Bottrop. Siebeck, Beckhoff, Mennekes, Jackelen, Spengler, Bergendahl: Von den vielen Cafés in Bottrop ist keines mehr übrig. Vermisst werden sie dennoch.

Die guten altmodischen Tortencafés haben es in fast allen Ruhrgebietsstädten schwer. In Bottrop scheint die Tortenschlacht längst verloren. Zumindest die, die sich im alten Plüschambiente zwischen prall gefüllter Kuchentheke, Sesselchen, dicken Teppichen und unter Kronleuchtern abspielt. Bottroperinnen und Bottroper vermissen diese Orte auch heute, gewissermaßen als ruhig-gemütliches Gegenstück zu Kneipen, Bars und Bistros, die nach wie vor die Stadt beleben.

Das alte Café Central beim Altmarkt war lange noch Treffpunkt in der Bottroper Innenstadt.
Das alte Café Central beim Altmarkt war lange noch Treffpunkt in der Bottroper Innenstadt. © Sammlung Antje Herbst

Viele Konditoreien wie Mennekes am Altmarkt, Spengler auf der Gladbecker, das einst beliebte Café auf der Hansastraße im ersten Stock vom Kaufhaus Rickert, das „Central“ am Altmarkt stehen für die Café-Tradition. Konditor Rolf Wiethege von der Kirchhellener Straße liefert 1994 noch die Torte zum 75-jährigen Stadtjubiläum. Kollege Jackelen produziert 25 Jahre zuvor bereits Jubiläumstorten mit Bottrop-Motiv.

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Zum 100-Jährigen vor drei Jahren greift Rino Macchione vom Eis-Café „Da Rino“ die Jubiläumstorten-Tradition auf. Er ist derzeit wohl der Einzige, der in unmittelbarer Citylage Kuchen und Torten täglich in größerer Auswahl anbietet.

Außenansicht von Café Siebeck an der Essener Straße 1954. Damals wurde offensichtlich renoviert. Das Haus zählte auch dank seiner guten Qualität bis zuletzt zu den beliebten Cafés in der Innenstadt.
Außenansicht von Café Siebeck an der Essener Straße 1954. Damals wurde offensichtlich renoviert. Das Haus zählte auch dank seiner guten Qualität bis zuletzt zu den beliebten Cafés in der Innenstadt. © WAZ

Sicher, die Zeiten, als modisch behütete Damen sich zum Kaffeekränzchen treffen, Herren mit Zigarre Mokka plus Cognac zu sich nehmen, sind wohl passé. „Aber es ging ja auch um Gemütlichkeit, einen Treffpunkt, der auch mal das Wohnzimmer ersetzen konnte und wo man sich in Sessel fallen ließ: All das können Bänke oder Bistrohocker von heute nicht ersetzen“, findet Antje Herbst. Die Bottroper Hobbyhistorikerin und Stadtführerin kennt viele dieser alten Orte noch wie aus dem Effeff - und auch viele Menschen, die so etwas in „ihrem Bottrop“ vermissen.

So kannten noch viele Schülergenerationen und Fans der hauseigenen Grillage-Torte das Café Beckhoff an der Osterfelder Straße. Das Buntglasfenster im Hintergrund ist noch erhalten.
So kannten noch viele Schülergenerationen und Fans der hauseigenen Grillage-Torte das Café Beckhoff an der Osterfelder Straße. Das Buntglasfenster im Hintergrund ist noch erhalten. © WAZ | Sammlung Antje Herbst

Legendär war auch die Grillage-Torte von Beckhoff an der Osterfelder Straße. „Meine Tante aus Essen-Borbeck kam jede zweite Woche zu uns nach Bottrop und kündigte sich vorher so an: ,Ich komm’ nachher, mit Grillage von Beckhoff’. Und dann stand sie da und wir stürzten uns auf die Torte“ erinnert sich Elsbeth Müller, Geschäftsführerin der Historischen Gesellschaft und Ur-Bottroperin.

Grillage-Torte von Beckhoff war legendär

Auch Heike Biskup erinnert sich an Beckhoffs kulinarische Legende aus Halbgefrorenem. Noch lebendiger allerdings an die Tradition als „Blau-mach-Café“ vieler Schülerinnen und Schüler vor allem vom JAG. „Blaumachen, naja, ich würde eher sagen, wir haben dort unzählige unserer Freistunden verbracht“, schmunzelt die heutige Stadtarchivarin. Geblieben von der alten Einrichtung ist noch das Buntglasfenster im hinteren Bereich des früheren Cafés.

Die Hansastraße 1953: Links zu erkennen ist das alte Kaufhaus Rickert. In der ersten Etage gab es ein bei Bottroperinnen und Bottropern beliebtes Café. Am Ende der Straße ist das aufgebaute Karstadthaus zu sehen.
Die Hansastraße 1953: Links zu erkennen ist das alte Kaufhaus Rickert. In der ersten Etage gab es ein bei Bottroperinnen und Bottropern beliebtes Café. Am Ende der Straße ist das aufgebaute Karstadthaus zu sehen. © Stadtarchiv

Alle drei Damen kennen auch noch das einmal beliebte Café über „Rickert“ an der Hansastraße oder das alte „Central“ in Richtung Altmarkt. Auch Wiethege an der Kirchhellener, wo heute das „Schoko-Lädchen“ ist und Jochen Klee bis vor kurzen Blumen verkaufte, ist vielen Bürgerinnen und Bürgern noch ein Begriff. Mennekes am Altmarkt kennen nur noch die wirklich Älteren als Treffpunkt. Aber Café Siebeck an der Essener Straße war noch lange nach der Jahrtausendwende ein Anlaufpunkt für Mandelhörnchen, Törtchen und Torten.

Als vorläufig letztes Traditionshaus seiner Art schloss das „Dom-Café“ gegenüber der Cyriakus-Kirche. Zwar gibt es noch Tische im Erdgeschoss oder im Sommer auf der Hochstraße. Aber die frühere große „Bel Etage“ mit Pflanzen, Sitzecken und Orientteppichen ist verschwunden - zugunsten von Büros. Ist die Zeit wirklich über die Kaffeehaustradition hinweggegangen? Für Petits Fours, Baumkuchen, Frankfurter Kranz, Zuger Kirsch-, Prinzregenten- oder Sachertorte und handgemachte Trüffel muss man nach Oberhausen oder Duisburg fahren. Selbst Essen hat kein Plüschcafé mit kalorienreichem Luxus mehr in der City.