Bottrop/ Gladbeck. Jennifer Kuznik ist eine von nur zwei Frauen, die in Bottrop als Schornsteinfegerinnen arbeiten. Als Exotin fühlt sich die Gladbeckerin nicht.

Diese Frau steigt regelmäßig den Bottropern aufs Dach, schließlich ist Jennifer Kuznik ausgebildete Schornsteinfegerin. An manchen Tagen wuchtet sie bis zu 20 Mal die lange Ausziehleiter vom Wagendach, stellt sie ans Haus und steigt mit Kehrbesen und Kugel über der Schulter rauf zum Kamin.

Zwar hat die Zahl der Kohleheizungen abgenommen, aber in einigen Bezirken in Bottrop wird noch mit Kohle geheizt: „Entsprechend schwarz bin ich dann an manchen Tagen“, sagt die 36-Jährige lachend, die sich im immer noch männerdominierten Beruf voll akzeptiert fühlt. Sie betrachtet sich nicht als „Exotin“, auch wenn in Bottrop nur zwei Frauen in diesem Handwerk tätig sind.

Schornsteinfegerin: „Es gibt herrliche Kunden in Bottrop“

Die Gladbeckerin wusste nach dem Fachabitur „nicht so genau, wohin die Reise geht“. Da sie schon vorher bei ihrem Vater, der auch Bezirksschornsteinfeger ist, ausgeholfen hatte und die Erfordernisse kannte, lag die Ausbildung dann nahe. Nach dem Abschluss fand sie die Anstellung bei Bezirksschornsteinfeger Christian Kempkes, der neben der Fachkompetenz die Beliebtheit in der Kundschaft hervorhebt: „Das ist wichtig, ein gutes Verhältnis zu den Kunden gehört unbedingt dazu.“

Die Handwerkerin ist bei den Kunden in ihren Kehrbezirken in der Boy und auf dem Eigen gut angesehen. „Frauen können diese Arbeit genauso gut“, meint Walburga Ölschlegel aus der Rheinbaben-Siedlung, dort hat Jennifer vor der Umstellung auf Gasheizung mehrmals jährlich den Kamin gekehrt, die Messabstände sind jetzt größer. Umgekehrt mag auch Jennifer ihre Kunden, die meist sehr entspannt und hilfsbereit seien: „Es gibt herrliche Kunden in Bottrop.“

Frühstück über den Dächern von Bottrop

Es müsse auch mal Zeit für eine Tasse Kaffee und Gespräche sein: „Man kommt in viele Haushalte, hört viele Geschichten und sieht manchmal merkwürdige Dinge.“ Toilettenbesuche seien für sie meist unproblematisch, in einer Tennisanlage kann sich Jennifer Kuznik duschen und umziehen.

Weil der Chef aus Rosendahl bei Coesfeld kommt, trifft man sich häufig zur „Dienstbesprechung“ in einer Bottroper Bäckerei, aber bei schönem Wetter frühstückt Jennifer Kuznik auch schon mal über den Dächern, packt Stulle und Kaffee aus und genießt den Blick über die Stadt. Solche Erlebnisse beweisen ihr immer wieder, dass sie „ihren“ Beruf gefunden hat. Es sei herrlich, draußen zu arbeiten, aber man müsse oft auch bei Regen oder Kälte raus: „Die Arbeit muss schließlich gemacht werden.“

Jennifer Kuznik: „Man sieht manchmal merkwürdige Dinge.“
Jennifer Kuznik: „Man sieht manchmal merkwürdige Dinge.“ © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Beruf des Schornsteinfegers wandelt sich

Durch den technischen Fortschritt entstehen auch neue Anforderungen im Beruf. Neben den „klassischen“ Tätigkeiten wie Kamine kehren, kommen immer mehr Aufgaben in den Bereichen Messen, Prüfen und Beraten dazu. Digitalisierung, Umweltschutz und Energieberatung werden in Zukunft noch größeren Raum einnehmen, deshalb müssen sich Schornsteinfegerinnen und Schornsteinfeger beständig fortbilden.

Der Schornsteinfeger gilt traditionell als Glücksbringer, jeder kennt die kleinen Figuren im Sylvester-Glücksklee. Der Ursprung liegt im Mittelalter, bei der damaligen Brandgefahr brachte der Schornsteinfeger Sicherheit und damit Glück. Aber auch heute macht Jennifer Kuznik noch oft Erfahrungen mit Menschen, die „nur mal kurz anfassen wollen“ oder sagen: „Schau mal, ein Schornsteinfeger, der bringt Glück, wir sollten Lotto spielen.“ Und in voller Montur – Koller (Jacke) mit Goldknöpfen, Zylinder und Mundtuch – steht man gelegentlich auch Spalier bei Hochzeiten der Kollegen.

Nachwuchs gesucht

Jennifer Kuznik wirbt für ihr Handwerk, das Nachwuchssorgen hat. Leider würden viele Schulabgänger das Berufsbild und die Aufstiegsmöglichkeiten nicht kennen. Die Ausbildung dauert drei Jahre.

Alle Schulabschlüsse seien möglich, man müsse nur einen Einstellungstest absolvieren und schwindelfrei sein. Technische Begeisterung und Kontaktfreudigkeit sollten dazu kommen.

Wer Interesse an einem Schnuppertag oder einem Praktikum bei einem Schornsteinfeger hat, solle sich bei der Innung in Münster melden (02594 5061) oder direkt bei einem Schornsteinfeger vor Ort nachfragen.