Kirchhellen. Erster Wettbewerb nach der Corona-Zwangspause. Das Publikum als Jury kürt im Kulturzentrum Hof Jünger einen Überraschungssieger.

Wer bislang glaubte, Poetry Slam sei nur etwas für junge Menschen, wurde am Donnerstagabend eines Besseren belehrt. Beim SlamHellen, „dem höllisch guten Dichterwettstreit“ im gut gefüllten Kulturzentrum Hof Jünger, setzte sich der 63jährige Michael Schumacher gegen die weitaus jüngere Konkurrenz durch.

Nach dem Ausfall im letzten Jahr durften diesmal nur vier Wortkünstler teilnehmen, die dann allerdings jeweils zweimal auftraten. Wie gewohnt dabei war Veranstalter und Moderator Marco Jonas Jahn aus Mönchengladbach, der mehrfach mit spitzfindigen Bemerkungen auf den Sieg seiner Fohlenelf gegen Bayern München hinwies.

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Beim Poetry Slam gibt es nur drei Regeln

Der Poetry Slam ist ein moderner Dichterwettstreit, bei dem jeder teilnehmen kann, der sich an die drei Regeln hält: Der Text muss selbst geschrieben sein, der Vortrag erfolgt ohne Requisiten und das Zeitlimit von 6 Minuten muss eingehalten werden. Texte und Vortrag unterliegen keinen formalen Kriterien, es kann Lyrik oder Prosa sein, es darf gereimt oder gerappt werden, geflüstert, geschrien, gesungen, alle Varianten sind erlaubt. Besondere auffällige Kleidung sei nicht erlaubt, „es sei denn, man rennt immer so rum“, erläuterte Jahn.

Moderiert die Kirchhellener Poetry-Abende: Marco Jonas Jahn.
Moderiert die Kirchhellener Poetry-Abende: Marco Jonas Jahn. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Der Sieger des Abends wurde durch das Publikum gekürt, dazu wurden in der Vorrunde Bewertungstafeln an fünf Zuhörer verteilt, die dann nach den Vorträgen Noten von 1 bis 10 vergeben. Den Einwand eines Jurymitgliedes, es fehle die Zahl 6, konterte Jahn, man habe sparen müssen: „ Dreh einfach die 9 um.“ Im Finale zählte der Applaus des gesamten Publikums, das aber auch schon vorher durch durch sein Verhalten die Jury beeinflussen kann.

Es kommt nicht immer unbedingt die Qualität des Textes an, oft beeinflusst die Performance die Zuhörerschaft. Dichtung und Unterhaltung sind miteinander verknüpft, daher ist Slammen auch viel Selbstinszenierung der Bühnenpoeten und -poetinnen.

Der Sieger bekam einen Wichtel mit Leuchtnase

Als erstes stellte sich der spätere Sieger Michael Schumacher der Jury. Der Xantener ist selbst Slam-Veranstalter und dabei, „weil es einfach Spaß macht“ Seine intelligenten Texte über Marx und Engels, die die Gegenwart von „oben“ betrachten und vor allem über den Weihnachtsmann, der in Rente gehen wollte und vom „Alten“ im Himmel mit einer Dauerkarte von Schalke 04 bestochen wurde, brachten ihn ins Finale. Dort punktete er mit seinen positiven Erlebnissen mit Gastarbeitern „ich habe sie alle gemocht“ in seinem ersten Ferienjob. Schumacher beherrscht das Spiel mit Stimme, Mimik und Gestik. Als Sieger des Abends durfte er sich über einen Wichtel mit Leuchtnase freuen, natürlich in (Gladbach-) Grün.

Knapp das Finale verpasst

Der zweite Finalist, Max Raths aus Düsseldorf, überzeugte mit endlos langen Sätzen und Wortungetümen in irrsinnigen Tempo, er „verzweigt seine Sprache“. In seinem ersten Vortrag versuchen die Spitzenpolitiker in einer Pokerrunde in einer Kneipe den Kanzler zu ermitteln. Noch überzeugender waren seine Texte über „Privilegien“ und kleingeistige Querulanten und -denker und die vielfältigen Bedeutungen seiner „Stimme.“

Die weiteren Teilnehmerinnen verpassten das Finale nur knapp. Kim Catrin aus Essen, die sich als Berufsslammerin bezeichnete, gab in den Texten viel von sich selbst preis, über ihre Mutlosigkeit, Wut und ihren Körper. Studentin Alina Schmolke aus Düsseldorf beschrieb als „junge ,weiße Frau““ alltäglichen Sexismus und ihren Tagesstress: „ Ich bin so gut im Plan, dass ich vergesse, den Plan umzusetzen.“

Die nächsten Termine im Hof Jünger

Musiker Jan Thilo Henn füllte mit seiner rockigen Gitarre die Pausen und begleitete die Slammer vor den Auftritten.SlamHellen ist eine besondere Bezeichnung der Kirchhellener Events, die bei einer vorherigen Veranstaltung vom Publikum gewählt wurde.Die nächsten Termine im Hof Jünger: 5. November Liederabend mit Songpoet Woger; 14. November Weltklassik am Klavier mit Maya Ando; 21. November Hommage a Astor Piazolla mit Guy Bitan und Stefanie Schulte-Hoffmann; 23. und 24. November Kabarett im Hof mit Benjamin Eisenberg,Gernot Voltz und Frank Küster