Bottrop. Das Bottroper Call-Center des Schuhkonzerns Deichmann ist kurzfristig geschlossen worden. 34 Mitarbeiter sind nun arbeitslos – und wütend.
Eigentlich hat Manuela Hofmann* immer gerne bei Deichmann gearbeitet. Ein „tolles Unternehmen“ sei das gewesen, vor allem zu den Zeiten, als der Gründer und langjährige Geschäftsführer Heinz-Horst Deichmann noch aktiv war. Nun blickt sie anders auf die Firma, für die sie über zwei Jahrzehnte tätig war. Am 7. März hat sie erfahren, dass sie ihren Job verliert. Das Deichmann-Call-Center an der Hiberniastraße in Bottrop muss geschlossen werden. „Wir wurden hingerichtet – mit einem Brötchen in der Hand.“
34 Männer und Frauen haben in dem Call-Center gearbeitet, laut Angaben von Deichmann mehr als die Hälfte in Teilzeit. Manuela Hofmann, die ihren Namen nicht öffentlich nennen möchte, erzählt, dass sie am Vortag per E-Mail zu einer „Info-Veranstaltung“ eingeladen worden seien. Dort habe sich das neue Mitglied der Deichmann-Geschäftsführung, Alexander Bellin, vorgestellt. Sie alle sollten sich am Buffet bedienen, dann habe er ihnen „die traurige Nachricht“ mitteilen müssen, dass der Kundenservice des Essener Schuhkonzerns ausgelagert wird.
Bottroper Deichmann-Call-Center geschlossen: „Gravierender Umbruch“ im Einzelhandel
Auf Nachfrage verweist Deichmann-Sprecher Christian Hinkel auf den „gravierenden Umbruch“, in dem sich der Einzelhandel befinde. „Insbesondere im Bereich des Kundenservices haben sich die Anforderungen an Unternehmen stark verändert“, so der Unternehmenssprecher.
Um beispielsweise Prozesse international zu vereinheitlichen und einen flexiblen 24-Stunden-Kundenservice anzubieten, seien die bisherigen Strukturen nicht mehr darstellbar gewesen. „Daher haben wir uns entschlossen, unseren Bereich Customer Service in Bottrop zu schließen und mit einem externen, breit aufgestellten Dienstleister den neuen Anforderungen gerecht zu werden.“
Deichmann-Mitarbeiterin: „Einer mit schwachem Herzen hätte das nicht ertragen“
Für Manuela Hofmann ist das alles nicht nachvollziehbar. Sie seien zum Beispiel nie gefragt worden, ob sie rund um die Uhr arbeiten würden. „Wir wurden einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Noch Mitte Februar hatten sie alle eine Schulung durchlaufen – obwohl bereits am 16. Januar intern der Stilllegungstermin 31. März vereinbart worden war. Die Versammlung und Kündigung am 7. März sei dann „aus heiterem Himmel“ gekommen, so die langjährige Mitarbeiterin. „Einer mit schwachem Herzen hätte das nicht ertragen.“
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Sie ist vor allem deshalb enttäuscht, weil ihr und ihren Kollegen keine Perspektive im Unternehmen gegeben würde. Deichmann hat – so auch die Angaben des Essener Schuhkonzerns – gemeinsam mit dem Betriebsrat „ein umfangreiches Paket inklusive Sozialplan und Interessenausgleich geschnürt“.
Der Wechsel in eine Transfergesellschaft ermögliche den Mitarbeitenden „eine solide finanzielle Absicherung“ und lege laut Sprecher Christian Hinkel „den Fokus auf die Vorbereitung und Vermittlung eines neuen Beschäftigungsverhältnisses“. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhielten sowohl eine Transferprämie als auch Qualifizierungstraining und Beratungen.
Bottroper Mitarbeiterin: Entschädigung reicht nicht bis zur Rente
Manuela Hofmann stellt die Situation anders dar. Ja, sie seien finanziell angemessen entschädigt worden. Aber für jemanden, der noch viele Jahre bis zur Rente arbeiten muss, reiche das nicht. „Wir müssen bitten und betteln, um weiter im Unternehmen beschäftigt zu werden.“ Vollzeitstellen seien gar nicht möglich, bis Freitag seien lediglich zwei Mitarbeitern überhaupt Stellen angeboten worden – Teilzeit im Verkauf. Deichmann bestätigt, dass Mitarbeitenden Alternativmöglichkeiten im Verkauf offeriert würden.
Michaela Hofmann sagt, dass die meisten nun arbeitslosen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bottroper Call-Centers schon viele Jahre, teils Jahrzehnte dort beschäftigt gewesen seien. Einer ihrer Kollegen sei 36 Jahre bei Deichmann gewesen. Fünf Schwerbehinderte habe es in der Abteilung gegeben.
Deichmann: „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht“
Deichmann trat in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer als mitarbeiterfreundliches und soziales Unternehmen auf. In einem Interview mit der WAZ sagte Firmenchef Heinrich Deichmann, dass es ihm wichtig sei, „gut mit unseren Mitarbeitern umzugehen“. Dazu gehörten eine übertarifliche Bezahlung und klar definierte soziale Standards, an die sich Lieferanten halten müssten. Wie passt das mit der Schließung des Call-Centers ohne Perspektive für die dortigen Mitarbeiter zusammen?
„Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt Christian Hinkel. „Als Familienunternehmen wissen wir auch bei dieser Maßnahme sehr wohl um unsere soziale Verantwortung gegenüber der Belegschaft.“ Deshalb wolle man für „jede und jeden mit Blick auf die jeweilige persönliche Lebenssituation gemeinsam eine für beide Seiten gute Lösung“ finden.
Eine gute Lösung hat Michaela Hofmann noch nicht gefunden, sie ist seit dem 1. April arbeitslos. „Vielleicht haben wir Glück und finden etwas oder wir landen beim Arbeitsamt.“ Mit Blick auf die Entscheidung Deichmanns sagt sie: „Wenn ich so eine Firmen-Philosophie hätte, könnte ich das nicht mit mir vereinbaren.“
*Name geändert
Deichmann in Bottrop
Deichmann betreibt in Bottrop ein Distributionszentrum an der Knippenburg mit fast 30.000 Quadratmetern Fläche. Oberbürgermeister Bernd Tischler hatte im September 2022 angekündigt, dass sich die Firma womöglich auf den Gewerbeflächen von Franz Haniel niederlassen werde.
Das Essener Familienunternehmen plant nach eigenen Angaben, seine Lagerstrukturen- und -kapazitäten in Deutschland zu erweitern. Auf der Suche nach geeigneter Logistikfläche befinde man sich in Gesprächen, sagt Unternehmenssprecher Christian Hinkel. „Auch das Gelände von Prosper Haniel in Bottrop kommt hier in Betracht.“
Zuletzt hatte Deichmann angekündigt, freiwerdende Flächen von Galeria Karstadt Kaufhof in den Blick zu nehmen und zu erwägen, einige davon zu übernehmen.