Bottrop. Welche Folgen hätte eine Legalisierung von Cannabis für Bottrop? Das sagen Jugendhilfe, Polizei, Amtsgericht und Cannabis-Shop-Betreiber.
Die Debatte zur Legalisierung von Cannabis zum Selbstanbau und im Verkauf zu Genusszwecken trägt sich bis nach Bottrop. Wie genau das finale Gesetzespaket sich auf den lokalen Raum auswirkt, ist schwer abzusehen. Allerdings ist Cannabis schon jetzt in Behörden und Fachgeschäften Thema. Nach Alkohol und Tabak ist Cannabis heute die drittverbreitetste Droge in Deutschland. Aus dem aktuellen Umgang mit dem Rauschmittel in der Gesellschaft lassen sich mögliche Folgen der Legalisierung erahnen.
Die aktuelle Lage in der Justiz und Strafverfolgung
Die Zahl der Anzeigen wegen des Besitzes von Cannabis in Bottrop ist überschaubar: Drogendelikte werden statistisch unter Betäubungsmitteldelikten (BTM) beziehungsweise Rauschgiftdelikten geführt, weshalb die zuständigen Behörden nachträglich nur bedingt nach Art der Droge differenzieren können. Auf Anfrage teilt die Pressestelle der Polizei Recklinghausen mit, dass circa die Hälfte der 291 „BTM-Delikte“ mit Cannabis zu tun gehabt hätten. Von den 150 Tatverdächtigen seien 22 minderjährig gewesen.
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Das Amtsgericht Bottrop ist zuständig für Rauschgiftdelikte mit einer geringen Schwere der Schuld, beispielsweise dem Besitz kleinerer Mengen Cannabis. Erfahrungsgemäß werden ein bis zwei Fälle monatlich verhandelt. „Die Strafen reichen von kleinen Geldstrafen bis zu Haftstrafen für Wiederholungstäter. Jugendliche werden für derartige Straftaten meist an die zuständigen Beratungsstellen verwiesen, um Aufklärungskurse zu besuchen oder Sozialarbeit zu leisten“, sagt der Direktor des Amtsgerichts.
Ob ein Fall das Gericht überhaupt erreicht, liegt in der Hand der Staatsanwaltschaft. Diese kann Verfahren auch einstellen, wenn das Vergehen zu gering war, um es überhaupt zu verhandeln. Das hängt von der kriminellen Historie der Beschuldigten ab. Im Falle des Besitzes von Cannabis handelt es sich meist um sogenannte Bagatelldelikte. Bei Ersttätern oder ansonsten unauffälligen Personen käme es in der Regel selten zu einer Verhandlung.
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Bottroper Jugendhilfe: Jugendschutz durch Legalisierung
Die Jugendhilfe Bottrop berät Jugendliche zwischen 14 und 27 Jahren. Ursprünglich gegründet wurde der Verein vor 50 Jahren, um abhängigen Jugendlichen zu helfen und sie von der Straße zu holen. Einen großen Teil dieser Arbeit nimmt die Drogenberatung und Präventionsarbeit ein. In der Beratungsstelle wird Jugendlichen vertraulich und anonym geholfen, ohne Daten an Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben.
„Um Jugendliche vor der Drogenabhängigkeit – legale wie illegale Substanzen – zu bewahren, ist der erste und effektivste Schritt die Aufklärung“, so Irena Wabnitz von der Fachstelle für Prävention. Für sie sei es wichtig, Erziehenden und Lehrpersonal zu vermitteln, dass ein informativer Ansatz Jugendliche am besten schütze. „Cannabis ist Teil der Lebensrealität der Jugendlichen. Durch eine Legalisierung könnte ein reflektierter und gemäßigter Umgang leichter vermittelt werden“, so Wabnitz.
