Bottrop. 112, bitte kommen. Mehr als jede dritte Rettungsfahrt erweist sich vor Ort nicht als echter Notfall, ergab eine Stichprobe des DRK. Auch der Rettungsdienst der Feuerwehr in Bottrop kennt viele Gründe dafür. Fälle von Missbrauch des Notrufes, sagen die Retter, kommen allerdings eher selten vor.

Jeder dritte Notruf, der über die Nummer 112 einläuft, ist eigentlich gar keiner. Das hat das Rote Kreuz (DRK) bei einer bundesweiten Stichprobe herausgefunden.

Die Größenordnung kommt hin, sagt Feuerwehrsprecher Christoph Lang. Den meisten Not-Rufern unterstellen die Feuerwehrleute aber keine Missbrauchsabsichten, sagt Lang: „Wer 112 anruft, fühlt sich meist in einer echten Notlage.“ Das Phänomen beschränkt sich auch nicht auf den Rettungsdienst, sagt Dr. Gregor Postberg, Sprecher der niedergelassenen Ärzte: „Jeder, der im Gesundheitssystem arbeitet, kennt dieses Problem.“

Gleich vorweg: Es gibt krasse Fälle, in denen der Rettungswagen als Taxi nach Hause missbraucht wird. Jeder im Rettungsdienst kennt die Geschichte von der Disco-Besucherin, die am Ende des Abends eine täuschend echte Bewusstlosigkeit simuliert, sich im Rettungswagen schnell erholt und sich auf diese Weise auch noch ums Zahlen der Zeche drückt.

"Die Menschen werden hilfloser"

Häufiger sind Fälle, bei denen sich Patienten vom Rettungsdienst schnellere Hilfe versprechen als vom ärztlichen Notdienst. „Beim Notdienst gehe keiner ans Telefon, bekommen unsere Disponenten häufig zu hören“, sagt Lang. Viele Menschen sind zudem nach seiner Einschätzung zunehmend überfordert mit der Beurteilung der Schwere von Verletzungen, etwa vom Fleisch- und Schnittwunden: „Die Menschen werden hilfloser“. Vom Rettungsdienst versprechen sie sich „einen Profi, der meine Lage beurteilt.“

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Und das gibt es nicht nur im Rettungsdienst. „Das ist in jeder Krankenhausambulanz so“, sagt Postberg. „Nicht jeder mit Brustschmerz hat einen Herzinfarkt.“ Ein Arzt, der seinen Patienten kennt, kann ihn schon am Telefon qualifiziert beraten und entscheiden, ob gutes Zureden reicht, ein Hausbesuch oder vielleicht doch ein Rettungsdiensteinsatz angeraten ist. Außerhalb der Praxisöffnungszeiten steht diese qualifizierte Einordnung nicht mehr zur Verfügung: „Bei der Notfallversorgung gelten ganz andere Gesetzmäßigkeiten.“

"Wir haben nur eine Chance, wenn ein Notruf einläuft"

Und das erste Gesetz heißt: Im Zweifel wird natürlich Hilfe geleistet. „Wir haben nur eine Chance, wenn ein Notruf einläuft“, sagt Feuerwehrsprecher Lang. „Wir fahren lieber einmal zu oft mit Blaulicht als einmal zuwenig. Wir würden uns allerdings zuweilen wünschen, dass die Hilfesuchenden uns klarer sagen könnten, was sie brauchen“ (siehe Infokasten).

"Plumpe Schuldzuweisung"

Christoph Lang: „Es gibt ganz viele Gründer, warum sich ein Notruf im Nachhinein nicht als Notfalleinsatz erweist.“ Die Behauptung, es gebe mehr Notfalleinsätze, weil Ärzte immer weniger Hausbesuche machten, nennt Postberg allerdings eine „plumpe Schuldzuweisung“. Spricht’s und geht auf Hausbesuch.