Bottrop. Bottrop besitzt die weltweit größte Museumssammlung mit Josef-Albers-Werken. So wertvoll ist dieser Schatz wirklich. Albers-Expertin im Gespräch.

Die Eröffnungsausstellung „Huldigung an das Quadrat“ in der neuen Josef-Albers-Galerie bringt nicht nur das Bottroper Museum derzeit in die Medien. Selbst die „Tagesthemen“ widmeten der Schau und vor allem Josef Albers selbst einen ungewöhnlich ausführlichen Beitrag. Wir wollten von der Forscherin, die Albers’ Werk weltweit wohl am besten kennt, wissen, wie die Bottroper Sammlung im internationalen Kontext zu verorten ist, was möglicherweise noch fehlt, aber auch, welche Rolle Albers-Arbeiten am heutigen Kunstmarkt spielen. Jeannette Redensek, wissenschaftliche Kuratorin der Josef and Anni Albers Foundation, ist einige Tage in Bottrop. Redakteur Dirk Aschendorf traf sie im Museum Quadrat.

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Frau Redensek, welchen Eindruck haben Sie vom Erweiterungsbau des Museums?

Jeannette Redensek: Ich finde, der Neubau ist ein Juwel. Ich kann mir vor allem auch als Museumsmensch sehr gut vorstellen, wie sich hier Ausstellungen entwickeln. Man kann künftig viele Dinge tun, die so im Altbau nicht möglich wären. Der Bau wurde mit zeitgenössischer Kunst im Hinterkopf gemacht: Keine Teppiche, keine Salon-Interpretation. Und ich denke, dass Linda Walther als neue Leiterin da schon viele gute Ideen und Ansätze hat.

Die 120 Bilder von Josef Albers bilden natürlich den Mittelpunkt der Ausstellung „Huldigung an das Quadrat“. Zahlreiche Exponate erinnern aber auch an frühe Ausstellungen in Deutschland in den 50er und 60er Jahren, als Albers in den USA längst in fast allen wichtigen Museen zu finden war.
Die 120 Bilder von Josef Albers bilden natürlich den Mittelpunkt der Ausstellung „Huldigung an das Quadrat“. Zahlreiche Exponate erinnern aber auch an frühe Ausstellungen in Deutschland in den 50er und 60er Jahren, als Albers in den USA längst in fast allen wichtigen Museen zu finden war. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Kern und Bezugspunkt wird aber sicher stets die Albers-Sammlung bleiben. Welche Bedeutung hat der Bottroper Bestand hinsichtlich Größe und Qualität im internationalen Vergleich?

Nach der Josef and Anni Albers Foundation verfügt Bottrop mit seinen rund 300 Werken über die größte Sammlung - und hat dazu ein Museum. Das haben wir ja nicht. Die Foundation ist ein Ort der Forschung, die große Stärke ist unser riesiges Archiv für Josef und Anni. Die drittgrößte Albers-Sammlung befindet sich dann tatsächlich wieder in den USA, an der Yale-University, eine der wichtigsten Uni-Sammlungen in den Staaten. Dort gab es, ähnlich wie vorher in Bottrop, 1979 durch Anni Albers eine große Schenkung. Und dann kommt schon das Guggenheim in New York. Dort hat man bereits in den 40er Jahren begonnen, Albers-Werke zu kaufen.

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Wie kam es dazu?

Die damalige Kuratorin dort kannte Maler wie Klee und Kandinsky sehr gut, die wie Albers vom Bauhaus kamen. Dann erwarb das Museum 1948 den Nachlass des ehemaligen Berliner Kunsthändlers Karl Nierendorf, der in den späten 30er Jahren nach New York emigriert war, und darunter waren auch einige bedeutende Albers-Arbeiten. Spätestens ab den 60er Jahren waren Albers-Werke in Museen und privaten Sammlungen in den USA ein „must have“. Sie entsprachen dem Zeitgeist, passten in die Mies-van-der-Rohe-Bauten und zu den sachlichen skandinavischen Designermöbeln der reichen interessierten Privatleute.

Als Europa sich auf Albers besinnt, ist er in Amerika bereits „in“

In Deutschland besinnt man sich also mit der ersten Schau in Hagen 1956 wieder auf Albers, als der in den USA längst schon „in“ war?

Ja, aber kurz nach dem Krieg war es auch schwierig, überhaupt Kunstwerke aus Amerika nach Deutschland zu bekommen. Alles kam per Schiff, sehr umständlich und teuer, dann waren da die Besatzungsbehörden. Es wurde erst einfacher, als die neue Bundesrepublik da war und die West-Bindung. Die erste Schau war dann auch in der Kunsthalle Zürich zu sehen. Dann „reisten“ die Werke nach Hagen - es war übrigens so etwas wie eine umfangreiche „Wanderausstellung“, die zwischen 1956 und -59 ergänzt und variiert wurde...