„Wir treffen selten alkoholabhängige Jugendliche“
„Cannabis als Einstiegsdroge zu bezeichnen ist nicht zielführend. Die Gründe für eine Drogensucht liegen selten nur bei der Substanz“, so Barbara Stratmann von der Jugendhilfe Bottrop. Wie suchtgefährdet jemand ist, würde durch die Psyche und das Umfeld der Person bestimmt. Stress, Angst und Depressionen würden eine Abhängigkeit befeuern. „Hinzukommen die Umstände, unter denen Cannabis auf dem Schwarzmarkt erworben werden muss: Wer einmal in diese kriminellen Strukturen gerät, dem werden unweigerlich auch stärkere Drogen empfohlen oder aufgedrängt“, so Stratmann.
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Ein geregelter Verkauf von Cannabis in Verbindung mit einer Beratungsstelle sei die beste Möglichkeit, Konsumenten zu schützen und Jugendlichen den Zugang zu erschweren. „Wir treffen selten alkoholabhängige Jugendliche. Das liegt an dem gesellschaftlichen Umgang mit Alkohol: Kinder lernen früh durch Beobachten den Unterschied zwischen einem gemäßigtem und problematischem Konsum, und übertragen diese Erfahrungen auf das eigene Leben“, so Stratmann. Die eigenen Grenzen im Umgang mit Cannabis zu lernen und Symptome einer Sucht zu erkennen, ist mit einer gesellschaftlich stigmatisierten Droge nicht zu schaffen.
Wie der legale Verkauf von Cannabis aussehen könnte
Im Marry-Jane-Shop auf der Adolf-Kolping-Straße kann man bereits Cannabis in Blütenform und auch als Öl kaufen, allerdings mit einem wichtigen Unterschied: „Wir führen hauptsächlich Waren ohne den psychoaktiven Wirkstoff THC. Unsere Produkte sind in ihrer Zusammenstellung zum Verkauf freigegeben“, sagt Eric Borne. Er betreibt mit Silke Borne den Cannabis-Fachhandel, der zu der Firma „Finest Swiss Cannabis“ mit mehreren Filialen in Deutschland, gehört. Die angebotenen Produkte enthalten den Wirkstoff CBD (Cannabidiol), der bei einer Vielzahl von Beschwerden zum Einsatz kommt, aber keine berauschende Wirkung hat.
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„Cannabidiol hilft bei Muskel- und Gelenkschmerzen, sowie Stress, Angstzuständen, Appetitlosigkeit und Schlafstörungen. Unsere Kunden nutzen CBD aus unterschiedlichsten Gründen. Hauptsächlich kommen Personen zu uns, die unter chronischen Krankheiten leiden, und auf einen natürlichen Wirkstoff zurückgreifen wollen“, so Borne.
„Den Kunden ein sauberes, natürlich Produkt bieten“
Der gebürtige Kanadier kennt legales Cannabis aus seinem Heimatland. Dort habe die Legalisierung gut funktioniert, da der Schwarzmarkt ausgetrocknet wurde und Qualitätsstandards ein sicheres Produkt für den Kunden ermöglicht hätten. Sollte die Legalisierung in Deutschland kommen, plane Borne auch den Verkauf im eigenen Geschäft: „Sofern wir alle eventuellen Vorgaben erfüllen, würden wir auch Cannabis als Genussmittel anbieten. Durch die Legalisierung wäre es möglich, dem Kunden so ein sauberes, natürliches Produkt zu bieten.“
Auch für den Jugendschutz wäre eine Legalisierung hilfreich: Es sei so möglich, Ausweiskontrollen durchzuführen, solange der Handel kontrollierbar bliebe. „Cannabis ist und bleibt genauso wie Alkohol oder Tabak eine Droge. Eine Legalisierung ändert daran nichts“, sagt Borne. Durch eine Verbotspolitik Konsumenten zu kriminalisieren, sei allerdings der falsche Weg.
Adresse der Jugendhilfe: Osterfelder Straße 88, Telefon: 02041 2903 E-Mail: Jugendhilfe.Bottrop@t-online.de, Online Beratung: app.suchtberatung.digital