Bottrop. Ein arabischer Prinz liebte sie. Gerhard Richter malte sie. Der Mord an der Edelhure Karin aus Bottrop war Stoff für Film, Presse und Romane.
Es war ein brutaler Mord. Mehrmals stach der Täter Karin mit dem Messer in den Hals, berichteten Reporter. Die Klinge drang ihr von vorn in die Kehle ein und von hinten in den obersten Halswirbel. Nachbarn hatten die schöne Frau aus Bottrop tot in ihrem Appartement in Frankfurt aufgefunden. Darin empfing die Edelprostituierte ihre Freier. Sie lag tot neben ihrem blutverschmierten Himmelbett. Die Tatwaffe fanden die Kriminalbeamten nie. Den Mord konnten sie nicht aufklären. Doch der Fall ist auch mehr als fünf Jahrzehnte nach ihrem Tod ein spektakuläres Thema in Medien.
Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt konnte den Aufsehen erregenden Mordfall in ihrem Register nicht mehr finden. Nicht nur für Boulevardmedien war der grausame Tod der Bottroperin jedoch ein bis heute immer wieder kehrendes Motiv für teils schillernde Berichte. Reporter der Illustrierten „Quick“ etwa ernannten sie zur ungekrönten Königin der Frankfurter Nächte. Karin war nur das Pseudonym, unter dem die Prostituierte für bis zu 300 Mark die Stunde ihren Körper an Männer verkauft haben soll. Ihr wirklicher Name war Helga Matura. Sie wurde nicht ganz 33 Jahre alt.
Die Bottroper Edel-Prostituierte Karin: „Klassisch schön, ja faszinierend“
Die junge Frau muss eine Schönheit gewesen sein. Den damaligen Zeit-Autor Kai Hermann erinnerte sie an die ägyptische Nofretete. „Sie war klassisch schön, ja, faszinierend“, schrieb der Reporter in einem Nachwort zum Mord an der Bottroperin. Der Hamburger landete gut einhalb Jahrzehnte später mit seinem Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, das er auf der Basis von Interview-Protokollen mit der Prostituierten Christiane F. schrieb, seinen später auch noch verfilmten Bestseller. Auch für die Hamburger Zeitschrift „Stern“ war der „Tod der schönen Sünderin“ aus Bottrop selbstverständlich ein Thema.
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Schließlich machte den Mordfall der Vergleich mit der berühmteren Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt um so spektakulärer, war doch auch sie Jahre vorher ermordet worden. „Sie ist die zweite Nitribitt“, schrieb prompt auch die Quick nach dem Mord an der Matura. Nur: „Sie ist noch schöner. Noch begehrenswerter. Und noch lasterhafter“, befeuerte die Illustrierte die Fantasie ihrer Leser, und fast alle Reporter auch anderer Blätter sparten dabei nicht mit Fundstücken aus dem luxuriösen Leben der Halbwelt-Dame.
50 Paar Schuhe und ein Himmelbett für 7000 Mark
In einer einzigen Nacht soll sie mehr Geld verdient haben als ein Bergmann in ihrer Heimatstadt in einem ganzen Monat, berichteten die Reporter. Sie trug sehr teure Pelzmäntel und Nerzstolen und besaß 50 paar Schuhe. Allein ihr Himmelbett soll schon damals 7000 Mark gekostet haben. Helga Matura fuhr mit einem weißen Mercedes-Cabriolet 220 SE mit Weißwandreifen durch die Main-Metropole. Die Brillantringe waren damals 15.000 Mark wert und nach ihrem Tod lag rund eine halbe Million auf ihrem Bankkonto.
Gemessen daran sind die anderen historischen Fakten geradezu dürr: Helga Matura ist am 19. August 1933 in Bottrop geboren worden und aufgewachsen. Ihr Vater arbeitete zunächst als Kellner und führte dann einen Tabakladen. Ihre Mutter war Hausfrau. Mit 19 Jahren heiratete die gelernte Hutmacherin 1952 den Düsseldorfer Kaufmann Horst Wanders. Die Bottroperin arbeitete als Mannequin und nahm in Düsseldorf im Café Melodie auch an einer Misswahl teil. Doch sie wurde nur zweite.
