Bottrop. Bottroper Arzt stellt fest: An der Therapie müssen Diabetes-Patienten zum großen Teil selbst mitwirken. Wie, zeigt das Knappschaftskrankenhaus.

Früher, da war die „Zuckerkrankheit“ Diabetes garantiert tödlich. „Mit Krankheitsverläufen von der Diagnose bis zum Tod von teils nur drei, vier Monaten“, berichtet Dr. Reinhard Welp, Leitender Diabetologe am Knappschaftskrankenhaus (KKH) Bottrop. Bis es dem Mediziner Frederick Banting im Jahr 1921 gelang, Insulin aus der Bauchspeicheldrüse von Hunden zu isolieren. Endlich war ein Mittel im Kampf gegen Diabetes gewonnen.

Bottroper Diabeteszentrum-Team will Patienten sensibilisieren

Ein Kampf, bei dem die Mitwirkung der Patienten aber mindestens ebenso wichtig ist. Das ist gerade während der Corona-Pandemie nicht jedem gelungen, und deshalb möchte das Team vom Diabeteszentrum den Rückblick auf „100 Jahre Insulin“ zum Anlass nehmen, Patienten und Interessierte zu sensibilisieren.

Dr. Reinhard Welp, Leitender Diabetologe am Knappschaftskrankenhaus Bottrop, und Nicole Schumann, Leitende Diabetesberaterin, gehören zu den Referenten der Patientenveranstaltung „100 Jahre Insulin“.
Dr. Reinhard Welp, Leitender Diabetologe am Knappschaftskrankenhaus Bottrop, und Nicole Schumann, Leitende Diabetesberaterin, gehören zu den Referenten der Patientenveranstaltung „100 Jahre Insulin“. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Immerhin 1873 noch, nennt Welp ein Patientenbeispiel aus der Geschichte, sei bei einem 22-jährigen Fräulein im August Diabetes diagnostiziert und dann zur Therapie Opium verabreicht worden. Schon im Dezember wurde sie matter und starb, heißt es. Dank des Insulin-Entdeckers Banting dagegen lebte der erste Mensch, dem gereinigtes Insulin verabreicht wurde, noch 13 weitere Jahre.

Bottroper Diabetologe: Insulin funktioniert wie ein Schlüssel

Das Insulin als Hormon aus der Bauchspeicheldrüse funktioniert wie ein Schlüssel, erläutert Welp. „Die Zelle bekommt den Impuls: „Öffne dich und lasse Zucker rein. Sonst bleibt der Zucker im Blut und der Zuckerspiegel steigt.“ Was wiederum zu Spätschäden wie Nierenversagen, Sehstörungen, diabetischer Fuß samt verkürzter Lebenserwartung führt – und im Übrigen auch erhebliche volkswirtschaftliche Schäden verursache. Immerhin zähle man in Deutschland aktuell 340.000 Typ-I-Diabetiker (Körper produziert kaum oder kein Insulin) sowie acht Millionen Typ-II-Diabetiker (Insulinresistenz). Der Typ-II-Diabetes entwickelt sich oft erst in fortgeschrittenem Alter, als Risikofaktoren dafür gelten u.a. Übergewicht und Bewegungsmangel.

An der Therapie, betont die Leitende Diabetesberaterin am KKH, Nicole Schumann, sind die Patienten mindestens zur Hälfte mit beteiligt, über Ernährung, Bewegung, den richtigen Umgang mit der Insulin-Gabe. Umso dramatischer, dass die Experten seit Beginn der Corona-Pandemie einen Versorgungseinbruch beobachten: „Viel weniger Patienten suchen aus Angst vor einer Ansteckung mit Corona Krankenhäuser und Arztpraxen auf“, so Welp. „Das hat zu mehr Stoffwechselentgleisungen geführt.“ Bis hin zur Behandlung auf der Intensivstation. Dabei sei die Ansteckungsangst nie berechtigt gewesen, bei regelmäßigen Testungen von KKH-Personal und Patienten.

„Die Patienten, die wir jetzt sehen, haben an Gewicht zugenommen, sie waren schlechter eingestellt und damit einem noch höherem Risiko für einen schweren Corona-Verlauf ausgesetzt“, ergänzt Oberärztin Dr. Delia Vilvoi. Dabei hätten Diabetes-Patienten sowieso schon ein höheres Risiko schwer zu erkranken, sollten sich laut der Experten auch dringend impfen lassen.

Die 100-jährige Geschichte, die Gegenwart der individuellen Insulintherapie und die Zukunft samt Digitalisierung beleuchten im Detail Dr. Reinhard Welp, Nicole Schumann, Dr. Delia Vilvoi und Chefärztin Dr. Anke Mikalo zum Weltdiabetestag im KKH.

Patientenveranstaltung „Mit Insulin halt’ ich die Waage - 100 Jahre Insulin“, 15. November, 16 bis 18 Uhr, Park-Café im Gesundheitshaus am Knappschaftskrankenhaus, Osterfelder Straße 157. Eintritt frei. Teilnehmen dürfen nur Geimpfte oder Genesene mit Nachweis (2G-Regel).