Oberhausen. Die Zahl der Konditoreien nimmt bundesweit zu. Sie trotzen dem Druck im Lebensmittelhandwerk. Auch Oberhausens Traditionscafés können mithalten.

Wie kaum ein anderer Handwerksbetrieb trotzen Konditoreien dem hohen Druck im Lebensmittelhandwerk, das sich der Konkurrenz von Großbetrieben und Discountern ausgesetzt sieht. Nach Angaben des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) steigt seit Jahren die Zahl der Konditoreien, während Bäckereien und Fleischerbetriebe nach und nach schließen. 3184 Konditoreien zählte der ZDH im Jahr 2018 in Deutschland mit mehr als 70.000 Beschäftigten und steigenden Umsätzen.

Doch in Oberhausen zeigt sich ein etwas anderes Bild. Neugründungen sucht man hier vergebens, dagegen behaupten sich die beiden verbliebenen Traditionskonditoreien an ihren Standorten: das Café Bauer in der Innenstadt und das Café Cordes mit seinen zwei Geschäften in Sterkrade. Sorgen machen sich die Familienbetriebe vor allem um qualifizierten Nachwuchs.

Nur noch zwei Konditoreien in Oberhausen

„Im Ruhrgebiet erleben wir gerade eher einen Abwärtstrend“, hält Konditor Hubert Cordes, der zugleich Innungsmeister des Landesinnungsverbandes des Konditorenhandwerks NRW ist, den Zahlen des ZDH entgegen. „Vor 30 Jahren waren noch etwa 17 Betriebe in ganz Oberhausen zu finden“, erinnert sich der Konditormeister. „Doch die sind nach und nach, nahezu unmerklich verschwunden.“

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Das Geschäft mit Pralinen, Torten und edlem Gebäck sei in Oberhausen derzeit allerdings stabil, sagt Cordes, der vor fünf Jahren den Betrieb in die Hände seiner Tochter übergeben hat, selbst aber noch fleißig mithilft. Der Verdrängungswettbewerb durch große Ketten und Erzeugnisse aus der Industrie treffe die verbliebenen beiden Betriebe weniger hart. „Wir müssen uns aber schon Marktlücken suchen. Eingefrorene Konditoreiwaren, wie man sie im Supermarkt kaufen kann, stellen eine gewisse Konkurrenz dar.“

“Es gibt eigentlich kaum noch Laufkundschaft“

Zudem seien die „Kaffeekränzchen“ von einst weggefallen, welche für regelmäßig zahlreiche Kundschaft in den Cafés sorgten. „Auch das Frühstück übernehmen längst die Bäckereien“, sagt Cordes mit Blick auf die Backstuben der Filialisten. Deshalb setzen die Konditoreien schon seit Jahren auf Einnahmequellen wie den Mittagstisch mit wechselnden warmen Gerichten, um Menschen in ihre Cafés zu locken.

„Es gibt heute eigentlich kaum noch Laufkundschaft, die meisten Kunden kommen gezielt zu uns“, sagt Jochem Bauer, der zusammen mit seiner Frau Anita das an der Markstraße prominent gelegene Café Bauer betreibt. Das seien vorrangig ältere Menschen quer durch alle Kulturkreise.

Konditormeister Jochem Bauer beim Anfertigen von „roter Schokolade“. Derartige Spezialitäten gibt es im Café Bauer an der Marktstraße.
Konditormeister Jochem Bauer beim Anfertigen von „roter Schokolade“. Derartige Spezialitäten gibt es im Café Bauer an der Marktstraße. © FUNKE Foto Services | Herbert Höltgen

Trotz Schnitzel, Bratkartoffeln und Rührei bleibt das Kerngeschäft der Konditoreien die Herstellung von edlen Konditorwaren. Im Café Bauer ist die Nachfrage im Außer-Haus-Verkauf groß. Torten mit Dekor für die ausgefallensten Anlässe werden dort bestellt. „Wir hatten schon eher untypische Anfragen beispielsweise für Junggesellenabschiede, eine Torte für ein Beschneidungsfest und sogar eine Scheidungstorte haben wir schon angefertigt“, erzählt Jochem Bauer.

Kunden schätzen hohe Qualität von Konditorwaren

Dabei schätzen die Kunden die hohe Qualität der Konditorwaren. „Die Leute sind bereit, in unsere Waren zu investieren“, meint Landesinnungsmeister Hubert Cordes. Ihm zufolge habe sich die Kaufkraft in Sterkrade in den letzten Jahren merklich verbessert. Kunden seien bereit, für Torten nach Wunsch 30 bis 300 Euro zu zahlen.

Jochem Bauer kann das für seinen Laden an der Markstraße hingegen nicht bestätigen: „In Oberhausen gibt es ein großes Gefälle bei der Kaufkraft. Im Bereich der Innenstadt ist die Zahlungsbereitschaft in Sachen Konditorwaren eher geringer.“

Zur Situation im Lebensmittelhandwerk

Zum Lebensmittelhandwerk werden Bäcker, Brauer, Mälzer, Fleischer, Konditoren, Müller und Weinküfer gezählt. Vor allem die Zahl der Bäckereien und Fleischereien ist seit 2008 deutlich gesunken. Rund 15.337 Bäckereien waren 2008 in der Handwerksrolle eingetragen, Ende 2018 waren es laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) noch 10.926. Die Zahl der Fleischereibetriebe ging im selben Zeitraum von 18.320 auf 12.897 zurück.

Um selbstständig das Konditorenhandwerk mit einer Konditorei oder einem Konditorei-Café auszuüben, wird eine bestandene Meisterprüfung vorausgesetzt. Bei den Konditoreien ist die Zahl der Betriebe von bundesweit 3051 im Jahr 2014 auf 3184 im Jahr 2018 gestiegen.

Unterm Strich laufen die Geschäfte im Hause Bauer und Cordes zwar gut, doch langfristig sorgt man sich um den Nachwuchs. Der Fachkräftemangel führt dazu, dass in den Betrieben Auszubildende für das Konditorenhandwerk und den Verkauf ausbleiben. „Unsere letzten Azubis hatten alle Abitur. Nach der Ausbildung haben sie dann oft noch ein Studium im Bereich Ökotrophologie oder Lebensmitteltechnologie angeschlossen“, schildert Hubert Cordes seine Erfahrungen.

Derzeit vollziehe sich ein Wandel im Konditorenberuf hin vom körperlichen zum filigranen Arbeiten. „Die Arbeit ist dabei deutlich weiblicher geworden“, sagt Hubert Cordes. „Ich bin der einzige Mann bei uns im Betrieb.“ Das ist keine Kritik, wie Jochem Bauer unterstreicht: „Ohne meine Frau würde der Laden nicht laufen.“