Bottrop. Sarah Krämer, die mit einer Gelenkversteifung lebt, wird bald zum zweiten Mal Mutter. In Bottrop gründet sie eine Selbsthilfegruppe.
Für Eltern von Kindern mit Behinderungen gibt es einige Unterstützung in Form von Gruppen und Vereinen. Sind es aber die Eltern, die mit Einschränkungen leben, sieht das anders aus, weiß Sarah Krämer (36) aus Erfahrung. Das möchte sie ändern – und eine Selbsthilfegruppe für Eltern mit körperlichen Behinderungen ins Leben rufen.
Bottroper Selbsthilfegruppe soll Austausch ermöglichen
„Ich bin selber Mama, bald zweifach“, berichtet Sarah Krämer von ihrer Motivation. „Ich glaube, dass es viele Themen und einen großen Austauschbedarf gibt. Was haben andere Eltern für Herausforderungen? Wie bewältigen Eltern mit den verschiedensten körperlichen Einschränkungen den Alltag? Welche Ideen, Kniffe, Tipps und Tricks haben sie?“
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Sie selbst lebt von Geburt an mit AMC (Arthrogryposis multiplex congenita), „das ist eine Art der Gelenkversteifung“. Mehr als 30 Mal sei sie operiert worden, um selbstständig zu werden. „Man hat damals gesagt: Sarah wird niemals trocken, sie wird nie selbstständig sitzen können“, erzählt sie. Doch ihre Eltern hätten für sie gekämpft „und mich so weit begleitet, dass ich stolz darauf sein kann, wo ich bin und was ich alles geschafft habe“. Inklusive Berufsausbildung als Bürokauffrau und heutigem Job bei der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB), die zusammen mit dem Selbsthilfebüro Bottrop hinter der neuen Selbsthilfegruppe steht.
Der Wunsch nach einem Kind war immer da
Der Wunsch nach einem Kind war immer da; die Frage „Kann ich das überhaupt?“ hat sich für sie nie gestellt. Aber durchaus für andere: Die Eltern ihres Ex-Partners, der ebenfalls im Rollstuhl saß, lehnten die Idee rundheraus ab, erzählt Sarah Krämer. Ihr jetziger Partner, der selbst keine Einschränkungen hat, hatte an der Familiengründung indes niemals Zweifel.
Eltern werden – und sein – ist per se mit Herausforderungen verbunden. Mit einer Gelenkversteifung, die die Arme bis ins Schultergelenk einschränkt und Sarah Krämer nur kurze Strecken am Rollator laufen lässt, erst recht. Als ihre Tochter, heute zwei, noch ein Baby war, betreute Sarah Krämer sie allein, wenn ihr Mann zum Beispiel arbeiten ging. „Mit dem Älterwerden der Kinder wird’s schwerer, dem Ganzen gerecht zu werden. Ich kann meiner Tochter zum Beispiel nicht auf die Rutsche helfen.“ Und sie gerate in Panik, wenn die Kleine in der Nähe einer Hauptstraße alleine laufen möchte. „Ich bin froh, eine Assistenz zu haben, die im Notfall das Ärmchen packt.“
Assistenz für Eltern mit einer körperlichen Behinderung
Denn seit das Mädchen etwa neun Monate alt ist, wird die Familie von einer Elternassistenz unterstützt, zwölf Stunden am Tag und vier Stunden am Wochenende wurden dafür bewilligt. „Sie setzt die Arme und Beine für mich um“, erklärt Sarah Krämer, die ihr zweites Kind im August erwartet. Wie man eine solche Unterstützung bekommt, wo es finanzielle und weitere Hilfen gibt, was bei Anträgen zu beachten ist – auch das soll gerne Thema in der Selbsthilfegruppe sein.
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Sowie Inklusionsfragen. Sarah Krämer zum Beispiel spürt als Mutter mit einer Behinderung oftmals Blicke, wenn sie mit ihrer kleinen Tochter unterwegs ist – ob nun voller Unverständnis oder voller Bewunderung, auf beides kann sie verzichten. „Ich möchte auch nicht von jedem Zweiten hören: Ich ziehe den Hut vor dir. Ich will das so, und ich gebe dafür genauso viel wie andere auch.“
Mit der Selbsthilfegruppe ansprechen möchte die Initiatorin Eltern mit körperlichen Einschränkungen jeder Art, das kann etwa auch eine Sehbehinderung sein.