Bottrop. Das Figurenspiel „Fifty Shades of Gretel“ bot rasante Unterhaltung. Gewitztes Kaspertheater „nur für Erwachsene“ im Bottroper Kammermusiksaal.

Achtung: Dieser Text kann die Gefühle von Freunden des traditionellen Kaspertheaters verletzten. Muss man klar so sagen, schließlich fand sich mit „Fifty Shades of Gretel“ ein „Figurenspiel nur für Erwachsene“ bei den 16. Bottroper Figurentheatertagen in der klassischen Guckkastenbühne für große Puppenspieler.

Das Krefelder Theater „Blaues Haus“ ließ die Puppen tanzen. Weil heutzutage niemand mehr die alten Geschichten von Oma ihr lecker Kuchen sehen will, will, Gretel das Repertoire des kurz vor dem Bankrott stehende Kasper-Ensembles modernisieren. Und schlägt dem Kasper den beliebten Sado-Maso-Schmachtfetzen „Fifty Shades …“ als neues Zugpferd vor. Was der Traditionsbewahrer eigener Gnaden ablehnt.

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Traum von der großen Bühne

Das Krokodil und der Räuber planen derweil den Aufstand im Ensemble, während Seppel von der großen Theaterbühne träumt. „An der Burg suchen sie noch einen stummen Diener und einen Barhocker“, ätzt der seit Monaten unbezahlte Räuber. Der dem Kasper gar fürchterlich droht, sollte nicht bald Geld eintrudeln.

Wunderbar gespielt und gesprochen von Stella Jabben und Volker Schrills, die sich hinter ihren rasant gewechselten Figuren nicht versteckten und so gelegentlich eine Meta-Ebene ins flotte Spielgeschehen einzogen. Samt witziger Einbindung einer Reporterin fürs schmierige Sensations-TV. Das allen Grund hat, sich auf das zerfallende Ensemble zu stürzen. Denn die Oma ist dement und fordert schwer rechtslastig die Rückkehr des deutschen Mutterkuchens. Weshalb sie Kasper von der Puppenbühne prügelt – ein gefundenen Fressen fürs Fernsehen.

Gretel geht zum Teufel

Stark gespielt, stark gesprochen, doppelbödig inszeniert: Stella Jabben und Volker Schrills Im Kammerkonzertsaal mit `Fifty Shades of Gretel`aufgeführt. Foto: Thomas Gödde / FUNKE Foto Services
Stark gespielt, stark gesprochen, doppelbödig inszeniert: Stella Jabben und Volker Schrills Im Kammerkonzertsaal mit `Fifty Shades of Gretel`aufgeführt. Foto: Thomas Gödde / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Das zum Glück nicht mitbekommt, dass Gretel sich inzwischen im Pritschenstudio des Teufels verdingt hat. Um Geld anzuschaffen, aber auch neue Erfahrungen zu machen. Die Erklärungen des Gehörnten nimmt sie noch hin („Hier für Öko-Masochisten die nachhaltige Reisigpritsche“), doch als es beim ersten Kunden ernst wird, streckt das brave Wesen rasch die Waffen

Eine starke Leistung

Im geschrumpften Ensemble – Oma aus dem Verkehr gezogen, Gretel zum Teufel gegangen – hat inzwischen Seppel die Rolle des ebenfalls abgängigen Räubers übernommen und geriert sich mit Federboa als erster schwuler Bösewicht des Kaspertheaters. Das Krokodil lacht nur, der Herr des Hauses ist verzweifelt, begreift aber langsam, dass „Porno auf der Puppenbühne“ (sein Intermezzo mit der Sexpuppe Cleopatra erweist sich als, nun ja, unbefriedigend) wohl nicht die Lösung aller Probleme ist, aber Neuerungen doch vonnöten.

Verraten wir an dieser Stelle nicht, wie’s weiterging mit „Fifty Shades of Gretel“, das zur Begeisterung des Bottroper Publikums gegen Ende dieses amüsanten „Figurenspiels nur für Erwachsene“ (die Jugend dürfte Härteres gewöhnt sein) mit einem – man darf es so sagen – ziemlich genialen Twist aufwartet. Eine starke Leistung vom Theater Blaues Haus – ab FSK 16 sehr zu empfehlen.