Prostituierte Karin alias Helga Matura: Liaison mit arabischem Prinzen
Ihre Ehe mit Wanders hielt nicht lange. Am 27. Januar 1955 wurde das Paar geschieden. Helga Matura wanderte 1957 aus und begann in Luxemburg ihr neues spektakuläreres Leben. Sie arbeitete dort als Tänzerin und Bardame. Ende der fünfziger Jahre lebte die Bottroperin wegen einer Liaison mit einem arabischen Prinzen auch eine Zeit lang in Beirut. Die Affäre hinterließ auch deshalb Spuren, berichteten die bunten Blätter, weil die Matura sich in die „wunderbare braune Haut ihres rechten Oberschenkels die Initialen ihres adeligen arabischen Verehrers hatte einbrennen lassen“.
Erst ein paar Jahre später war sie nach Frankfurt in ihre elegant ausgestattete Vier-Zimmer-Wohnung an der Gutleutstraße gezogen. Dort fand die Kriminalpolizei am 27. Januar 1966 auch die Leiche der in der Frankfurter Halbwelt gut bekannten Lebedame. Entdeckt wurde die Tote, nachdem die Tür zu der Wohnung einen Tag lang offengestanden hatte.
Im Mordzimmer fand die Polizei durchwühlte Schränke und Blutspuren auf Fußboden und an Tapeten. Die Kriminalbeamten schlossen daraus, dass es zwischen ihr und dem Mörder zu einem heftigen Kampf gekommen sein musste. Ihre Katze Desirée saß verängstigt neben der Leiche und kam ins Tierheim. Kater Casanova blieb allerdings verschwunden. Dafür fanden die Ermittler Peitschen im Schlafzimmerschrank. In der Luxuswohnung soll es außerdem zu masochistischen Handlungen gekommen sein, zitierten Zeitungen die Polizei.
Kriminalfilm über den spektakulären Fall: „In Frankfurt sind die Nächte heiß“
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Noch im Jahr des Mordes wurde der Tod Helga Maturas zum Inhalt eines Kriminalfilms mit Erik Schumann, Walter Kohut und Vera Tschechowa in den Hauptrollen. „In Frankfurt sind die Nächte heiß“ lautete der dämliche Titel des Streifens. „Eine üble und heuchlerische Kolportage“, lautete das scharfe Urteil im Lexikon des internationalen Films. Die Dreharbeiten begannen nur wenige Wochen nach dem Mord und schon im August 1966 war die Uraufführung. Bei den Dreharbeiten wurde das Filmteam mit Flaschen beworfen und bekam Morddrohungen.
Auch Schriftsteller griffen den Mord an der Matura noch Jahre später wieder auf. Gerhard Zwerenz verarbeitete den spektakulären Fall in seinem 1982 erschienenen Roman „Abschied von dem Mädchen“. Kriminalautor Jan Seghers verpackte das tragische Schicksal der Bottroperin gut 40 Jahre nach ihrem Tod unter dem Titel „Die Akte Rosenherz“ in einem Krimi. Sein Kommissar Marthaler legt sich mit mächtigen Gegnern an, die ihre frühen Sünden vertuschen wollen. Doch anders als die tatsächlichen Kriminalbeamten damals, klärt sein fiktiver Kommissar den Fall schließlich auf.
Gerhard Richter malte Helga Matura zweimal in Öl
Durch die Berichte und Bilder in Illustrierten wie Quick oder Revue war auch Maler-Star Gerhard Richter auf den Mordfall aufmerksam geworden. Richter sammelte solche Fotos während seiner Schaffensphase kurz nach dem Tod Helga Maturas. Sie dienten ihm zur Inspiration für seine Bilder. Zwei Ölbilder der gebürtigen Bottroperin fertigte der weltberühmte Maler anhand der Illustrierten-Fotos an.
Das erste zeigt die wie für ein Porträt im Gras sitzende Helga Matura, auf dem zweiten ist sie gemeinsam mit ihrem damaligen Verlobten Rainer zu sehen. „Der arrogante Hänfling“ habe der Maler den kleinen Mann einmal genannt, berichtete Autor Florian Welle in der Süddeutschen Zeitung. Helga Matura aber nannte er eine „stolze tolle Frau“.