Bottrop-Kirchhellen. Auch ohne Bio-Siegel setzen die Ortsbauern auf nachhaltigen Anbau, artgerechte Haltung, kurze Wege. Johannes Miermann kennt die Produkt-Historie.
Was in Kirchhellens Hofläden über die Theken geht, hat mit anonymisierter Massenware nichts zu tun. Es gibt auch keine „Hausmarken“, hinter denen sich große Lebensmittelkonzerne verbergen. Und wenn es sich nicht gerade um sogenannte Südfrüchte handelt, stammt alles zumeist aus Westfalen, dem Rheinland, vielleicht noch aus dem Oldenburger Land. Einer der Hofladenbetreiber ist Johannes Miermann. Mit seinem Bruder Felix hat er im vergangnen Jahr den Hof von seinen Eltern übernommen - und mit der Landwirtschaft auch den recht breit aufgestellten Laden „Miermanns Scheune“, den seine Mutter 1995 im ehemaligen Kälber- und Pferdestall eingerichtet hat.
Dort ist er heute noch. Und Miermanns verkaufen nicht nur Obst, Gemüse, Fleisch oder die Eier von Hennen aus dem Hühnermobil. „Das hat vor sieben Jahren die Kunden so beeindruckt, dass wir die Direktvermarktung beibehalten haben, die wir damals eigentlich nur noch mit unserem Spargel betreiben wollten“, sagt Miermann. Um Hühner oder Eier soll es hier gar nicht gehen. Wer mit dem studierten Landwirt durch den Laden am Scheideweg geht, merkt schnell: Johannes Miermann könnte (fast) zu jedem Produkt eine Geschichte erzählen.
Vor allem natürlich über die Dinge, die zumeist nach altem Rezept auf dem Hof selbst produziert werden, wie Eintöpfe, Suppen, auf dem Hof gebackenes Brot, Kuchen, Marmeladen, eingelegte Rote Beete oder Gurken. „Das Rezept dazu, aber auch das für unser Schwarzbrot, stammt noch von unserer Ziehoma, wir haben das unverändert übernommen“, so Miermann, der sich vor Jahren bewusst dazu entschieden hat, Bauer und nicht Obstbauer zu werden. Schweine, Hühner, Kartoffeln, Zwiebeln, Spargel und auch etwas Damwild sind Schwerpunkte der Miermann’schen Landwirtschaft. Von den Schweinen ist nichts zu hören. Die sind an anderen Standorten. Miermanns bewirtschaften rund 200 Hektar, ein Großteil davon in Schermbeck auf einem hinzugepachteten Hof.
Nicht alles ist „made in Kirchhellen“. Aber alles scheint irgendwie verbunden. Die Wurst stellt ein Cousin der Mutter in Lüdinghausen her, Plätzchen stammen zum Teil aus der Herstellung von Mutters Schulfreundin. Und auch eine Frischmilchzapfstelle gibt es im Laden - die kommt von Milchbauer Matthias Schulte-Althoff aus Haltern, ist pasteurisiert aber nicht homogenisiert. „Dass sich auf Milch manchmal Rahm absetzt oder Flöckchen bilden, muss man heute vielen Leuten erstmal erklären.“ Der Bauer lacht. Wohlgemerkt: In Miermanns Hofladen sind wie auch in den anderen Kirchhellener Hofläden - bis auf den Rotthoffs Hof - keine Bio-Siegel zu finden. „Wir alle versuchen, nachhaltig zu bewirtschaften, engagieren uns hier im Ort seit über 30 Jahren für Gewässerschutz und nehmen das Tierwohl sehr ernst, kennen unsere Lieferanten, deren Tiere und landwirtschaftlichen Erzeugnisse“, sagt der Bauer.
In Sachen „bio“ ist Europa immer noch ein Flickenteppich
Er möchte konventionell und bio nicht gegeneinander ausspielen, bedauert aber doch den Flickenteppich der Bestimmungen in der EU. In Deutschland dürfe nur das Bio-Siegel tragen, was direkt aus der Erde kommt, in Holland darf auch auf Substrat angebaut werden, was viel größere Flächen ermögliche, um nur ein Beispiel zu nennen. Und hilft bio der Umwelt, wenn das Gemüse aus Südamerika oder Kapstadt eingeflogen wird?
Konkurrenz der Bauern und Hofläden im Dorf? Davon will Johannes Miermann nichts wissen. Jeder Hof hat seine Nischen und Schwerpunkte. Umberg und Schmücker zum Beispiel beim Obst, Burkhard Sagel mit seinem Erzeugernetzwerk, Stratmanns mit Gemüse während Kollege Overgünne auf Freilandeier, Geflügel oder Urgetreide setzt. „Wir setzen alle auf ehrliche Landwirtschaft, artgerechte Tierhaltung und kurze Wege bei unseren Produkten“, sagt Johannes Miermann. Während er den hausgemachten Eierlikör in der Hand hält, sieht man durchs Fenster die Hühner picken.