Bottrop. Auf dem Nordfriedhof in Bottrop stehlen rücksichtslose Diebe die Metall-Buchstaben von den Grabsteinen. Das sorgt für Wut, Trauer und Hilflosigkeit unter den Angehörigen. Sie können nicht verstehen, wer solche Grabschändungen begeht. Und vor allem: warum.

Mal fehlt ein „J“, dann wieder ein „L“, auf einem anderen Grabstein ist lediglich noch ein „S“ stehen geblieben. Wer derzeit über den Nordfriedhof spaziert, dem fällt es sofort ins Auge. Auf zahlreichen Grabsteinen fehlen die Metall-Buchstaben. Nach Blumenvasen, Grableuchten und natürlich auch Blumen scheinen die kleinen Buchstaben die neueste Beute der Langfinger zu sein.

Beim flüchtigen Bummel über den Eigener Friedhof fallen dem Betrachter bestimmt mehr als zehn solcher beschädigten Grabsteine auf. Die Buchstaben sind herausgebrochen, teilweise stecken die Gewindestangen, mit denen sie in den Steinen verankert sind, noch in ihren Löchern. Die Namen der Toten, man kann sie lediglich anhand verblichener Ränder auf den Steinen erahnen.

Ratlosigkeit bei Betroffenen

Norbert Vocke steht vor dem Grab seiner Eltern. Ein „C“ ist der einzige Buchstabe, der vom Namen übrig geblieben ist. Die restlichen Buchstaben – verschwunden. „Das ist eine Sauerei“, ärgert sich der Sohn. Drei Gräber weiter dann genau das umgekehrte Phänomen. Hier fehlt von dem Namen lediglich ein Buchstabe.

Wieder ein Stück weiter erinnert nur ein „J“ an die Eltern von Christa Schönberger. Ursprünglich stand der Name „Jung“ auf dem Stein. „Man ist sowieso schon traurig, wenn man seine Angehörigen hier besuchen muss. Wenn man dann so etwas sieht, wird man noch trauriger.“

Sie und Vocke können sich nicht erklären, wer so etwas tut. Und warum werden nur einzelne Buchstaben gestohlen? Nirgends fehlt ein kompletter Name. Ein Rätsel, vor dem auch die Polizei steht. Inwieweit solche Buchstaben möglicherweise noch brauchbar seien, weiß man dort auch nicht. Fragt man die Friedhofsgärtner, schütteln die mit dem Kopf: „Meist brechen die Gewindestangen ab, die Buchstaben sind dann nicht mehr zu nutzen.“

Ihre Vermutung: Den Dieben komme es auf das Metall an. Die Buchstaben seien eine leichte Beute und schnell mit wenig Werkzeug abzubrechen. Von vielen solcher Diebstählen hätten sie in der letzten Zeit auf dem Nordfriedhof gehört. Wendet sich ein Geschädigter an sie, dann ist ihr Rat immer derselbe. „Auf jeden Fall Anzeige bei der Polizei erstatten.“

Störung der Totenruhe

Dazu rät auch die Sprecherin der Polizei Recklinghausen, Ramona Hörst. Sie und ihre Kollegen haben zuletzt wieder eine Konzentration von Diebstählen auf Friedhöfen bemerkt. Sie sagt aber auch: „Das muss keine Serie sein.“ Vielmehr könnten die Täter an einem Tag zugeschlagen haben „und die Anzeigen trudeln nach und nach bei uns ein“. Schließlich kämen die Menschen nicht täglich zum Friedhof. Je mehr Geschädigte sich meldeten, umso genauer sei es möglich, den Tatzeitraum einzugrenzen.

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Auch Christa Schönberger hat Anzeige erstattet – wegen Diebstahls. Eine ebenfalls betroffene Nachbarin hat sich auch an die Polizei gewandt. Ihr Sohn habe Anzeige erstattet, erzählt Christa Schönberger – wegen Störung der Totenruhe. Das sei tatsächlich möglich, sagt Ramona Hörst. Im zweiten Absatz des entsprechenden Paragrafen heißt es wörtlich: „Ebenso wird bestraft, wer eine Aufbahrungsstätte, Beisetzungsstätte oder öffentliche Totengedenkstätte zerstört oder beschädigt oder wer dort beschimpfenden Unfug verübt.“ Maximal drei Jahre Haft oder aber eine Geldstrafe droht Tätern, die erwischt werden.

Ein schwacher Trost für Angehörige, die vor den zerstörten Grabsteinen stehen. Zumal eine Reparatur schwierig und teuer ist, wie ein Steinmetz im WAZ-Gespräch erklärt. Denn: Um genau den Farbton der anderen Buchstaben zu treffen, müsste ein Buchstabe abgenommen und eingeschickt werden.

Christa Schönberger hat sich noch nicht entschieden, wie sie den Schaden beheben lässt. Norbert Vocke setzt auf eine endgültige Lösung: „Wir lassen die restlichen Buchstaben abnehmen und den Namen eingravieren.“