Bottrop. Reaktionen auf die neuen Schnelltests nach positiven Pooltests an Grundschulen: Eltern schimpfen, Bottroper Schulleiter fordert extra Personal.

Die neue Test-Strategie an den Grundschulen, über eine Schulmail am späten Dienstagabend erst vom Ministerium offiziell an die Schulen kommuniziert, sorgt in erster Linie für Ängste, Ärger und neue Belastungen bei Kindern, Eltern und Lehrkräften. Nachdem in der Omikron-Welle Labore am Dienstag eine Überlastung signalisiert hatten, werden nun bei einem positiven PCR-Pool-Test keine Einzeltests mehr im Labor ausgewertet. Vielmehr machen die Schülerinnen und Schüler in der Regel am nächsten Tag zu Unterrichtsbeginn in den Schulen einen Antigen-Schnelltest. „Die Durchseuchung der Kinder wird einfach so hingenommen“, ärgert sich eine WAZ-Leserin.

Bottroper Mutter zur neuen Teststrategie an Grundschulen: „Absoluter Bullshit!“

In ihrem Facebook-Kommentar kritisiert sie, dass man ja durch den PCR-Pooltest schon wisse, „dass ein oder mehrere Kinder infiziert sind, dennoch lässt man sie wieder in die Schule. Am besten noch mit dem Bus“. Deutliche Worte findet auch diese Mutter: „Absoluter Bullshit! Diese Tests waren bei meinem Sohn jedes Mal negativ, trotz positivem PCR-Test! Warum macht man dann den Pool-PCR-Test überhaupt noch? Kann man sich dann auch komplett sparen! Alles nur Augenwischerei!“

Christoph Mewes, Leiter der Droste-Hülshoff-Grundschule in Bottrop und Stadtverbandsvorsitzender vom VBE (Verband Bildung und Erziehung).
Christoph Mewes, Leiter der Droste-Hülshoff-Grundschule in Bottrop und Stadtverbandsvorsitzender vom VBE (Verband Bildung und Erziehung). © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

„Wir holen mit Wissen positiv getestete Schüler in die Schule“, sagt auch Christoph Mewes, Leiter der Droste-Hülshoff-Grundschule und Vorsitzender des Bottroper Verbands Bildung und Erziehung (VBE). „Wir testen sie - und 30 Minuten später werden sie von den Eltern abgeholt.“ Das sorgt für große Unsicherheit bei Eltern und Lehrkräften, hat auch er bereits erfahren. Immerhin: Die Ausstattung mit FFP2-Masken für die Lehrer u.ä. sei durch die Stadt sichergestellt, lobt Detlef Baier, Leiter der Schillerschule und Sprecher der Bottroper Grundschulen.

„Die Eltern sind eigentlich sprachlos“, fasst Baier die Reaktionen zusammen, die ihn erreicht haben. „Es entsteht der Eindruck, dass keiner mehr wirklich weiß, was zu tun und zu lassen ist.“

Positiver Effekt: Kein Unterrichtsausfall mehr, weil Laborergebnisse nicht ankommen

Einen positiven Effekt hat die neue Teststrategie für die Familien zwar durchaus. „Solange ein Kind negativ ist, kann es jeden Tag zur Schule“, sagt Christoph Mewes. Unterrichtsausfälle aufgrund von teils tagelangem Warten auf Laborergebnisse seien nun passé. Gleichzeitig aber besteht bei Familien Angst vor Ansteckung gerade während des Schnelltests, der täglich bis zum nächsten negativen Pooltest-Ergebnis wiederholt wird. Alternativ hätten sie die Möglichkeit, zu Unterrichtsbeginn einen negativen Bürgertest vorzulegen.

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Das Schulministerium schaffe mit der neuen Regelung „über Nacht 2500 neue Teststellen“, ärgert Mewes sich. Und das Testen wird zum echten Zeitfresser. Detlef Baier, Leiter der Schillerschule und Sprecher der Bottroper Grundschulen, schildert den ersten Morgen mit neuer Teststrategie in einer ersten Klasse: „Eine positive Poolgruppe kam zur Schule.“ Diese Schüler mussten dann zunächst einen Schnelltest machen. Der dann, so Baier, für alle Kinder negativ ausfiel – „aber einige Kinder waren auch nicht da“. Gehörte zu denen der identifizierte Positivfall? Sicher kann Baier das nicht sagen. Jedenfalls ging es nach dem Schnelltest munter mit dem regulär vorgesehenen PCR-Lolli-Test weiter. „Zumindest eine Stunde war damit gut weg“, sagt Baier.

Teilweise würden die Schulen auch Aufgaben des Gesundheitsamts mitübernehmen – etwa wenn Eltern dort oder auch beim Kinderarzt nicht durchkommen und dann in der Schule um Rat fragen. Kein Wunder, dass Kollege Christoph Mewes fordert: „Am Ende brauchen die Schulen Testpersonal.“ Damit die eigentlichen Aufgaben der Pädagogen, wie Bildung und Erziehung, nicht leiden. „Da fällt uns wieder der Lehrkräftemangel auf die Füße.“ An der Droste-Hülshoff-Schule seien alle Lehrkräfte und das gesamte pädagogische Personal – Stand Mittwoch – im Einsatz. Aber Mewes weiß auch von Schulen mit durchaus hohen Personalausfällen – sei es durch Krankheit, Quarantäne oder weil das eigene infizierte Kind betreut werden muss.

Bottroper Fachbereichsleiterin: Wie viel Zeit bleibt noch für die Bildung der Kinder?

Auch Nadine Granow-Keysers, zuständige Fachbereichsleiterin bei der Stadt, meint mit Blick auf die Testungen in der Schule: „Man fragt sich am Ende des Tages, wie viel Zeit noch in die Bildung der Kinder investiert wird.“ Immerhin, mit Antigenschnelltests seien die Schulen ihrer Kenntnis nach gut ausgestattet.

Und was könnte als nächstes dräuen? Christoph Mewes, der die unzureichende Kommunikation aus dem Schulministerium nach der überraschenden „Kündigung der Labore“ kritisiert, kann sich vorstellen, dass irgendwann ausschließlich zu Antigenschnelltests übergegangen wird. Dass genau diese bald knapp werden könnten, fürchtet Detlef Baier und rechnet vor: allein die Schillerschule müsse alles in allem rund 1200 Tests pro Woche vorhalten.

Hunderte Grundschüler in Isolation

Landesweit gibt es laut Schulministerium Positivraten bei den Lolli-PCR-Testungen von über 20 Prozent. Grundschulleiter und VBE-Vorsitzender Christoph Mewes hat sich bei seinen Kollegen in der Stadt nach den hiesigen Quoten umgehört. Ergebnis: „Es gibt Schulen, die hatten insgesamt drei positive Pools seit den Weihnachtsferien. Und es gibt welche, die hatten 20.“Gleichzeitig gebe es an den Schulen oft mehr infizierte Schüler als positive Pools, da einige Kinder bereits außerhalb der Schule auffallen und gar nicht mehr in den Unterricht kommen. Für die Droste-Hülshoff-Schule heißt das zum Beispiel: „Wir haben vier positive Pools, aber 20 infizierte Kinder.“Die Stadt kann aktuell nur ungefähre Zahlen melden, demnach aber befinden sich circa 406 positive Grundschüler und 18 positive Lehrkräfte in Isolation.