Bottrop.

Als lebensgroße Fotos stehen Jürgen und Andre, Dieter, Sylvia und sieben weitere nun den Passanten auf dem Berliner Platz vor Augen. Eine Gruppe von Männern und Frauen, die ein bisschen abgerissen aussieht, keine Arbeit hat und gern zum Bier greift.

Sie wollen auf den Berliner Platz. Aber sie sollen dort nicht hin. Deshalb ist eine Gruppe von Männern und Frauen, die ein bisschen abgerissen aussieht, keine Arbeit hat und gern zur Bierflasche greift, auf diesem neuen Pflaster in der Innenstadt nun so präsent wie noch nie.

Als lebensgroße Fotos stehen Jürgen und Andre, Dieter, Sylvia und sieben weitere nun den Passanten vor Augen. Es sind nicht viele, die davon Notiz nehmen, Fotos und Info-Stand bleiben an diesem ersten Tag der Aktion weitgehend unbeachtet. „Das ist Angst“, glaubt Wolfgang Kutta, Leiter der Evangelischen Sozialberatung und Initiator des Projekts.

Gegen Angst hilft Kennenlernen, und deshalb geben die Fotos jedem aus der anonymen Gruppe Gesicht und Namen. Wer mehr erfahren will über ihre Schicksale, kann die Fotografierten selbst fragen. Sie geben gern Antwort. Nicht jeder von ihnen kann sich so gut ausdrücken wie der 39-jährige Jens.

Gleicher Sandkasten

„Wir kommen eigentlich alle aus dem gleichen Sandkasten, wir haben alle die gleichen Probleme. Man braucht nicht viel zu erklären.“ Er wünscht sich einen festen Treffpunkt für die Gruppe, am besten abgeschirmt durch Mauern. „Die Bürger würden nicht mehr belästigt durch unseren Anblick.“ Der 49-jährige Jürgen ist krank, er leidet unter Diabetes und Krebs. Zu Hause hält er es nicht aus, „da baue ich nur Mist.“ Am liebsten wäre ihm ein Platz im „Betreuten Wohnen“ des Diakonischen Werks in Welheim. Auf dem Berliner Platz zu stehen, „ist mir ja selber peinlich, aber was soll ich machen?“

Sozialarbeiter Wolfgang Kutta bezieht in der Diskussion um die ungeliebten Gäste auf dem Berliner Platz eine klare Position: „Es gibt Alternativen zur Vertreibung.“ Wobei sich diese Maßnahme auf einem öffentlichen Platz nicht leicht umsetzen lässt, solange die Besucher keinen Dreck hinterlassen und niemanden stören. Was dazu führt, dass Polizei und Ordnungsdienst auf dem Berliner Platz oft kontrollieren und Jürgen, Dieter & Co. im Gegenzug ihre Zigarettenkippen brav zum öffentlichen Abfallbehälter tragen. So lange sie beobachtet werden.

Die ESB hatte unter anderem vorgeschlagen, ein Modell der kontrollierten Duldung für diese Gruppe zu etablieren, wie es auch in anderen Städten praktiziert wird. Von anderer Seite wurde angeregt, einen sogenannten Trinkraum einzurichten oder Streetworker anzustellen. Beides hätte Geld gekostet. „Im Moment steht man wieder bei Null“, charakterisiert Kutta den Diskussionsstand über die „Menschen mittendrin und doch am Rande“, deren Lebensmittelpunkt der Berliner Platz ist.

„Die politischen Entscheidungsträger dürfen nicht den scheinbar einfachsten Weg wählen und unliebsame Menschen mit repressiven mitteln von Plätzen und aus Parks vertreiben“, sagt ESB-Mitarbeiter Christian Schröder. „Die Menschen werden stigmatisiert, und der Treffpunkt verschiebt sich lediglich in einen anderen innerstädtischen Bezirk.“