Bottrop. In Bottrop finden regelmäßig Fetisch-Partys der „Puppys & Friends“ statt. Dabei geht es nicht um Sex, die Gäste leben ihre Individualität aus.
Tagsüber arbeitet Eddie als Optiker, abends streift er sich die Hundemaske („Hood“) über und wird zum Pet-Player. Er ist Mitglied des Vereins „Puppys & Friends NRW“, will seine Identität und den Charakter ändern und ohne Vorurteile ausleben. Er gehört zu den mehr als 650 Gästen, die am Wochenende bei der „Gear’n’Dance“-Party in Eloria gefeiert haben. „Wir begeben uns in einen Safe Space (z.dt. „sicheren Raum) und keiner wird verurteilt. Es ist ein Rückzugsort für uns.“
Lange Schlangen bilden sich am Samstagabend vor der Erlebnisfabrik bei Prosper-Haniel, viele Menschen drängen in der Kälte aneinander. Wer genauer hinsieht, erkennt Männer und Frauen mit „Hoods“ oder schwarzen Latexanzügen, auch „Gear“ genannt. Schon lange vor dem Einlass wird mit den Pfoten gescharrt: Die Community des „Human Pup-Play“ trifft sich zur fünften „Gear’n’Dance“ Party.
Pup-Player in Bottrop: Identität, Individualität und Sexualität
Wer zuerst das Wort „Pup-Play“ hört, denkt wahrscheinlich sofort an einen sexuellen Fetisch. Dabei verbindet die Community viel mehr als das: Identität, Individualität und Sexualität. Ein gemeinsames Hobby verbindet – eine familiäre Gemeinschaft entsteht, in Hundegestalt.
Auch interessant
Stunden vorher stehen „Puppys“ oder „Dogs“ an, schnell kommt es zu Gesprächen und Umarmungen – wenn man möchte. Konsens wird hier großgeschrieben. „Das Besondere an solchen Partys ist einfach das Zusammenkommen und Ausleben des Hobbys. Egal wie alt man ist oder welches Geschlecht oder Sexualität man hat“, erzählt Dario, der gemeinsam mit anderen Pup-Playern aus dem Verein „Puppys & Friends NRW“ vor den Eingangstoren wartet. Der Verein hat die Party mit auf die vier Beine gestellt.
Pup-Player reist extra aus der Slowakei nach Bottrop
Doch wie findet man seinen Weg in die Szene? Die Antworten sind unterschiedlich, aber ähneln sich meist doch: Neugier. So fing es auch bei Eddie an: „Ich habe vieles auf Instagram gesehen und fand es schon immer ästhetisch. Vor zwei Jahren habe ich dann meine Hood gekauft.“
Vigos, Vorsitzender des Vereins, hat durch Freunde seine Szene gefunden: „In Köln gab es ein Event, da bin ich einfach mal hin. Die Idee, einen Verein zu gründen, hatten wir schon vor Corona. Für uns ist ,Gear’ ein Lifestyle. Wir haben hier ein No-Sex-Konzept, die Leute wollten das und wir haben es einfach gemacht.“
- Sparen beim Einkauf? Diese Händler erleben das anders
- 0,7-Abi: Das macht Bottrops Super-Abiturient heute
- Weihnachtsbaumwurf: Promi-Team siegt in Grafenwald
- Spende: Neuer Trinkwasserbrunnen für Bottrop
Die Community kommt nicht nur aus Deutschland. Keef (19) reist aus der Slowakei an: „In Deutschland sind die Menschen viel respektvoller und wir sitzen alle im selben Boot. Wir sind alle stark verbunden und es ist erstaunlich, wie gut die Menschen durch ein Hobby in Kontakt kommen können.“ In seinem Heimatland sei die Szene und Akzeptanz weniger vertreten, der Zusammenhalt hier wunderschön. Deswegen sei er in der Szene geblieben.
„Ich lasse all die menschlichen Sorgen hinter mir“
Wie viel das Pup-Play den Besuchern bringen kann, wird bei Lucifer klar: „Wenn ich komplett in meiner Rolle bin, dann fallen Ängste von mir ab. Ich lasse all die menschlichen Sorgen hinter mir.“ Schon als Kind habe er sich anders gefühlt, wurde gemobbt. „Beim Mutter-Vater-Kind-Spielen bin ich immer gerne der Hund gewesen. Heute bin ich ein süßer Hund“, sagt er lächelnd. Erst durch die Berührung mit der Szene hat Lucifer sein wahres Ich gefunden – und sich akzeptiert gefühlt.
Sein Partner Dary sieht viele Pup-Player mit Ängsten, die in ihrer „Headspace“ sind, also ganz bei sich, und ihre Rolle, ähnlich wie Schauspieler, verkörpern: „Wenn wir die Hoods anziehen, dann fühlen wir uns sicher unter Gleichgesinnten. Jeder darf seine Vorlieben und Fetische haben.“ So ist es möglich, dem Stress und eigenen-Ich zu entfliehen – ganz ohne Drogen und Alkohol.