Bottrop. In Bottrops Museum für Ur- und Ortsgeschichte ist Klimawandel immer aktuell. Der neue Leiter Charalampos Kevrekidis will auch das künftig zeigen.

Das Museum für Ur- und Ortsgeschichte hat wieder eine wissenschaftliche Leitung. Dr. Charalampos Kevrekidis ist seit Juli für die ebenso umfangreiche wie bedeutende urgeschichtliche Sammlung dieses zweiten Museums unter dem Dach des Quadrats zuständig. Auch die ortsgeschichtliche Abteilung, das frühere Heimatmuseum, liegt nun in den Händen des Paläontologen und Biologen, dessen Forschungsschwerpunkt bislang die Eiszeit war. Auch eine Folge von Klimawandel vor Millionen Jahren. Genau diese Zusammenhänge machen die Bottroper Sammlung zeitlos spannend. „Man muss und kann das immer wieder zeigen“, findet der neue Leiter der ur- und ortsgeschichtlichen Sammlung.

Aber auch zum Karbon-Zeitalter, in dem der Rohstoff Kohle entstand, der 150 Jahre lang Basis für Bottrops Entwicklung und Wohlstand war, hat der gebürtige Grieche durch seine Herkunft schon eine enge Beziehung: Seine Heimatstadt Ptolemaida ist ebenfalls Bergbaustadt. Die nordgriechische Kommune gilt als Energiezentrum des Landes.

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Fast schon kurios: Seit Charalampos Kevrekidis als Gymnasiast anfing, sich für Biologie, Erdgeschichte, dann wissenschaftlich für Paläontologie zu interessieren, hat er Bottrop auf dem Schirm. „Also nicht die Stadt, aber die Funde und das Museum für Ur- und Ortsgeschichte, denn wir haben in Ptolemaida ein ähnliches Haus, das diese Bereiche vereint und meine damalige Mentorin hatte eine Ansicht der berühmten Bottroper Fährtenplatte als Riesen-Poster an der Wand“, erzählt der Wissenschaftler, der vor drei Jahren an der Münchener Ludwig-Maximilian-Universität (LMU) im Bereich Paläobiologie promovierte.

Eine der umfangreichsten Eiszeitsammlungen Europas gibt es in Bottrop

Nach seinem Bachelor-Abschluss an der Aristoteles-Universität in Thessaloniki kehrte er noch einmal zurück an das heimatliche Museum, als freier Mitarbeiter und Präparator sowie im Bereich Museumspädagogik, bevor er nach einem Auslandsjahr an der Uni von Rennes in Frankreich endgültig an die LMU nach Bayern wechselte. Nach der Promotion war er dort wissenschaftlicher Mitarbeiter. Museumserfahrungen sammelte er am Münchener Museum für Mensch und Natur, dem Naturhistorischen Museum in Wien sowie der Paläontologischen Abteilung der Bayerischen Staatssammlung.

In Bottrop trifft der junge Wissenschaftler nun zwar auf ein räumlich betrachtet kleines Museum für Ur- und Ortsgeschichte, dafür aber auf eine der großen – und was die Eiszeit betrifft sicher eine der umfangreichsten – Sammlungen Europas. Ähnlich wie bei einem Eisberg liegen die Schätze aber auch hier unter der Oberfläche, in den Depots. Zu sehen ist, wie in den meisten Museen, nur ein Bruchteil, im einstelligen Prozentbereich.

Den Bottroper Mammutschädel, vor dem Charalampos Kevrekidis hier steht, bezeichnete kürzlich ein Wissenschaftler, der in der Eiszeithalle zu Gast war, als „Stradivari unter den Mammutschädeln“. Den neuen wissenschaftlichen Leiter des Museums für Ur- und Ortsgeschichte freut dieser Vergleich. Die Umgestaltung dieses Ausstellungsbereichs ist zugleich sein erstes großes Projekt in Bottrop.
Den Bottroper Mammutschädel, vor dem Charalampos Kevrekidis hier steht, bezeichnete kürzlich ein Wissenschaftler, der in der Eiszeithalle zu Gast war, als „Stradivari unter den Mammutschädeln“. Den neuen wissenschaftlichen Leiter des Museums für Ur- und Ortsgeschichte freut dieser Vergleich. Die Umgestaltung dieses Ausstellungsbereichs ist zugleich sein erstes großes Projekt in Bottrop. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Ausstellungsstück in Bottrop: „Stradivari unter den Mammutschädeln“

Aber davon natürlich die schönsten und eindrucksvollsten Stücke, die in Bottrop oder der näheren Region gefunden wurden. „Den großen Mammutschädel direkt neben dem Eingang zur Eiszeithalle hat kürzlich ein Geo-Wissenschaftler als ,Stradivari unter den Mammutschädeln’ bezeichnet“, erzählt Kevrekidis. Der Vergleich mit dem kostbaren wie seltenen Erbe des italienischen Geigenbauers gefällt ihm sichtlich.

Damit ist er auch gleich bei seinem ersten großen Bottroper Projekt: der Umgestaltung und Neupräsentation der Eiszeithalle. Die kann er nun zusammen mit Dr. Ulrike Stottrop (früher Ruhrmuseum), einer profunden Kennerin der Sammlung und bekannten Ausstellungsmacherin, gemeinsam durchführen.

Zurzeit befindet er sich selbst oft in den Katakomben. „Ich muss die Sammlung kennenlernen, denn ich möchte sehr gerne, dass das Haus auch als Forschungsstätte wieder in den Blick gerät, das Potenzial ist ja da“, so der Forscher. Aber er lernt gerade auch die Region, deren Museen und die umliegenden Unis kennen, die für seinen Fachbereich interessant sind. Dies alles soll aber auch den Bottroperinnen und Bottropern, den Museumsbesuchern, zu Gute kommen. Ausstellungen gerade zum Thema Klimaveränderung böten sich förmlich an. Denn die meisten Exponate seien ja durch Klimaveränderungen entstanden.

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Er möchte, dass Worte wie „öffnen“, „in Dialog treten“ und vor allem „neugierig machen“ für die etwas kleinere Schwester des größeren Kunstmuseums unter dem gemeinsamen Dach keine Phrasen bleiben. Denn bei aller wissenschaftlichen Forschung sei Museumspädagogik, die Kommunikation mit allen Besucherschichten, sein zweites Standbein – und sein großes Anliegen. Inzwischen wohnt Charalampos Kevrekidis auch in Bottrop und kann seinen neuen Arbeitsplatz bequem zu Fuß oder mit dem Rad erreichen.

Vollständiges Museums-Team nach zehn Jahren

Mit Charalampos Kevrekidis ist die Leitung des Hauses nach der Berufung von Dr. Linda Walther 2022 als Direktorin und Dr. Ulrike Growe als Verwaltungsleiterin und Stellvertreterin nach zehn Jahren wieder vollständig besetzt. Denn nach dem Weggang von Martin Walders 2013, der 35 Jahre an dem Haus gearbeitet hatte, war diese Stelle dazwischen mit Andreas Sarazin lediglich auf Zeit besetzt worden.

Museumsdirektorin Linda Walther freut sich: „Wir alle sind froh, mit Charalampos Kevrekidis nicht nur eine unbefristete Besetzung dieser Stelle zu haben, sondern dazu noch einen Biologen, Paläontologen und Eiszeitexperten, die Epoche spielt ja in dieser Sammlung vielleicht die wesentliche Rolle.“