Bottrop-Kirchhellen. Brezelfest in Bottrop-Kirchhellen: Mustafa Ucar kümmert sich seit 23 Jahren in seinem Änderungsatelier um die blauen Kittel der Brezelbrüder.

Kleider machen Leute. Selten hat dieser Satz so gepasst wie beim Brezelfest im Dorf. Die Brezelbrüder lieben ihre blauen Kittel. Ohne ihn geht zum Fest keiner vor die Tür. Ein Fachmann kümmert sich um den feinen Stoff: Mustafa Ucar.

In seinem Änderungsatelier an der Hauptstraße rattert in der Werkstatt die Nähmaschine. Abholbereit hängen die Blaukittel an der Kleiderstange hinter dem Verkaufstresen. Dazwischen hat sich ein roter Kittel, passend zum Fest für eine Dame, geschlichen. Auch ein weißer Kittel für Bäcker ist bei ihm in Auftrag gegeben worden.

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Auf einer Schneiderpuppe am Eingang zur Werkstatt zeigt sich der ganze Stolz: ein Blaukittel, makellos, falten- und knitterfrei mit Kordeln am Kragen zusammengebunden. Ein Ausschnitt muss sein, damit man das Kleidungsstück schnell an- und ausziehen kann. Um den Ausschnitt ist ein Motivband genäht.

Bei Mustafa Ucar in der Änderungsschneiderei können sich Brezelbrüder Aufnäher auf den Blaukittel nähen lassen.
Bei Mustafa Ucar in der Änderungsschneiderei können sich Brezelbrüder Aufnäher auf den Blaukittel nähen lassen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Ins Auge fällt die tiefe Tasche auf der rechten Vorderseite des Kittels. Auch sie ist auf den Stoff genäht. „Dort kann man Wertsachen verstauen“, sagt er. Auf der linken Brust prangt ein Aufnäher mit einem Brezelbruder und dem Wappen von Kirchhellen. Es ist Ucars Modell eines Blaukittels.

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Der blaue Stoff stammt aus seiner Heimat, der Türkei. „Ein Mischstoff“, wie Ucar sagt, „aus Baumwolle und Polyester.“ Die Pflege ist kinderleicht. „Waschen bei 30 Grad, dann aufhängen, trocknen lassen. Nicht schleudern und nicht bügeln“, sagt Mustafa Ucar. Schließlich wird so ein Kittel ziemlich beansprucht und soll mindestens 15 Jahre halten. Die Tasche und der Aufnäher sind Extrawünsche, die sich die Brezelbrüder von ihm anfertigen lassen können. Er hat auch spezielle Aufnäher für Kanoniere.

Wunsch nach Blaukitteln: Eltern kommen sogar mit ihren Babys

Das rote Halstuch wird traditionell gehalten mit einem Holzschuh. Früher nähten in Kirchhellen vorwiegend die Mütter und Großmütter für die Brezelbrüder. Die Kunden, die zu ihm kommen, sind heutzutage entweder zugezogene Kirchhellener, die ihr erstes Brezelfest erleben. Oder Eltern, die ihre Kinder in schöner Tradition in blaue Kittel kleiden möchten. Der jüngste Kunde war laut Ucar „acht Monate“.

Dann nimmt er das Maßband zur Hand und fertigt den Kittel später individuell an. Kinder mögen es nicht, wenn das Kleidungsstück zu eng sitzt, wie er sagt. Deshalb lässt er noch ein wenig Luft nach oben bei der Konfektionsgröße. Die Idee dahinter: Wenn die Kinder mit den Jahren wachsen, passt ihnen der Blaukittel auch noch beim nächsten Brezelfest.

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Hin und wieder kommt auch ein gestandener Brezelbruder mit einem Änderungswunsch vorbei, weil ihm zum Beispiel der Blaukittel nicht mehr passt. Dann muss das ohnehin schon weite Kleidungsstück noch mehr geweitet werden. Auch Ärmel zu kürzen ist für ihn kein Problem. Innerhalb weniger Stunden sind die Änderungen vorgenommen.

Konzentriert näht Mustafa Ucar in seiner Werkstatt ein Motivband an den Ausschnitt eines Blaukittels.
Konzentriert näht Mustafa Ucar in seiner Werkstatt ein Motivband an den Ausschnitt eines Blaukittels. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Stress empfindet der 69-Jährige nicht bei seiner Arbeit. „Es ist für mich eine Freude und Ehre“, sagt er. In jungen Jahren begann er als Herrenausstatter in Istanbul. Später kommt er nach Deutschland, führt, wie er sagt, in Gelsenkirchen eine Firma mit 50 Mitarbeitern und arbeitet für das damalige Modeimperium Steilmann in Wattenscheid.

Im Jahr 2000 zieht er von Gelsenkirchen nach Kirchhellen. Seitdem hat er das Änderungsatelier an der Hauptstraße. Mit Brezelfest und blauen Kitteln kann er zunächst nichts anfangen. Inzwischen hat er es lieben gelernt. „Das Dorf ist wirklich etwas Besonderes“, schwärmt er. Mit 69 Jahren könnte er in Rente sein. Stattdessen ist er zu den Öffnungszeiten immer im Geschäft anzutreffen. „Ich kann nicht zu Hause herumsitzen“, sagt er.

Öffnungszeiten des Änderungsateliers (Hauptstraße 81): Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr, Samstag von 9 bis 13 Uhr.