Bottrop. Öko-Aktivist Dirk Gratzel will die Mehrheit an Innovation City. Auch die Firma des Hertha BSC-Präsidenten steigt ein. Was Bottrop das kostet.

Die Keimzelle des Bottroper Innovation City-Klimaschutzmodellprojektes steht vor einem großen Umbau. Die Innovation City-Managementgesellschaft (ICM) bekommt neue Eigentümer. Der Initiativkreis Ruhr will sich als Innovation City-Erfinder nach dem offiziellen Ende des Bottroper Modellprojektes aus der ersten Reihe zurückziehen. Neues Schwergewicht wird dann die Greenzero-Beteiligungsgesellschaft des Umweltaktivisten und Unternehmers Dirk Gratzel aus Aachen. Die Stadt möchte ihre eigenen Anteile an der Innovation City-Gesellschaft behalten. Doch das wird sie dann mehr als 360.000 Euro kosten.

Die zweite neue Eigentümerin der Bottroper Managementgesellschaft, die ihr Personal um gut die Hälfte aufstocken und in das neue Bauknecht-Quartier um das frühere RAG-Gebäude am Gleiwitzer Platz umziehen wird, kommt aus der Bundeshauptstadt: Die Berliner Gegenbauer Holding wird nach den jetzigen Plänen künftig acht Prozent am ICM-Stammkapital halten. Gegenbauer verdient Geld mit der Betreuung und Verwaltung von Gebäuden. Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates ist Werner Gegenbauer, der Präsident des Fußballbundesligisten Hertha BSC.

Präsident von Hertha BSC als Ehrenvorsitzender

Denn längst ist die Bottroper Beratungsgesellschaft auch in Berlin tätig. Nach dem Vorbild des Zentrums für Information und Beratung im Südringcenter wird sie dort zusammen mit der Berliner Energieagentur und der Verbraucherzentrale ein Bauinformationszentrum betreiben, in dem sich private Hausbesitzer in Berlin Rat und Hilfe bei der energetischen Modernisierung ihrer Gebäude holen können. Seit gut drei Jahren berät außerdem eine Servicestelle der ICM ähnlich wie in Bottrop Firmen und Verwaltungen beim energetischen Umbau von Stadtvierteln.

Dirk Gratzel auf der Zechenbrache in Marl-Polsum: Der Unternehmer aus Aachen hat das Gelände von der RAG gekauft und will es zum Beispiel mit Streuobstwiesen und Feuchtbiotopen ökologisch aufwerten.
Dirk Gratzel auf der Zechenbrache in Marl-Polsum: Der Unternehmer aus Aachen hat das Gelände von der RAG gekauft und will es zum Beispiel mit Streuobstwiesen und Feuchtbiotopen ökologisch aufwerten. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Auch der künftige Mehrheitsgesellschafter der Innovation City-Managementgesellschaft pflegt enge Verbindungen in die Hauptstadt. Mit Wissenschaftlern der Universität Berlin gründete Dirk Gratzel mit greenzero.me ein Unternehmen zur Erfassung der Öko-Bilanzen von Menschen und Unternehmen, auf deren Basis die von ihnen verursachten Umweltbelastungen ausgeglichen werden sollen. Der gebürtige Essener, der früher auch als Pressesprecher und Justiziar bei der Daimler AG tätig war, arbeitet dabei etwa auch mit Fußballzweitligist FC Schalke 04 zusammen. Gratzel soll mit der von ihm gegründeten Greenzero-Beteiligungsgesellschaft 51 Prozent des ICM-Stammkapitals übernehmen.

Auch Haniel-Konzern macht bei Greenzero mit

In die Beteiligungsgesellschaft des Aachener Umweltunternehmers ist inzwischen auch der Haniel-Konzern eingestiegen. Auch bei Greenzero findet sich die Blaupause-Idee von Innovation City wieder. So haben Haniel und die Umweltfirma das Ziel, gemeinsam mit der Stadt Duisburg deren Hafen-Stadtteil Ruhrort bis Ende 2029 zum weltweit ersten umweltneutralen Stadtquartier und damit zu einer Blaupause, zu einem Vorbild, für andere zu machen.

