Bottrop. Mit Michael Gerber zieht sich das Gesicht der Bottroper DKP aus dem Rat zurück. Am Ende verrät er, wen er trotz inhaltlicher Differenzen schätzt.

Er ist das Gesicht der DKP, hat zahlreiche Bürgerinitiativen in Bottrop angestoßen und tausende Unterschriften gesammelt – gegen Autobahnen, Bebauungspläne oder Freibadschließungen. Jetzt hat Michael Gerber seinen Rückzug verkündet. Zum 30. Juni scheidet er aus dem Rat der Stadt aus und zieht aus Bottrop weg. Zum Abschluss spricht WAZ-Redakteur Matthias Düngelhoff mit Michael Gerber über das Politikverständnis der DKP, Erfolge und Misserfolge in seinen Jahren in Bottrop – und am Ende hat Gerber ein überraschendes Lob parat.

Sie haben sich als Treffpunkt für das Gespräch die Brücke Lütkestraße in der Boy ausgesucht, warum?

Die Brücke ist ein gutes Beispiel dafür, wie unser Politikverständnis ist. Uns geht es nämlich darum, gemeinsam mit den Bürgern politische Interessen und Bürgerinteressen umzusetzen. Der Neubau der Brücke war ja gar nicht geplant. Gemeinsam mit den Anwohnern haben wir drei Jahre gekämpft, bis der Bau dann doch realisiert wurde. Anwohner haben uns später auch immer wieder erzählt, dass durch diesen Kampf der Zusammenhalt in der Siedlung gewachsen ist.

Gemeinsam mit Vertretern der DKP feiern die Anwohner in der Boy den Jahrestag des Baus der neuen Brücke.
Gemeinsam mit Vertretern der DKP feiern die Anwohner in der Boy den Jahrestag des Baus der neuen Brücke. © BI

Ihr größter politischer Erfolg?

Nein. Unser größter Erfolg war rückblickend sicher der Bürgerentscheid zum Stenkhoffbad, den wir gemeinsam mit anderen Parteien umgesetzt haben und bei dem sich dann die Mehrheit der Bottroper gegen die Schließung des Freibads im Zuge des Stärkungspakts ausgesprochen hat.

Können Sie sagen, wie viele Unterschriften sie wohl in all den Jahren gesammelt haben?

Nein, es waren bestimmt 10.000, und es würde sicher auch den Rahmen sprengen, hier alle Initiativen aufzuzählen, die ich mit angestoßen habe. Die allererste war übrigens eine Elterninitiative für die Integration behinderter Kinder. Aber auch die Initiative gegen die A 52 oder gegen die Bebauung an der Beckheide oder die Unterstützung und Zusammenarbeit mit den Anwohnern der Kokerei sind mir wichtig.

Sie waren lange Zeit so etwas wie das Gesicht der DKP in Bottrop. Sie waren mehrfach OB-Kandidat und haben für Land- und Bundestagsmandat gekämpft. Wie geht es mit der Partei vor Ort weiter?

Meinen Platz im Rat übernimmt Jörg Wingold. Mein Ziel ist es, auch nach meinem Umzug die DKP in Bottrop zu unterstützen. Ich wechsle zwar den Wohnort, bleibe aber parteipolitisch tätig. Im Moment aber hat es linke Politik generell schwer, das trifft auch die DKP. Die Bereitschaft, sich langfristig politisch zu binden, nimmt leider ab. Es wird für die DKP in Bottrop auch darauf ankommen, Erfolge bei der Kommunalwahl durch Neueintritte zu bestätigen. Ansonsten gilt: Man hat uns ja 2020 auch nicht zugetraut, dass wir stärker abschneiden als die Linken. Aber uns haben letztlich nur 48 Stimmen zu einem dritten Ratsmandat gefehlt.

