Bottrop. Wie haben Jugendliche Lockdown und Pandemie erlebt? Die Berater der Jugend- und Drogenberatung kennen die Belastungen der jungen Generation.

Viele Menschen haben unter der Pandemie und den Lockdowns gelitten, besonders betroffen seien dabei Jugendliche und junge Erwachsene gewesen, sagen Dr. Jürgen Friedrichs, Leiter der Jugend- und Drogenberatungsstelle, und Irena Wabnitz von der Fachstelle für Prävention im Gespräch mit der WAZ. Immer mehr junge Menschen seien heute psychisch belastet.

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Erwachsene wissen, was sie verpasst haben und haben Erfahrungen, Möglichkeiten und Strategien, um Dinge nachzuholen, die wegen Corona nicht möglich waren. Aber Jugendliche haben „sehr viel verloren, wissen aber nicht, was.“ Es waren keine „Erprobungsräume“ da, um Pubertät auszuleben, sich als Mensch „auszutesten“ und mit Gleichaltrigen Entwicklungsschritte zu gehen. Manche sozialen Kompetenzen seien nicht entwickelt worden. Es fehlen Erfahrungen mit dem ersten Kuss, das Schließen von Freundschaften oder auch Gespräche über „Themen, über die man mit Eltern nicht spricht“. Jugendliche suchen und probieren aus, aber wissen oft nicht, was sie hätten tun können.

In den zwei Jahren konnten soziale Kompetenzen teils nicht entwickelt werden

Auch Erwachsene haben Zeit verloren, aber bei Jugendlichen seien diese zwei Jahre viel bedeutsamer für die Gesamtentwicklung. Soziale Kompetenzen sind oft nicht entwickelt worden: „Wie kann ich eigene Positionen entwickeln, andere Position aushalten, Kompromisse eingehen?“ Es fehlen Kontakte, besonders zu Gruppen, in denen Jugendliche sich ausprobieren: „Wie verhalte ich mich, welche Rolle übernehme ich?“

Irena Wabnitz und Jürgen Friedrichs von der Jugendhilfe berichten, wie Jugendliche unter Corona gelitten haben.
Irena Wabnitz und Jürgen Friedrichs von der Jugendhilfe berichten, wie Jugendliche unter Corona gelitten haben. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Vielen Jugendlichen und deren Eltern mache die jetzige Situation auch Angst. Zur Pandemie, dem Krieg und dem Klimawandel käme zur Zeit noch die wirtschaftliche Sorge: „Die Kombination daraus macht die Lage prekär.“ Es stellen sich Fragen: „Was ist nächsten Monat? Was darf ich dann, was darf ich nicht? Welche Krise kommt noch oben drauf?“ Als Reaktion komme es auf der einen Seite zu exzessivem Ausleben, aber auch die Tendenz zur Isolation und Antriebslosigkeit sei feststellbar, so die Beobachtung der Experten.

Berater bemerken steigenden Drogenkonsum in Bottrop

Was sie ebenfalls bemerken: Der Drogenkonsum steigt. Oft würden Drogen benutzt, um den Alltag zu bewältigen. Umgekehrt wisse man, dass Jugendliche weniger Drogen konsumieren, wenn sie sich wohlfühlen, sagt Friedrichs.

Für die Beratung gebe es kein Patentrezept. Wichtig sei viel Kommunikation und das Verstehen, dass es zwischen Jugendlichen und Erwachsenen Unterschiede gebe. Insgesamt wünschen sich die Experten, dass der Leistungsanspruch und -druck reduziert wird und Jugendliche in offenen Räumen entdecken könnten: „Wer bin ich und wer will ich wirklich sein?“

Art der Kommunikation hat sich mit den Jahren verändert

Man könne Hilfestellungen geben, um besser mit der Situation umzugehen, die eigenen Kräfte zu entdecken, sinnvolle Hilfsmöglichkeiten auszuwählen und auch Grenzen zu erkennen. Wenn beklagt werde, früher sei bei den Jugendlichen die Kommunikation besser gewesen und man der Sozial- und Lagerfeuerromantik nachtrauere, so stimme das nicht, sagt Friedrichs entschieden: „Früher war es nicht besser, es war anders.“ Die Art der Kommunikation habe sich zwar verändert, sei deshalb aber nicht minderwertiger.

Beratungen sind streng vertraulich

Die Jugend-und Drogenberatungsstelle ist eine anerkannte Einrichtung des freien Trägers Jugendhilfe Bottrop seit 1972 und wird von Stadt und Land gefördert. Die Beratungsstelle kümmert sich zur Zeit um rund 500 Klienten Die Jugendberatung unterstützt Menschen bis 27 Jahre, in persönlichen oder telefonischen Gesprächen oder im Live-Stream. Oft geht es auch um Beratung von Eltern und Angehörigen, die „stark mitleiden.“

Bei der Drogenberatung ohne Altersbegrenzung liegt der Schwerpunkt bei illegalen, strafrechtlich verfolgten Drogen. Ausgangspunkt ist auch hier die Hilfe in Form von Gesprächen und Entwicklung von Unterstützungsmöglichkeiten vom Alltag bis zur Vermittlung stationärer Behandlung. Alle Beratungen sind kostenlos, streng vertraulich – auch gegenüber den Eltern - und unterliegen der Schweigepflicht und dem Zeugnisverweigerungsrecht.

Im Bereich der Prävention oder Vorbeugung geht es um die Unterstützung von Menschen, die mit Jugendlichen arbeiten oder leben. Offene oder geschlossene Fortbildungen richten sich an Schulen, soziale Einrichtungen u.ä. Jugend-und Drogenberatungsstelle, Osterfelder Straße 88, Öffnungszeiten Montag bis Donnerstag 14 bis 18 Uhr, Freitags 14 bis 16 Uhr Termine unter: 29091.www.Jugendhilfe-Bottrop-eV.de