Bottrop-Kirchhellen. 13,3 Prozent weniger Anbaufläche für Erdbeeren zählen Statistiker in NRW für 2022. Auch in Kirchhellen wird weniger angebaut. Das sind Gründe.
„NRW: Niedrigste Erdbeerernte der letzten zehn Jahre“, titelten die Statistiker von IT NRW bei der Vorlage der „vorläufigen Gemüseerhebung“. Die Zeile wirft ein Schlaglicht auf eine Entwicklung, die in Kirchhellen schon seit Jahren läuft: Wegen steigender Kosten und nicht auskömmlichen Preisen haben die beiden Nachbarn Jörg Umberg und Eberhard Schmücker ihre Anbauflächen für Erdbeeren sehr deutlich zurückgefahren. „Und das wird weitergehen, wenn auch nicht so stark wie beim Spargelanbau“, sagt Umberg.
„Wir hatten vor ein paar Jahren noch 40 Prozent mehr Anbaufläche als jetzt“, sagt Umberg. Beim Nachbarn Schmücker sieht es nicht anders aus: „Früher haben wir auf 40 Hektar Fläche Erdbeeren angebaut, jetzt sind es noch 27“. Das ist ein Rückgang der Fläche um fast ein Drittel.
„2020 war ein grandioses Jahr“
Warum bringt der Erdbeeranbau den Erzeugern immer weniger Ertrag? Natürlich spielen Einkaufsgewohnheiten und das Wetter eine Rolle. Weil die Kunden im ersten Corona-Jahr die Hofläden und das Selbstpflücken entdeckt hätten, sei 2020 „ein grandioses Jahr“ gewesen, erinnert sich Schmücker. Der Dauerregen im vergangenen Jahr dagegen sei für die Erdbeerernte eine „Vollkatastrophe“ gewesen. Und die Ernte 2022? „Ein totales Desaster“, sagt Schmücker.
Das hat wenig mit dem Wetter zu tun, das war nämlich wegen der vielen Sonnentage durchaus erdbeerfreundlich. Deshalb konnte die Erdbeerernte in Kirchhellen auch schon Mitte April beginnen. Die Selbstpflück-Saison im Dorf läuft seit Anfang Mai. Soweit alles gut.
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Schlimm genug, dass auch im Dorf zur gleichen Zeit Verkaufsstände auftauchten, die Erdbeeren unter anderem aus Holland verkauften und den Ständen der beiden Kirchhellener Erzeuger Konkurrenz machten. Die seien „der gesamten Branche ein Dorn im Auge“, sagt Umberg. Natürlich erhöhen der Mindestlohn und die Knappheit an Saisonarbeitskräften durch den Angriffskrieg in der Ukraine den Kostendruck. Aber was den Erzeugern wirklich den Hut hochgehen lässt, ist die Einkaufspolitik der großen Supermarktketten.
Billigware aus Portugal und Marokko
Umberg formuliert es bewusst zurückhaltend: „Ein zunehmender Anteil unserer Kunden ist nicht mehr gewillt, regionale Erzeuger zu berücksichtigen. Das hat natürlich Konsequenzen für unseren Anbau.“ Viele Ketten werben zwar mit der Regionalität ihrer Produkte, stellen aber dennoch zur besten deutschen Erntezeit Billigware mit übergroßem CO2-Fußabdruck aus Portugal und Marokko auf die Verkaufstheken und verderben den regionalen Erzeugern so die Preise.
Schmücker sagt dazu: „Wir sind froh und dankbar, dass wir viele Händler direkt beliefern dürfen, weil die uns schon seit Jahren kennen und schätzen.“ Weil diese Händler eben nicht ausschließlich auf die Zentraleinkäufer der großen Ketten zurückgreifen. „Auf diese Weise halten wir unseren Absatz stabil. Das hat deses Jahr gut funktioniert.“
Das Selbstpflücken als Alternative funktioniert
Direktvermarktung über die Hofläden ist eine Ausweichmöglichkeit. Jörg Umberg hat sich zudem mit dem Lieferdienst „Wochenmarkt24“ zusammengetan. Außerdem setzen beide Erzeuger auf das Selbstpflücken auf dem Feld und in Hochbeeten. „Mit dem Ertrag beim Selbstpflücken sind wir sehr zufrieden“, sagt Umberg. Nicht nur deshalb will Nachbar Schmücker am Selbstpflück-Angebot auf acht Hektar Fläche festhalten, sondern auch aus pädagogischen Gründen: „So lernen die Leute beim Selbstpflücken, dass Erdbeeren nicht aus einer Maschine fallen.“
Umberg: Neue Öffnungszeiten
In den Feldern und den Folientunneln gegenüber der Hofeinfahrt am Overhagener Feld wird montags und dienstags nicht mehr gepflückt, damit die Beeren nachreifen können.
Mittwochs bis sonntags können Selbstpflücker in die Erdbeeren, Heidelbeeren, Brombeeren und Zwetschgen gehen. Ab Samstag, sagt Umberg, kommen Äpfel dazu.