Michael Gerber gehörte mit Gabriele Schmeer zu den Initiatoren des Bürgerentscheids für den Erhalt des Stenkhoffbads. Später engagierten sich beide gemeinsam im Förderverein des Bottroper Freibads.
Michael Gerber gehörte mit Gabriele Schmeer zu den Initiatoren des Bürgerentscheids für den Erhalt des Stenkhoffbads. Später engagierten sich beide gemeinsam im Förderverein des Bottroper Freibads. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Was ist aus ihrer Sicht für die Politik in Bottrop künftig wichtig?

In Bottrop muss die soziale Politik wieder mehr Gewicht bekommen. Außerdem befürchte ich, dass zunehmend Investoren Einfluss auf die Stadtpolitik bekommen. Eine Stadt aber lebt nicht allein vom Angebot auf der Gastromeile, sondern braucht auch ein breiteres kulturelles Angebot.

Was bedeutet heute für Sie eigentlich Kommunismus, auch nach dem Zusammenbruch der DDR?

Letztlich bedeutet das, eben keine Stellvertreter-Politik zu betreiben, sondern mit den Bürgern ihre Interessen zu vertreten und die Bürger zu befähigen, für ihre Interessen einzustehen. Viele Probleme sind auf die Klassengegensätze zurückzuführen. Wir versuchen hier, soziale Rechte und Belange in den Mittelpunkt der politischen Überlegungen zu stellen. Ich persönlich bin 1971 in die DKP eingetreten, Grund war die Ungerechtigkeit des Kapitalismus. Diese Ungerechtigkeit ist ja mit dem Verschwinden der DDR nicht aufgehoben worden, im Gegenteil, die Macht der Konzerne hat sich gesteigert und linke Alternativen umso notwendiger gemacht. Und man sieht ja jetzt, etwa bei Fridays for Future, dass jüngere Menschen verstärkt die Frage stellen nach Alternativen jenseits des Kapitalismus.

Politik für den Bürger, das werden aber wohl die meisten der im Rat vertretenen Parteien für sich in Anspruch nehmen.

Das würden sie, sicherlich. Doch die Konsequenz fehlt bei vielen.

Gibt es Ratsmitglieder, die Sie trotz gegenteiliger Auffassung schätzen?

Zunächst einmal glaube ich, dass man auch mir trotz meiner oft gegenteiligen Auffassungen Respekt entgegengebracht hat. Frank Beicht (SPD-Ratsherr und Vorsitzender des Planungsausschusses, Anm. d. Red.) hat, nachdem ich meinen Rückzug verkündet habe, gefragt, mit wem sie sich denn jetzt streiten könnten. Das zeigt doch, dass es da auch Respekt gibt. Von meiner Seite muss ich sicherlich den Oberbürgermeister nennen. Bernd Tischler und ich sind oft anderer Meinung, aber wir haben ein gutes persönliches Verhältnis. Das hat auch politische Differenzen überstanden.

Mehr Zeit für die Familie

Sein Ausscheiden aus dem Rat habe mehrere Gründe, sagt Michael Gerber. Er bezeichnet sich selbst als „Familienmenschen“, er hat sich auch intensiv um seine inzwischen verstorbene Frau gekümmert, jetzt wolle er sich intensiv um seine Enkelkinder kümmern. „Mein Sohn wird im Juli Vater.“ Außerdem habe er seine Wohnsituation ganz bewusst verändern wollen. In der Rheinbabensiedlung habe er einen großen Garten gehabt. Den aber könne man im Alter nicht mehr so pflegen und dann müsse man sich rechtzeitig trennen, so die Überzeugung des 71-Jährigen. „Ich kenne viele, die da den Absprung verpasst haben.“

Zusätzlich müsse er auch stärker auf seine Gesundheit achten. Denn ein Fulltime-Job als Kommunalpolitiker, zumal einer kleinen Partei, sei sehr kräftezehrend, gerade wenn man an der Seite von Bürgerinitiativen arbeite.