Bottrop. Am 9. Dezember 1921 wird Heinrich Klöpper geboren. Seine Heimatstadt hat der Bäckermeister nie verlassen. Die große Feier fällt wegen Corona aus.
Ein Jahrhundert in Bottrop – darauf kann Heinrich Klöpper nun zurückblicken. Als er am 9. Dezember 1921 auf dem Eigen geboren wird, hat Bottrop gerade einmal seit zwei Jahren die Stadtrechte und wie so viele andere in der jungen Stadt erholen sich auch seine Eltern gerade von den Folgen, die der Erste Weltkrieg, der nachfolgende Ruhrkampf, aber auch die Spanische Grippe bei so vielen Menschen hinterlassen hat.
„Eine Seuche haben wir heute ja wieder“, sagt Heinrich Klöpper, der sich noch gut an die Epidemien früherer Jahrzehnte erinnert. Grippe, Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung. Oder Scharlach, damit hat sein ältester Sohn als Kind wochenlang im Krankenhaus gelegen. Das mit dem Impfen sei erst später gekommen. Und da habe keiner quergedacht, geschweige denn an mögliche Folgen.
Aber die sozialen Folgen von Corona will er nicht kleinreden. Ein wenig leidet der immer noch rüstige, agile Jubilar ja selbst darunter. Seine große Feier im Overbecks Hof hat er deswegen abgesagt. „Jetzt gibt es nur ein Mittagessen im kleinen Kreis, das sind aber immer noch 25 Personen.“
Schreiner war gerade nicht frei – also wurde man Bäcker
Eine Tochter ist bereits aus Süddeutschland angereist. Und so duftet es zwei Tage vor dem Festtag bereits im Flur nach frisch gebackenem Kuchen, selbst hergestellte Plätzchen stehen auf dem Tisch. Kein Wunder: Das Backen liegt in der Familie des Mannes, der 25 Jahre als Meister in der ehemaligen Bäckerei Reers gearbeitet hat. „Eigentlich wollte ich Schreiner werden, das klappte nicht, so hat mein Vater eben eine Bäckerlehre organisiert, sowas war damals ganz normal.“
Und es hat Spaß gemacht. Bis weit über 90 backt er Stutenkerle für die Rentnergemeinschaft in St. Suitbert. Vonderort wird nach dem Krieg zur Wahlheimat. So freut es Heinrich Klöpper, dass er nun in den neuen, seniorengerechten Wohnungen neben der Kirche, die bis heute eine zentrale Rolle in seinem Leben spielt, ein neues Zuhause gefunden hat. „Und eine gute Hausgemeinschaft“, betont er. Mit seinen Nachbarn feiert er übrigens einen Tag später.
Bis heute drei Konstanten im Leben: Handwerk, Kirche und Musik
Handwerk, Kirche und Musik: Drei Konstanten, die sich bis heute durch Heinrich Klöppers Leben ziehen. Schon als Grundschüler singt er im Knabenchor der Liebfrauenkirche auf dem Eigen. Später tritt er in den Kirchenchor von St. Suitbert ein, der heute mit dem von Herz-Jesu eine Chorgemeinschaft bildet. Über 60 Jahre ist er dabei, bis vor Kurzem sogar noch aktiv. „Aber wenn das Gehör nachlässt, ist das mit dem Singen nicht mehr so gut.“
Bei Heinrich Klöpper klingt das fröhlich. „Ich bin Realist.“ So sieht er auch seinen Glauben, sogar wenn die irdische Kirche selbst den treuen Katholiken manchmal den Kopf schütteln lässt. „Die Missbrauchstäter hätte man schon früher der Justiz übergeben müssen, nicht erst die Hand drüber halten.“ Aber austreten? „Nein! Selbst unter den ersten zwölf Aposteln hat es einen Verräter gegeben, lesen Sie in der Bibel. Und: Keiner guckt in die Menschen rein.“
Als Teenager hat er die Willkür der Nazis gegen Kirche und Katholiken erlebt. Sein Schulrektor auf dem Eigen organisiert den Unterricht so, dass sich die Jungen der katholischen Verbände um die Appelle der Hitler-Jugend drücken konnten. „Der wurde prompt durch einen Nazi ersetzt.“ Als sie in voller Kluft der damals bereits verbotenen kirchlichen Jugendverbände an der Totenmesse eines Freundes teilnehmen, hieß es auf einmal: Alle raus, draußen warten die Braunen. „Die Gestapo hatte uns längst auf dem Schirm, wir wurden alle verhört“, erinnert sich Klöpper.
Im Zweiten Weltkrieg wird er eingezogen, zur Flak. Zwischendurch arbeitet er – inzwischen Geselle – in der Bäckerei, was als kriegswichtig gilt. Dann muss er wieder an die Flak, wird zusätzlich ausgebildet – und gerät 1945 in Österreich in amerikanische Gefangenschaft. „Als wir von unserer Entlassung hörten, sangen alle spontan ,Großer Gott, wir loben dich’ – ein Augenblick, den ich nie vergessen werde.“
Und dann geht es zurück nach Bottrop, zu seiner Frau, die er kurz vor Kriegsende heiratet. 1949 folgt die Meisterprüfung, er tritt aus Überzeugung in die neugegründete CDU ein. Mit der Familie – zwei Töchter und zwei Söhne – zieht er nach Vonderort, engagiert sich in der damals neuen Suitbert-Gemeinde – bis heute. Trotz mancher Wehwehchen lautet sein Motto immer noch: Jeder Tag ist eine Freude und ein Geschenk Gottes. So beginnt er seinen Geburtstag auch, mit dem Besuch der Messe. „Zum Glück hat man hier die Kirche noch nicht abgerissen!“