Bottrop. Die Bottroper Selbsthilfegruppe für Angehörige von Demenzerkrankten hört auf. Für viele, die dort Trost suchten, war sie die letzte Rettung.

Die Selbsthilfegruppe für Angehörige Demenzerkrankter war für viele Betroffenen häufig die letzte Rettung, um mit der schrecklichen Diagnose bei geliebten Angehörigen leben zu können. Jetzt haben die Organisatorinnen entschieden, die Gruppe aus gesundheitlichen oder persönlichen Gründen nicht weiterzuführen.

Auch interessant

Heike Taut-Franci hat die Selbsthilfegruppe 2009 nach der Erkrankung ihres Mannes Paolo gegründet, um „dem Wahnsinn einen Sinn zu geben.“ Allmählich kamen weitere Mitstreiterinnen dazu und es entwickelte sich ein Netzwerk, das wichtig war für die Betroffenen, wenn zum Beispiel nach einem Krankenhausaufenthalt eine schnelle Betreuungsmöglichkeit gesucht werden musste.

„Es hat sich dann etwas getan in der Zusammenarbeit mit Bottroper Krankenhäusern, Pflegediensten, Hospiz, Wohlfahrtsverbänden, Heimen und Therapeuten, bei denen wir uns alle besonders bedanken wollen“, betonen Heike Taut-Franci und Gruppensprecherin Gabriele Bergmann.

Angehörige von Demenz-Kranken: Das Gefühl, versagt zu haben

Die Gruppe konnte Angehörigen zeigen, welche Information und Unterstützung in Bottrop angeboten wird. Die Gruppe war der Ort, an dem man offen über die Krankheit sprechen konnte und verstanden wurde.

Gabi Bergmann, Heike Taut-Franci, Brigitte Pickl und Inge Gierok waren Mitglieder der Bottroper Selbsthilfegruppe für Angehörige von Demenzerkrankten.
Gabi Bergmann, Heike Taut-Franci, Brigitte Pickl und Inge Gierok waren Mitglieder der Bottroper Selbsthilfegruppe für Angehörige von Demenzerkrankten. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Viele Angehörige wissen nicht mit der fortschreitenden Krankheit umzugehen, verzweifeln und haben manchmal das Gefühl, versagt zu haben. Man müsse lernen, mit sich umzugehen, oft könne man mit Humor und Erfindungsreichtum über Situationen kommen, raten die Expertinnen. Wichtig sei immer der Umgang mit der Krankheit, die nicht geheim gehalten werden sollte.

Demenz-Selbsthilfe in Bottrop: „Man muss damit offen umgehen“

Deshalb war auch der inzwischen verstorbene Ehemann Paolo Franci das freiwillige „Gesicht“ der ersten Demenzwoche „Gedanken wie Seifenblasen“ in Bottrop 2012. „Man muss damit offen umgehen, ich habe meinen Mann nicht versteckt, sondern seine Krankheit zum Thema gemacht“, sagt Heike Taut-Franci. „Wir waren nicht privat, sondern haben die Menschen an unserem Leben teilhaben lassen.“

Weil Demenzkranke oft ein für die Umgebung unverständliches Verhalten zeigen, präsentierte Gruppensprecherin Gabriele Bergmann als Begleiterin ihres erkrankten Mannes Visitenkarten mit der Aufschrift „Alzheimer-Demenz, etwas anderes Verhalten“ und stieß dann dabei auf viel mehr Verständnis.

Hoher Aufwand: 24-Stunden-Dienst mit Telefonbereitschaft

Der Aufwand war für die kleine Expertengruppe immens und stark belastend. Der 24-Stunden-Dienst mit Telefonbereitschaft führte oft dazu, dass „wir mitten in der Nacht losgefahren sind, um zu helfen“. Dabei kamen die Ehrenamtlichen nicht nur körperlich an ihre Grenzen, auch die seelische Belastung war groß.

Infos für Angehörige

Die Demenz kann verschiedene Ursachen haben, die häufigste Ursache ist die Alzheimer-Krankheit. Angehörige von Demenzerkrankten können sich an das Kontaktbüro Pflege Selbsthilfe (KoPS) wenden, um Informationen zu erhalten Tel: 02041/23019 pflegeselbsthilfe-bottrop@paritaet-nrw.org

Die Betreuung ging oft über den Tod der Erkrankten hinaus, die Angehörigen suchten Trost, Kontakt und Hilfe. „Das geht an die Seele“, wissen Heike Taut-Franci und Gabriele Bergmann. Jeder neue Kontakt mit betroffenen Angehörigen erweckte dabei eigene Erinnerungen und Belastungen. Dazu kamen die Coronazeit und Erkrankungen von Mitarbeitern, die zum Entschluss führten, die Gruppenarbeit einzustellen.

Selbsthilfegruppe für Demenz-Angehörige: Bekanntheit weit über Bottrop hinaus

Neben dem Dank an alle Netzwerksverbindungen gilt der besondere Dank der Sprecherinnen allen Angehörigen der Demenzerkrankten für das Vertrauen, dass ihnen geschenkt wurde. Auch die Stadt Bottrop habe unterstützt, der Oberbürgermeister habe sich mehrfach persönlich eingesetzt.

Durch die Berichterstattung über das Engagement erreichte die Gruppe eine Bekanntheit weit über Bottrop hinaus. Auch die Wissenschaft interessierte sich für das Thema. So schrieb eine junge Soziologin ihre Masterarbeit „Zum Alltag der Demenz“, nachdem sie in Bottrop hospitierte und auch von den Verbindungen profitierte.