Bottrop. Am Knappschaftskrankenhaus Bottrop wird 3-D-Technik eingesetzt, um Patienten Sicherheit für die Bauchfelldialyse zu geben. Das sind die Vorteile.

Andreas Martin setzt die Virtual Reality Brille auf und greift zum Controller. Was manch anderer macht, um beim Eintauchen in ein 3-D-Videospiel zu entspannen, hat bei dem 58-Jährigen einen ernsten Hintergrund: Seine Nieren arbeiten nicht mehr, und das Training im virtuellen Raum soll ihn sicher im Umgang mit der Bauchfelldialyse in den eigenen vier Wänden machen.

Die Schulungsmethode ist neu in der Nephrologie am Knappschaftskrankenhaus Bottrop – die Methode der ambulanten Bauchfelldialyse (Peritoneal-Dialyse) indes nicht. Diese stellt eine Alternative zur Blutwäsche dar (Hämodialyse), für die die Patienten im Krankenhaus an ein Dialysegerät angeschlossen werden.

Bauchfelldialyse trägt zur Autonomie der Patienten bei

„Es ist für die Autonomie schon ein Unterschied, ob man die Dialyse zu Hause macht oder drei Mal in der Woche in ein Dialysezentrum kommen muss“, betont Chefarzt Professor Dr. Markus Hollenbeck. Das ambulante Verfahren, das die Patienten eigenhändig vornehmen können, werde allen Dialysepflichtigen am KKH angeboten. „Aber viele wollen in ihrer häuslichen Umgebung nichts damit zu tun haben.“

So sieht Andreas Martin, Patient im Knappschaftskrankenhaus in Bottrop, ohne VR-Brille auf der Nase aus.
So sieht Andreas Martin, Patient im Knappschaftskrankenhaus in Bottrop, ohne VR-Brille auf der Nase aus. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Andreas Martin schon. Der 58-Jährige steht eigentlich noch im Berufsleben, „da will ich wieder hin“, und der Aufwand einer klassischen Blutwäsche schreckt ihn. „Die drei Tage sind einfach mehr oder weniger weg.“ Neben den vier bis fünf Stunden, die die Hämodialyse dauert, müsste noch die Fahrzeit zum Dialysezentrum einberechnet werden. „Und wie ich hörte, braucht man danach auch Zeit, um sich zu erholen.“

Bauchfelldialyse: Gründliche Schulung ist Voraussetzung

Für die Heimdialyse wird den Patienten ein Dialyse-Katheter in den Bauchraum gesetzt. Über diesen füllen sie dann eine sterile Glukose-Lösung zur Bindung von Giftstoffen in den Bauchraum ein. Das Bauchfell fungiert als Filter. Nach vier Stunden wird die Lösung ausgetauscht. Viermal täglich muss diese Bauchfell-Dialyse durchgeführt werden, sie dauert dabei jeweils 20 bis 30 Minuten. „Der Patient hat immer zwei Liter Flüssigkeit im Bauchraum. Wenn diese rauskommt, sieht sie aus wie Urin. Man sieht, dass Giftstoffe herauskommen“, erklärt Prof. Dr. Markus Hollenbeck.

Mit VR-Brille trainiert wird ausschließlich in Begleitung: Patient Andreas Martin hier mit Fachpflegekraft Andrea Schüdderich und Chefarzt Prof. Dr. med. Markus Hollenbeck.
Mit VR-Brille trainiert wird ausschließlich in Begleitung: Patient Andreas Martin hier mit Fachpflegekraft Andrea Schüdderich und Chefarzt Prof. Dr. med. Markus Hollenbeck. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Die Handhabung muss allerdings sehr gründlich geschult werden, damit die Dialyse daheim zuverlässig funktioniert. Sehr wichtig ist, dass die Hygienestandards eingehalten werden, betont Andrea Schmüdderich, die als Fachpflegekraft für Hämo- und Peritoneal-Dialyse die Patienten vorbereitet. Läuft an dieser Stelle etwas schief, kann das zu Komplikationen führen. Eine Bauchfellentzündung etwa kann lebensbedrohlich sein.

Bei der so wichtigen Vorbereitung kommt die VR-Brille ins Spiel. Andreas Martin, im Berufsleben IT-ler, spricht aus Erfahrung, wenn er sagt: „Was einem die Schwester erzählt, ist eine Sache. Was auf dem Zettel steht, eine andere.“ Aber dank der VR-Brille, die einen in einen künstlichen Trainingsraum versetzt, mache man in gewisser Weise all das schon, was später zur Heimdialyse gehört.

Setzt man die Brille nämlich auf, findet man sich in einem Wohnzimmer wieder. „Man hat seinen Arbeitsbereich vor sich“, so beschreibt es Andreas Martin. Desinfektionsmittel, Infusionsständer, die Beutel mit der Glukose-Flüssigkeit – dies und alles andere, das für die Bauchfelldialyse gebraucht wird, findet sich hier virtuell wieder. Mittels Controller kann Andreas Martin Gegenstände (oder Anleitungen) ansteuern. Dabei wird jeder Dialyse-Schritt der vorgeschriebenen Reihe nach geprobt.

Patiententraining mit VR-Brille: „Man taucht richtig ein“

So ist in dem virtuellen Wohnzimmer vielleicht sogar das Fenster geöffnet – damit der Patient verinnerlicht, dass später daheim jedes offene Fenster geschlossen werden muss. „Man taucht richtig ein – am Ende der Sitzung wollte ich schon den Controller auf dem virtuellen Tisch ablegen“, erzählt Andreas Martin mit einem Lächeln.

Andrea Schmüdderich findet das Training in der virtuellen Welt ebenfalls richtig gut: Der Patient könne die Schritte selbstständig immer wiederholen und auf diese Weise Sicherheit gewinnen, das System gebe ihm bei Fehlern Rückmeldung – und letztlich spare man so auch Ressourcen. Ein weiterer Vorteil besteht für den Chefarzt darin, dass es das virtuelle Trainingsprogramm in insgesamt sieben Sprachen gibt.

Andreas Martin ist dank des Trainings plus der persönlichen Vorbereitung durch das medizinische Personal jedenfalls zuversichtlich, die Dialyse daheim gut hinzukriegen. „Vielleicht kann ich das in Zukunft sogar auf der Arbeit machen. Darüber muss ich mit meinem Arbeitgeber sprechen.“ Benötigt werde dafür eigentlich nur ein Raum, in dem man sich zurückziehen kann, bestärkt ihn Pflegekraft Andrea Schmüdderich. Durch die Bauchfell-Dialyse sieht Andreas Martin die Chance, „ein halbwegs normales Leben“ zu führen.

Ein Nischenverfahren

Die Bauchfelldialyse (Peritoneal-Dialyse) sei ein Nischenverfahren, sagt Chefarzt Prof. Dr. Markus Hollenbeck. Die Nephrologie am Knappschaftskrankenhaus aber ist seit Jahrzehnten ein Schwerpunktzentrum dafür und unterstützt neben der Betreuung der eigenen Patienten auch die umliegenden nephrologischen Praxen dadurch, dass sie die Dialysekatheter implantiert und bei Problemen weiterhilft. „Wir haben ein Herz für die Bauchfelldialyse“, so Hollenbeck.

Seinen Angaben nach dialysieren nur rund fünf Prozent der deutschen Patienten mit dieser Methode. Oftmals werde es bei Kindern angewandt, mit den Eltern aus Dialyse-Helfern daheim.