Bottrop. Toxische Beziehungen quälen Betroffene, lassen sie nicht schlafen, vergiften ihr Leben. In Bottrop helfen sich Frauen gegenseitig.

„Ich kann das als Sucht beschreiben“, sagt Anna*. „Ich habe krampfhaft an der Beziehung festgehalten.“ An einer Beziehung, die sie quält, nachts nicht schlafen lässt, weil sie seine Nachrichten erwartet. Lange hofft sie, dass alles wieder so traumhaft und rosarot würde wie am Anfang. „Er sagte, er ändert sich. Das ging dann eine Woche gut.“ Was tut Anna nicht alles, um von ihm geliebt und anerkannt zu werden. Isoliert sich gar von Familie und Freunden, die sie nicht verstehen. Er dreht sich weiter um sich selbst, belügt sie. Bestimmt ihr Leben. Erst nach Jahren wird Anna klar: Sie lebt in einer toxischen, einer vergifteten Beziehung.

Bottroper Selbsthilfegruppe: Frauen, die aus toxischen Beziehungen kommen

In Bottrop treffen sich regelmäßig sechs bis acht Frauen, die aus solchen toxischen Beziehungen kommen und sich in ihrer neuen Lebensphase, die sich ungewohnt und ganz und gar nicht immer gut anfühlt, gegenseitig unterstützen.

Vor mehreren Monaten schon zum Beispiel hat Anna sich „mit einem Knall“ von ihrem untreuen Partner getrennt. „Aber ich stecke immer noch mitten drin“, beschreibt sie ihre tiefe emotionale Verstrickung, die alle rationalen Überlegungen oft abzuwürgen droht. Was der Kopf weiß, hat das Herz noch lange nicht begriffen. Die anderen Frauen in der Selbsthilfegruppe (SHG) haben derart ähnliche Erfahrungen gemacht, dass Initiatorin Sandra* sagt: „Anfangs dachte ich fast, wir waren alle mit demselben Mann zusammen.“

Bottroper Betroffene: „Ich habe mich in meiner Haut nicht mehr wohl gefühlt“

Denn häufig, haben die Frauen in der SHG festgestellt, ist ein narzisstischer Mensch das Gegenüber in einer toxischen Beziehung. Einer, der die Partnerin zunächst quasi in den Himmel hebt – und dann alles einst Positive ins Negative verkehrt, sie demütigt, manipuliert, seine Ansprüche über alles stellt. Zwischendurch der Partnerin vielleicht mal ein Zückerchen gibt, wie Sandra es nennt. Was sie wieder hoffen lässt. Doch „Demütigungen unter der untersten Gürtellinie“ folgten oftmals auf dem Fuße, berichtet Grit* von ihren Erfahrungen. Ihr Partner, selbst für alles nach Bestätigung heischend, habe ihr Äußeres erniedrigt, ihr Wesen. „Ich habe mich in meiner Haut überhaupt nicht mehr wohl gefühlt.“

Jennifer* wiederum erzählt: „Mein Partner hat mich so hoch auf ein Podest gestellt, ich konnte die Ansprüche nicht mehr ausfüllen. Das hätte für drei Frauen gereicht.“ Er sei immer für sie da gewesen, aber seine Erwartungshaltung habe sie ausgehöhlt. Sandra ergänzt: „Auch durch Sucht oder Krankheiten körperlicher wie psychischer Art können sich ungesunde Abhängigkeiten bilden. Unser Problem ist, dass wir ein Helfersyndrom haben.“ Narzisst trifft auf Helfersyndrom – eine toxische Mischung. Und ist der Gegenpart weg, „dann fragte ich mich: Wem helfe ich jetzt?“

Dass sie selbst ihren Teil zu den vergifteten Beziehungen beigetragen haben, ist den Frauen durchweg bewusst. „Zu 30 bis 50 Prozent sind wir Teilnehmende“, glaubt Jennifer. „Wir haben es häufig zugelassen, aufgrund frühkindlicher Konstellationen im Elternhaus, frühkindlicher Beziehungen – oder weil wir es nicht besser wussten. Wir konnten oder wollten die Signale nicht wahrnehmen.“

Das verloren gegangene Selbstwertgefühl zurückerobern

Hatten sie Angst vor dem Alleinsein? Ja, bestätigt Grit. „Obwohl man in so einer Beziehung ja eigentlich schon alleine ist“, ergänzt Mika*. Dass man dennoch darin gefangen bleibt, erklärt sie sich so: „Viele von uns haben in der Kindheit bestimmte Erfahrungen gemacht, die in uns verwurzelt sind. Dadurch suchen wir uns unbewusst den Menschen, der uns vertraut vorkommt.“ Auch wenn das Vertraute vielleicht nicht gut tut.

Auch wenn die Trennung geschafft ist, teils nach abgebrochenen Paartherapien, ist der Weg noch schwer. „Jeder Schritt tut weh“, sagt Anna. Aber zumindest gehen die Frauen hier ihre Schritte gemeinsam. Und erobern sich dabei ihr verloren gegangenes Selbstwertgefühl zurück.

Treffen alle 14 Tage in Bottrop

Weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind in der Selbsthilfegruppe „Toxische Beziehung – und was kommt danach?“ willkommen. Mitmachen können ausschließlich Menschen, die selbst aus vergifteten Beziehungen kommen; keine Angehörigen oder Freunde. Kontakt:

Wobei toxische Beziehungen nicht auf Ehen bzw. Partnerschaften beschränkt sind. Sie können auch innerhalb der Familie, unter Freunden oder im Beruf eine Rolle spielen. „Überall da, wo es Abhängigkeiten gibt“, sagt die SHG-Gründerin.

Die Treffen finden alle 14 Tage donnerstags in Bottrop statt. Die SHG hat Gelder beantragt, um künftig auch Referenten zu Themen wie Selbstvertrauen, Mediation oder Entspannung zu den Gruppentreffen einladen zu können. Die Teilnehmerinnen planen zudem gemeinsame Unternehmungen.

*alle Namen von der Redaktion geändert