Bottrop. Kirchenleitungen interpretieren Zahlen als Folge der Corona-Pandemie. 40,6 Prozent der Bottroper sind katholisch, in Kirchhellen über die Hälfte.
Zahlen können Bände sprechen, objektive Angaben liefern oder Tendenzen aufzeigen. Wie in jedem Jahr veröffentlichen die Bistümer der römisch-katholische Kirche und die evangelischen Landeskirchen ihr statistisches Zahlenmaterial. Das sagt zwar nichts über den individuellen Glauben Einzelner aus, doch immerhin etwas über den formalen Schrumpfungsprozess der beiden großen Glaubensgemeinschaften.
40,6 Prozent der Menschen in Alt-Bottrop sind katholisch
Der hat sich im Jahr 2020 auch bei den Katholiken im Stadtdekanat Bottrop (Bistum Essen, ohne Kirchhellen) fortgesetzt. Laut Bistumsangaben gab es 2020 in Alt-Bottrop noch 39.005 Katholiken gegenüber 39.817 im Jahr 2019. Dabei werden nicht nur Geburten- und Sterbefälle, Zu- und Wegzüge sondern auch Austritte und Eintritte miteinander verrechnet. Diese Zahl hat sich im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2019 am stärksten verändert. Gab es 2019 in Bottrop noch 402 Austritte, so verließen 2020 lediglich 239 Katholiken die Kirche auf diesem Weg. Damit lag Bottrop sogar noch etwas unter dem Austrittsniveau von 2010 mit 243 Fällen - und vor allem unter dem bistumsweiten Austrittsniveau. Dort lag der Rückgang bei etwa einem Viertel und sank von 7223 auf 5327 Austritte.
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Bistumsleitung und -statistiker sehen dies allerdings nicht als Beginn einer Trendwende: Für den Rückgang seien weniger inhaltliche als vor allem bürokratische Gründe im Corona-Jahr verantwortlich: Weil viele Amtsgerichte, bei denen ein Kirchenaustritt erklärt werden muss, in den Corona-Lockdowns weniger Termine vergeben haben, dürften manche für 2020 geplanten Kirchenaustritte erst in der Statistik des laufenden Jahres 2021 auftauchen.
Angestiegen ist im Vergleich die Zahl der katholischen Bestattungen in Bottrop von 450 (2019) auf 475 im vergangenen Jahr. Blickt man dazu auf die starken Rückgänge bei Taufen von 253 auf 162 (2020) und vor allem bei den Trauungen von 59 in 2019 auf 18 im Jahr 2020, lässt sich auf jeden Fall eine „Corona-Delle“ feststellen. Denn viele Familien oder Paare haben ihre Tauffeiern und vor allem Trauungen wohl auf die Zeit nach der Pandemie verschoben.
Gottesdienstbesuch wegen Corona-Bestimmungen drastisch eingebrochen
Laut Statistik gehören bei der Zahl von 39.005 Mitgliedern rund 40,6 Prozent der Bevölkerung in Alt-Bottrop der römisch-katholischen Kirche an. 2018 gab es noch 41.573 Katholiken, die in Alt-Bottrop 43 Prozent der Bevölkerung ausmachten. Die Katholiken bilden aber nach wie vor die größte geschlossene Bevölkerungsgruppe.
Katholiken bilden in Kirchhellen noch die absolute Mehrheit
In Kirchhellen (Bistum Münster) sind die Katholiken ebenfalls die größte Bevölkerungsgruppe, mit 11.410 Kirchenmitgliedern (2019: 11.473) bei 20.895 Einwohnern sogar noch in der absoluten Mehrheit. Auch dort ist die Zahl der Austritte von 103 (2019) auf 72 gesunken. Im Gegensatz zu Alt-Bottrop gingen auch die Bestattungen von 124 auf 115 leicht zurück. Eine Corona-Delle gibt es allerdings beim Gottesdienstbesuch: Der sank von 1.112 auf 594 an normalen Sonntagen. Viele Gottesdienste haben in der Pandemie nicht stattgefunden oder nur mit geringem Platzangebot. Dazu war die große St. Johanneskirche wegen Renovierung geschlossen. Die Zahl der Taufen ging um fast die Hälfte auf 58 zurück, Trauungen gab es 2020 pandemiebedingt nur sieben im Vergleich zu 38 Eheschließungen im Vorjahr.
Gesunkene Austrittszahlen nicht schönreden
Ähnlich wie die Essener Bistumsleitung warnt auch der Bischof von Münster, Felix Genn, davor, sich die gesunkenen Austrittszahlen schön zu reden. „Die Krise, die wir als Gesellschaft und Kirche durch Corona erleben, muss ein Weckruf sein, überkommene Denkmuster und Verhaltensweisen aufzugeben und mutig Neues zu wagen“, so der Bischof.
Ähnliche Tendenz in der evangelischen Großgemeinde
In der evangelischen Kirchengemeinde, die inzwischen ganz Bottrop und Kirchhellen umfasst, sieht die Entwicklung ähnlich aus, wie bei den Katholiken. Auch dort ging wegen der Pandemie der Gottesdienstbesuch stark zurück, es gab weniger Trauungen. 2020 traten 153 Protestanten aus (2019: 193), es gab 24 Eintritte (2019: 47). Die Gemeinde hatte 2020 knapp 24.000 Mitglieder.