Duisburg/Kirchhellen. Ein Kirchhellener Fluglehrer und Werbeflieger von „Fly in the city“ verstarb beim Absturz in Duisburg. Vermutlich rettete er Menschenleben.
Niemand hatte mehr anderes erwartet. Jetzt haben DNA-Tests die letzte Gewissheit gebracht: Ein 54-jähriger Fluglehrer aus Feldhausen und sein 77-jähriger Mitflieger aus Dortmund sind am 4. September beim Absturz eines Ultraleichtfliegers in der Duisburger Innenstadt gestorben. Polizeisprecher Jonas Tepe bestätigt: „Die beiden Insassen sind zweifelsfrei per DNA-Abgleich identifiziert.“ Zeugenaussagen legen die Vermutung nahe: Der Fluglehrer hat in letzter Sekunde viel Schlimmeres verhindert – den Absturz in das mit 700 Personen besetzte Zirkuszelt nebenan.
Der Fluglehrer hatte seit 2003 seinen Firma am Flugplatz Schwarze Heide. Das Unternehmen „Fly in the City“ bot Pilotenausbildung an, Luftaufnahmen und Rundflüge sowie Flüge mit angehängten Werbebannern. Einen Tag vor dem Absturz hatte er noch teilgenommen am Brezelausmarsch ein Jahr vor dem Brezelfest von Haus Pels zum Hof Steinmann am Lippweg.
Gesellig, unterhaltsam und geschätzt: So beschreiben Bekannte den Fluglehrer. Auch am Flugplatz Schwarze Heide genoss der erfahrene Fluglehrer Wertschätzung. Flieger wie Mitarbeiter nehmen mit Verbitterung zur Kenntnis, welch „übles Gerede“ nach dem Absturz die Runde durchs Dorf macht.
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Bleiben wir also bei den Tatsachen. Am Sonntag, 4. September, bestiegen der Feldhausener und sein Mitflieger an der Schwarzen Heide ein Ultraleicht-Flugzeug des Herstellers „Flight Design“ mit der Seriennummer CTSW. Um 14 Uhr hob der Flieger ab. Beim Tower angemeldet war ein Rundflug über Duisburg. Was dann über der Duisburger Innenstadt geschah im Cockpit in den Sekunden vor dem Absturz um 14.50 Uhr auf dem Zirkusparkplatz, muss die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen (BFU) herausfinden. Und das wird voraussichtlich Monate dauern. BFU-Sprecher Gernot Freitag rechnet Ende November mit einem Vorbericht zu dem Unglück.
Der Duisburger Oliver Hülsmann (53), der mit seiner Familie Augenzeuge des Absturzes wurde, formuliert am Tag nach dem Absturz vorsichtig. „Ich kann nur mutmaßen. Aber für mich sah es so aus, dass der Pilot in letzter Sekunde abgedreht ist, einen sofortigen Absturz herbeigeführt hat und so absichtlich Schlimmeres verhindert hat“.
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Hülsmann beschrieb den Absturz so: „Wir waren spät dran und haben uns um etwa Viertel vor drei angestellt. Kurz darauf seien schon die Motorgeräusche des Flugzeugs zu hören gewesen. „Mein Vater guckte nach oben und sagte: Boah, der fliegt aber niedrig.“ In sozialen Netzwerken schilderten einige Nutzer Beobachtungen von einem auffällig manövrierten Kleinflugzeug im Luftraum über Regattabahn und Sportpark – das passt zu dem, was Hülsmann beobachtet hat.
„Nach links abgebogen und wie ein Stein nach unten gestürzt“
Man habe gesehen, „dass irgendwas nicht stimmt, dass es möglicherweise technische Probleme“ gab, so der 53-Jährige. „Der Flieger war nur noch etwa 100 Meter entfernt von uns, aber noch schätzungsweise 50 bis 60 Meter hoch in der Luft. Dann ist er kurz vor uns abrupt nach links abgebogen und plötzlich wie ein Stein steil nach unten gestürzt.“ Oliver Hülsmann weist darauf hin, dass dies nur seine erinnerten Beobachtungen sind: „Es ging alles so unwahrscheinlich schnell, innerhalb von vier, fünf Sekunden.“
Aber: Auch Mitarbeiter des Zirkusses berichten vom Kurswechsel in letzter Sekunde. Für die am Kassenhäuschen Wartenden sei ein „harter Aufschlag“ zu hören gewesen, „sofort danach gab es eine Explosion, Feuer, dunklen Qualm. Es war so, wie man das aus Spielfilmen kennt.“ Hülsmann und seine Verwandten konnten zunächst „gar nicht begreifen, was wir da gerade gesehen haben. Der Schock sitzt tief. Da sind vor unseren Augen zwei Menschen gestorben, und es hätte auch uns treffen können.“
„Man will sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre“
Der Duisburger möchte nicht spekulieren, aber aufgrund der beobachteten Flugbahn vermutet er: „Es sah so aus, als ob der Pilot den Absturz noch vor dem Zelt – und vor den Hochhäusern rund um den Bahnhof – absichtlich herbeigeführt hat. Möglicherweise hat er gesehen, dass er keine Chance zu landen hat. Vielleicht hat er wirklich aus Verantwortungsbewusstsein so gehandelt. Man will sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn der Flieger ins Zelt oder auf den Biergarten gestürzt wäre.“ Auch in der Gastronomie, etwa 50 Meter von der Absturzstelle entfernt, hätten sich um 14.50 Uhr noch schätzungsweise 50 Personen aufgehalten.
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Ein weiteres Horrorszenario, das dem Augenzeugen durch den Kopf geht: „Was, wenn das Flugzeug zehn Minuten früher abgestürzt wäre, als noch viele Menschen auf dem Parkplatz waren?“ Für den 53-Jährigen ist es „fast ein Wunder, dass sonst niemand verletzt wurde“. Das Fazit seines Sohnes: „Da haben wir aber mal richtig Glück gehabt.“ Das kann man wohl so sehen, sagt Feuerwehr-Einsatzleiter Michael Görtzen. „Es war pures Glück – wenn der Flieger nur 100 Meter weiter abgestürzt wäre, hätte es eine unvorstellbare Katastrophe gegeben.“
Marco Willer vom Dorfportal „kirchhellen.de“ hat selbst ein paar Stunden Flugunterricht genommen bei dem Feldhausener Fluglehrer, den viele im Dorf mit seinem Spitznamen „Jay“ riefen. Zur Nachricht von der endgültigen Identifizierung sagt er: „Es ist sehr schade um ihn. Ein Original weniger.“