Bottrop. Gemüse aus Gärten im Bottroper Süden ist wieder mehr mit Schadstoffen belastet. Hier sollten Gärtner ihr eigenes Blattgemüse besser nicht essen.

Gartengemüse im Bottroper Süden war im letzten Winter deutlich stärker mit kokereitypischen Schadstoffen belastet als in den Jahren zuvor. Wie aus einem Bericht des Landesumweltamtes hervorgeht, waren die Schadstoffkonzentrationen in dem Testgemüse teilweise sogar so hoch wie noch nie seit Beginn des Untersuchungsprogramms. Die Umweltbehörde stuft den täglichen Verzehr des Gemüses aus einigen Gärten im Umkreis der Kokerei Prosper als gesundheitsgefährdend ein. Davon betroffen ist nach dem Kleingärtnerverein Johannestal inzwischen auch der Kleingärtnerverein „An der Boye“.

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„Die höchsten BaP-Gehalte wurden unmittelbar nördlich bzw. nordöstlich der Kokerei ermittelt. Die Gehalte waren deutlich höher als im Vorjahr“, heißt es in dem Untersuchungsbericht des Landesumweltamtes. Danach traten die höchsten Schadstoffwerte in dem Testgemüse in Gärten entlang der Johannesstraße bis hin zum Kleingärtnerververein Johannestal auf; außerdem an der Welheimer Straße vor allem auch an der Dauermessstelle in der Nähe der Welheimer Schulen. Die Werte waren in der Spitze mehr als 25-mal so hoch wie die allgemein üblichen Orientierungswerte.

Kokerei hatte niedrige Schadstoffniederschläge gemeldet

Die Tester erklären die hohen Schadstoffablagerungen in den Gärten, die nördlich und nordöstlich der Kokerei liegen, vor allem auch damit, dass der Wind während der Untersuchungsphase hauptsächlich aus dem Südwesten und Süden blies. Je näher die Gärten an der Kokerei Prosper liegen, um so höher waren auch die Schadstoffkonzentrationen.

Zuletzt hatte Kokerei-Inhaber Arcelor-Mittal unter Berufung auf das Landesumweltamt noch von einem BaP-Niederschlag auf historisch niedrigem Niveau im Jahr 2021 berichtet. Im Jahr 2022 waren die vorläufigen BaP-Messwerte zwar höher, blieben aber übers gesamte Jahr gesehen ebenfalls unterhalb des anzustrebenden Zielwerts von einem Nanogramm. Es gab aber auch Tage mit einem bis zu zehnmal so hohen BaP-Niederschlag.

Die Stadt hält wegen der neuen kritischen Gemüsemesswerte an ihrer schon seit gut fünf Jahren bestehenden Warnung fest, in Welheim und in Teilen Batenbrocks auf den Verzehr von Grünkohl, Blattspinat und anderen großblättrigen Gemüsesorten aus eigenen Gärten komplett zu verzichten. Für die Boy verschärft die Stadt ihre Empfehlung sogar. Die neuen Messungen zeigten, dass die bereits bestehende Verzehrempfehlung nicht mehr ausreiche, heißt es im Bericht des Landesumweltamtes. Anstatt dreimal pro Woche sollten Gartenbesitzer in der Boy ihr Gemüse aus eigenen Gärten höchstens noch zweimal je Woche verspeisen.

Die Kokerei Prosper im Bottroper Süden: Im Hintergrund sind auch die Skihalle des Alpincenters und die Halde Beckstraße mit dem Bottroper Tetraeder zu sehen.
Die Kokerei Prosper im Bottroper Süden: Im Hintergrund sind auch die Skihalle des Alpincenters und die Halde Beckstraße mit dem Bottroper Tetraeder zu sehen. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

An zwölf Stellen im Bottroper Süden Testgemüse gepflanzt

So hat das Landesumweltamt getestet

An jeder der zwölf Messpunkte im Bottroper Süden wurde ein Pflanzcontainer aufgestellt, der mit Einheitserde gefüllt und durch Textildochte mit einer automatischen Wasserversorgung verbunden war, um die über die Luft in die Pflanzen eingetragenen Schadstoffe zu ermitteln. Dabei wurden pro Container fünf Grünkohlpflanzen ausgebracht. Sofern nötig, wurde nach einem Monat die schwächste Grünkohlpflanze entfernt.

Die Pflanzen wurden nach 91 Tagen geerntet und in Aluminiumboxen gekühlt zum Labor transportiert. Bei der Ernte wurden nur verzehrfähige Grünkohlblätter entnommen. Im Labor sind die Proben pro Messstelle küchenfertig zu einer homogenen Mischprobe verarbeitet worden. Dabei wurde das Material gründlich gewaschen, schockgefroren und gefriergetrocknet.

Nach dem Vermahlen sind die Pflanzenproben dann im Labor auf ihre Bestandteile an Benzo[a]pyren (BaP), Chrysen (Chr), Benzo[a]anthracen (BaA) und Benzo[b]fluoranthen (BbF) untersucht worden. Daraus wurde schließlich der Pak 4-Summenwert PAK 4 für die gesundheitliche Bewertung berechnet.

Für das Batenbrocker Gebiet zwischen der Knappenstraße und der Brakerstraße sowie der Devensstraße und der Polderstraße ist das andauernde Verzehrverbot allerdings eine Art zusätzliche Vorsichtsmaßnahme. Denn westlich der Kokerei könne der Grünkohl zurzeit eigentlich unbedenklich verzehrt werden, heißt es in dem Bericht des Landesumweltamtes. Da die Schadstoffgehalte dort bei anderen Windverhältnissen aber auch schon deutlich höher waren, rät die Umweltbehörde dazu, es bei der bisherigen Verzehrempfehlung zu belassen: Danach sollten die Anwohnerinnen und Anwohner dort wie in Welheim außer Grünkohl auch Mangold, Spinat, Pflücksalat, Feldsalat, Rucola, Rübstiel, Staudensellerie oder Kräuter wie Petersilie und Basilikum nicht verspeisen.

Das Landesumweltamt hatte sein Grünkohlmessprogramm zur Untersuchung der Luftbelastung durch kokereitypische Schadstoffe auch im vorigen Jahr fortgesetzt und im Freiland an zwölf Stellen im Bottroper Süden Testgemüse pflanzen lassen. Ziel war festzustellen, wie hoch die Schadstoffbelastungen in der Zeit von August bis November 2022 waren. Dabei geht es um die Umweltbelastungen durch Benzo(a)pyren (BaP) und durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK-4).

Westlich der Kokerei bleiben die Schadstoffwerte unauffällig

Anders als noch 2021 wurden ab August 2022 an einigen dieser Messorte deutlich höhere Schadstoffwerte in dem Gartengemüse gemessen, teilt auch die Stadtverwaltung mit. So seien Welheim und in der Boy die Schadstoffwerte an acht von neun der untersuchten Stellen höher als normal. Nur am südlichsten Punkt von Welheim in einem 1000 Meter von der Kokerei entfernten Privatgarten am Kleinebrechtshof blieben die Schadstoffkonzentrationen unter den normalen Orientierungswerten, zeigt das Landesumweltamt auf. Westlich der Kokerei wurden die Orientierungswerte sogar an keinem einzigen Messpunkt überschritten, berichtet die Stadtverwaltung.