Bottrop. „Korruption, Vorteilsnahme, Filz“: Wegen mehrerer Verdächtigungen gegen Beschäftigte der Verwaltung wird die Kritik im Bottroper Stadtrat lauter.
Die Kritik am Erscheinungsbild der Stadt nimmt auch im Stadtrat wegen mehrerer Vorwürfe über angebliches Fehlverhalten städtischer Beschäftigter zu. Dabei geht es vor allem um die Zusammenarbeit mit externen Unternehmen. „Tatsächlich häufen sich in den letzten Wochen und Monaten die von verschiedenen Seiten geäußerten Vorwürfe gegen Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter eine Spur zu viel, und dieser Trend bereitet mir Sorge“, sagte FDP-Vorsitzender Andreas Mersch.
Der Liberale richtete eine Bitte an OB Bernd Tischler: „Wir wünschen uns für die Zukunft mehr Sensibilität seitens der Verwaltung, was die Auftragserteilung beziehungsweise die Häufung von Aufträgen an einzelne und was das Engagement städtischer Bediensteter an und in privatwirtschaftlichen Unternehmen betrifft. Mehr Wettbewerb sorgt bekanntlich für mehr Vielfalt und am Ende auch für bessere Ergebnisse“.
Liberale erinnern an ganze Reihe von Vorwürfen
Jeder der Vorwürfe sei für sich alleine schon gewaltig genug, meint der Liberale. Mersch erinnerte an den Vorwurf der Vorteilsnahme bei Auftragsvergaben des städtischen Fachbereichs für Wirtschaftsförderung und die laufenden Ermittlungen wegen Korruptionsverdachts im Fachbereich für Recht und Ordnung. Der Ratsherr kritisierte „zu viel Nachsicht aufgrund zu enger persönlicher Verbindung mit einem Investor“ und auch die enge Kooperation der Stadt mit der Werbeagentur CK Media & Event aus Bottrop, die für die Stadt Feste organisiert und unter dem Titel „Bottroper Zeitung“ (BOZ) online und gedruckt ein Anzeigenblatt herausgibt.
„Finden Sie es wirklich richtig, wenn der Pressesprecher der Stadt dort eine regelmäßig erscheinende Kolumne schreibt, und eine Führungsperson aus der Wirtschaftsförderung, die im Fokus eines brisanten Sachverhalts stand, Exklusivinterviews gibt? Wo ist hier die Neutralität gegenüber Wettbewerbern?“, fragte der FDP-Ratsherr. Mersch sieht es kritisch, dass der Stadtsprecher in diesem Werbeblatt für einige der wenigen redaktionellen Beiträge sorge. „Irgendwie hat es ja doch ein Geschmäckle“, sagte der Liberale und fragte: „Was sagt eigentlich der neue Compliance-Beauftragte dazu?“
Ruf nach dem Compliance-Beauftragten
Er habe den Eindruck, dass dieser momentan eher mehr als weniger Arbeit habe. Andreas Mersch dankte ausdrücklich den Vertretern der Linkspartei, dass diese die enge Kooperation der Stadt und einiger ihrer Tochterunternehmen mit der Bottroper Agentur zum Thema gemacht habe. Die Linken fordern, dies zu beenden. Dem schlossen sich im Rat weitere Parteien an: außer den Linken und der DKP auch die ÖDP und die FDP. Die Grünen lehnten die Forderung nicht ab, enthielten sich aber der Stimmen. SPD, CDU und AfD stimmten nicht zu.
Linke-Ratsherr Niels Schmidt wirft der Stadt allerdings auch vor, durch die Auftragsvergaben ihrer Ressorts Einfluss auf die Berichterstattung des Anzeigenblattes zu nehmen. Er spricht von einer „unappetitlichen Vermischung“. Es sei „einfach Filz, selbst, wenn es juristisch zulässig ist: Einen Medienunternehmer zu haben, mit dem ich Geschäfte mache und der dann freundlich über mich schreibt“, sagte der Ratsherr der Linkspartei. Die Verwaltung wies diesen Vorwurf allerdings als unbegründet zurück.
Umstrittene Kolumnen im Anzeigenblatt
Auch die BOZ-Herausgeber Holger Czeranski und Stephan Kückelmann legen Wert darauf, dass die Berichterstattung der Bottroper Zeitung sowie des BOZ-Magazins stets unabhängig und überparteilich sei. Die Stadtverwaltung habe selbstverständlich zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf die Medien des Verlages, betonen die Herausgeber. Die Werbeagentur hebt hervor, dass der Stadtsprecher seine Kolumne in der BOZ als Privatperson verfasse. Denn Linke-Ratsherr Schmidt kritisierte gerade auch die Tätigkeit des Stadtsprechers als Kolumnist für die PR-Zeitung. „Es geht darum, welchen Eindruck die aktuelle Praxis der Verwaltung bei den Menschen in Bottrop hinterlässt“, sagte der Linke während seiner Rede im Rat. Das Ganze hinterlasse einen „unseriösen Eindruck“, bemängelte der Ratsherr.
Schmidt wies dazu auf die Compliance-Richtlinie der Stadt hin. Darin heißt es unter anderem: Vermeiden Sie jedwede Handlung und Verhaltensweise, die auch nur den Anschein einer Befangenheit auslösen kann. Der Ratsherr bezweifelt, dass die aktuelle Praxis den Anforderungen dieser Compliance-Richtlinie gerecht wird. So bleibt die berufliche Rolle des Autors in vielen Kolumnen zuletzt zwar unerwähnt, in einigen wird er jedoch - etwa in Bildunterschriften - als Stadtsprecher bezeichnet, mal ist die Kolumne auch als Anzeige gekennzeichnet. Das geht so auch aus Unterlagen der Verwaltung für den Rat hervor.
Befangenheitsvorwürfe wegen eines Interviews
Für schwerwiegender hält der Linke, dass eine Abteilungsleiterin des städtischen Fachbereichs für Wirtschaftsförderung in dem Anzeigenblatt in einem größeren Interview zu Wort kam und sich dabei auch vor dem Firmenlogo der Werbeagentur fotografieren ließ. Dies sei um so bemerkenswerter, da die Chefredakteure des Anzeigenblattes als Dienstleister für die Stadt auch Aufträge aus dem Ressort für Wirtschaftsförderung erhalten haben und dafür bezahlt wurden. Die städtische Mitarbeiterin nehme in diesem Interview Fragen der Bottroper Innenstadtentwicklung auf.
„Sie bringt sich auch noch als Nachfolgerin der aktuellen Amtsleiterin in Stellung und lässt uns wissen, dass ,die Leitung der Wirtschaftsförderung eine hoch spannende Aufgabe’ sei, stellte Niels Schmidt fest und richtete seine Kritik direkt an Oberbürgermeister Tischler: „Das ist die Praxis ihrer Verwaltung. Diese widerspricht offenkundig der Compliance-Richtlinie, die Sie selbst erlassen haben. Und Sie finden noch immer, an der aktuellen Praxis sei nichts zu beanstanden? Finden Sie nicht auch, dass Bild und Text dieses Interviews kaum geeignet sind, den Anschein einer Befangenheit zu vermeiden?“