Hertha-Präsident Werner Gegenbauer - hier mit Investor Lars Windhorst (rechts) - ist Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates der Gegenbauer Holding, die Anteile an der Bottroper Innovation City-Managementgesellschaft übernehmen will.
Hertha-Präsident Werner Gegenbauer - hier mit Investor Lars Windhorst (rechts) - ist Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates der Gegenbauer Holding, die Anteile an der Bottroper Innovation City-Managementgesellschaft übernehmen will. © City-Press via Getty Images | City-Press

Green Zero-Kopf Gratzel kaufte der RAG auch schon zwei Bergbaubrachen in Marl ab. Aus den zusammen elf Hektar großen Arealen der alten Zechen Polsum I und Polsum II will der Unternehmer ein hochwertiges Ökotop bilden. Drei weitere insgesamt mehr als 90 Hektar große Ex-Bergbauflächen kaufte der Aktivist als Geschäftsführer des ebenfalls von ihm gegründeten Umweltunternehmens Heimat-Erbe: das Zechenareal von Ewald 5 in Herten, das Gelände Kurl 3 in Lünen, und die Halde Westfalen in Ahlen.

Halde und Zechenbrachen sollen zu Ökozonen werden

Auch diese Zechenbrachen will das Unternehmen ökologisch aufwerten und sie anderen Firmen für den Ausgleich ihrer Öko-Kosten zum Kauf anbieten. In Marl entstand als erstes eine Streuobstwiese mit 60 Bäumen alter Sorten von Äpfeln, Birnen, Pflaumen, Quitten, und Mispeln. Eine alte Schmiede auf dem Ewald-Gelände in Herten wurde zum Artenschutz-Quartier für Singvögel, Seglervögel, Eulenvögel, Greifvögel sowie zum Unterschlupf für Fledermäuse, Amphibien, Reptilien, Insekten und Säugetiere.

Die Anteilseigner

Neue Gesellschafter der Innovation City-Management-Gesellschaft werden nach den jetzigen Plänen die greenzero Beteiligungsgesellschaft mbH mit 51 Prozent und die Gegenbauer Holding SE & Co. KG, Berlin mit acht Prozent der Anteile am Stammkapital.

Zu den weiteren Gesellschaftern gehören: der Initiativkreis Ruhr mit 16 Prozent, Betrem Emscherbrennstoffe GmbH mit 10 Prozent, Stadt Bottrop mit 10 Prozent, die RAG Montanimmobilien GmbH mit 2,60 Prozent und die Ragiplan GmbH mit 2,40 Prozent der Anteile.

Mit dem Green Zero-Einstieg in die Bottroper Innovation City-Managementgesellschaft ist aber auch eine Kapitalerhöhung verbunden. Dadurch soll sich die ICM weniger abhängig von Fördergeldern machen und auch ihr Wachstum beschleunigen, um bundesweit neue Tätigkeiten zu erschließen. So berichtete ICM-Geschäftsführer Burkard Drescher neulich aus Anlass des bevorstehenden Umzugs in den Bottroper Stadtkern, dass die Beratungsgesellschaft mittlerweile mehr als 30 Städte und Unternehmen bei der Energiewende von unten betreut.

OB Bernd Tischler vertritt Bottrop im Aufsichtsrat

Auch Oberbürgermeister Bernd Tischler ist bisher für die Stadt im ICM-Aufsichtsrat vertreten. Um Sitz und Stimme zu behalten, müsste die Stadt wegen der Neuordnung der Eigentümer für ihre bisher schon zehn Prozent der Anteile am Stammkapital der Managementgesellschaft etwas mehr als 7000 Euro nachzahlen. Verbunden damit ist aber auch die Zahlung eines Aufgeldes in Höhe von 361.623,20 Euro in die freie Kapitalrücklage des Unternehmens. Mit der fälligen Entscheidung tun sich Verwaltung und Ratsparteien offensichtlich nicht leicht. OB Bernd Tischler jedenfalls hat sie im Finanzausschuss und im Rat zuletzt wieder von der Tagesordnung genommen.