe im Bottroper Tierheim.
"Die feuchten Kisten drohten zu reißen"
„Erst wollten wir die Polizei benachrichtigen“, sagt Karola N., „haben uns aber überlegt, bis die kommt, können die Tiere schon erfroren sein.“ Also schleppte ihr Mann die Kartons zum Auto, „wir mussten zwei Mal laufen. Und mehrmals absetzen, die feuchten Kisten drohten zu reißen.“
Das Ehepaar bringt die lebende Fracht zum Tierheim an der Wilhelm-Tell-Straße, nur wenige Minuten vom Forsthaus Specht entfernt. „Als unsere Mitarbeiter die Umzugskartons vorsichtig und zögernd öffneten, bot sich ihnen ein Bild des Grauens“, erzählt Hildegard Frank-Tüllmann, Leiterin des Tierheimes, „ein Anblick, den sie so schnell nicht vergessen werden. In allen Umzugskartons waren die Farbratten dicht aufeinander gedrängt und schnappten nach Luft. Die unten liegenden Tieren hatten kaum eine Chance zu überleben, da sie fast erdrückt wurden.“ Viele Tiere wiesen Bissverletzungen auf, hatten Ungeziefer am Körper und mussten vom Tierarzt behandelt werden. Einige der Ratten waren tragend. Die Tiere wurden nach medizinischer Versorgung in verschiedenen Käfigen, nach Geschlechtern getrennt, untergebracht.
Hildegard Frank-Tüllmann ist überzeugt, „dass die Tiere aus einem Haushalt stammen. Die Besitzer waren sicher überfordert mit der großen Zahl an Ratten.“ Die Vermehrung bei den kleinen Nagern geht ja auch in rasantem Tempo vor sich. Eine weibliche Ratte kann mit einem Wurf bis zu 15 Junge kriegen. Die Tragzeit liegt bei etwa 20 Tagen – und der Nachwuchs ist bereits nach vier Wochen geschlechtsreif. Da können binnen weniger Monate aus zwei Ratten rasch 73 werden.