… und auch in Bottrop zu sehen war, im Lichthof der Berufsschule...

Ja, da habe ich dann doch einiges, vor allem auch Fotos, bei uns im Archiv gefunden, was nun bei der aktuellen Ausstellung in einer Vitrine gezeigt wird.

Wesentlich für die Bottroper Sammlung waren erste kleinere Ankäufe der Stadt, dann die großen Schenkungen in den 70er und 80er Jahren durch Josef und Anni Albers und spätere Ankäufe. Ist die Sammlung organisch und zielgerichtet gewachsen?

Ja, auf jeden Fall. Bei den Schenkungen waren immer auch wichtige Arbeiten und Werke aus mehreren Epochen dabei, so dass hier Josef Albers in all seinen Facetten aus eigenem Bestand gezeigt werden kann.

Wo könnte die Sammlung noch ergänzt werden?

Vielleicht bei den wirklich frühen Homages to the Square vom Anfang der 50er Jahre, aus dieser Zeit gibt es hier nur ein Werk. Aber wie gesagt: Die Bottroper Sammlung in Verbindung mit dem Museum ist so schon einzigartig, in Europa und in den USA.

Sie arbeiten seit vielen Jahren auch an dem umfassenden Werkverzeichnis und beobachten die Albers-Forschung. Ist das Werk vollständig bekannt?

Albers malte wohl 2800 Bilder, davon vermisse ich etwa 200, das ist nicht viel. Einige hat er selbst vernichtet, wie wir wissen. Andere dürften in privaten Händen sein, möglicherweise auch hier in Bottrop. Albers war ja westfälisch-genau und hat über seine Arbeit detaillierte Listen geführt, sehr wichtig bei der Katalogisierung. Ganz große Überraschungen dürfte es da nicht mehr geben.

Und die berühmten „weißen Flecken“ in der Forschung?

Meine „weißen Flecken“ wären zum Beispiel Themen wie Albers und die Natur, die Naturphilosophie. Ich finde, seine Liebe zur Natur und seiner Heimat manifestiert sich auch in seiner Liebe zur Farbe. Das wären sicher interessante Themen...

Wenn Ihr Werkverzeichnis abgeschlossen ist?

Dann sprechen wir über die Zeit ab 2025… Aber die Zeit vergeht so schnell. Übrigens: Die ersten Ausstellungen, die von dem Katalogwerk bereits profitierten, waren die Schau auf Villa Hügel in Essen und „Der junge Albers“, die Ulrike Growe später für Bottrop kuratierte.

Albers-Kuratorinnen unter sich: Ulrike Growe, die 2019 die Ausstellung „Der junge Albers. Aufbruch in die Moderne“ im Quadrat kuratierte im Gespräch mit Jeannette Redensek von der Josef and Anni Albers Foundation. Dahinter ein Selbstporträt des jungen Josef Albers.
Albers-Kuratorinnen unter sich: Ulrike Growe, die 2019 die Ausstellung „Der junge Albers. Aufbruch in die Moderne“ im Quadrat kuratierte im Gespräch mit Jeannette Redensek von der Josef and Anni Albers Foundation. Dahinter ein Selbstporträt des jungen Josef Albers. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Sitzt Bottrop eigentlich auch aus Sicht des Kunsthandels auf einem Schatz?

Aber ja! In Amerika hätte man die Frage direkt zu Anfang gestellt, da spricht man viel mehr über Geld. Und tatsächlich sollten wir offen anerkennen, dass der Kunstmarkt ein wichtiger Teil der Kunstgeschichte ist. Schauen Sie, um 1960 bekam man einen großen Albers, 1,20 Meter mal 1,20 Meter, für etwa 1.600 Dollar. Heute kosten die weit über zwei Millionen. Und wie gesagt: Bottrop hat wichtige Werke - vor allem aber einen großen ideellen Schatz.

...der hier gut gehütet wird?

Auf jeden Fall! Und diese neue Ausstellung ist da wirklich ein weiteres Ereignis und eine Riesenchance, so viele Bilder eines einzigen Künstlers in einem Museum versammelt zu sehen - und das in seiner Geburtsstadt. Ich hoffe, es werden sehr viele Menschen kommen.

Die Ausstellung

Josef Albers Museum Quadrat: Anni-Albers-Platz 1, 46236 Bottrop. Die Ausstellung ist zu sehen vom 19. Oktober bis 26. Februar. Di - Sa, 11 bis 17, So, 10 bis 17 Uhr.

Freier Eintritt an den ersten drei Öffnungstagen. Ab 22. Oktober: 10/erm. 6 Euro. Führungen: immer sonntags, 15 Uhr. Sonst sind Führungen auch buchbar unter: 02041372030.

Eine Sonderöffnung bis 19 Uhr gibt es am Donnerstag, 20. Oktober.

Info:quadrat.bottrop.de.