Bottrop. Betriebe und Beschäftigte bekommen die Corona-Krise zu spüren. Das Arbeitsgericht hat viel mit Kündigungen vor allem aus diesen Branchen zu tun.
Corona nervt die Menschen mehr und mehr. Auswirkungen der Pandemie haben auch die Arbeitsrichterinnen und Arbeitsrichter in den fünf Kammern des Gelsenkirchener Arbeitsgerichts zu spüren bekommen, das auch für Bottrop zuständig ist. Zwar gilt gerade bei Arbeitsschutzverfahren wegen der Dringlichkeit für die streitenden Parteien der Beschleunigungsgrundsatz, doch hat Covid-19 im letzten Jahr auch die Gerichte vorübergehend gelähmt.
Hatte die Justiz in 2019 noch über 2152 Klagen zu entscheiden, sank die Zahl der Eingänge im letzten Jahr auf 1832. Im März und April ging vorübergehend nichts mehr. Schutzmaßnahmen wie die Einrichtung von Trennscheiben, die Beschränkung auf wenige Sitzplätze, Dauerbelüftung und Maskenschutz garantierten schließlich eine Fortsetzung der Termine. Die effektive Arbeit der Gerichte konnte Corona offensichtlich nicht negativ beeinflussen.
Jeder fünfte Rechtsstreit war nach sechs Monaten beendet
54 Prozent aller Verfahren (58 Prozent in 2019) konnten in einem Zeitraum zwischen vier Wochen und drei Monaten abgeschlossen werden. Jeder fünfte Rechtsstreit (18 Prozent in 2019) war spätestens nach sechs Monaten beendet. Bei elf Prozent (acht) der Verfahren wurden die Akten im Zeitraum zwischen sieben und zwölf Monaten zugeklappt. 33 (27) gerichtliche Auseinandersetzungen waren aber auch nach über einem Jahr noch nicht beendet.
Einen deutlichen Anstieg der Eingänge erlebten die Gerichte in den ersten zwei Monaten dieses Jahres. Im Januar gingen 188 (157) Klagen ein, im Februar 260 (147). Die wirtschaftlichen Folgen für Betriebe und die Folgen für die Beschäftigten sind jetzt besonders deutlich zu spüren. „Betriebsbedingte Kündigungen“, sagt Direktorin Renate Schreckling-Kreuz, „haben vor allem im Friseurhandwerk, Handel und Hotelgewerbe zugenommen.“
Lockerungen im Insolvenzrecht bereiten Sorgen
Sorgen bereitet der Richterin die Lockerung im Insolvenzrecht. Vor allem bei Personaldienstleistern sei festzustellen, dass Mitarbeiter über mehrere Monate ohne Geld arbeiteten, zum Teil bei Abbrucharbeiten mit Asbestrückständen nicht geschützt seien. Betroffen sind meistens Mitarbeiter mit einem Migrationshintergrund. Mitunter würden Unternehmen nach der Insolvenz unter gleichem Namen eine neue Gesellschaft eröffnen.
Das gleiche Muster stellt die Direktorin auch im Bereich einiger Pflegedienste fest. Auch dort würden Mitarbeiter einige Monate lang nicht bezahlt, dann gekündigt und das Arbeitsverhältnis unkorrekt abgerechnet. Andere wiederum zahlten die Prämien nicht an ihre Mitarbeiter. Die Folgen der Pandemie bekam eine Spedition, die Kerosintransporte zum Flughafen durchführte, besonders drastisch zu spüren. Der Flugverkehr erlahmte. Von einst 83 Mitarbeitern sind heute noch zehn beschäftigt.
Bis zu Videoverhandlungen wird es noch dauern
Das gesundheitliche Fazit der Direktorin in eigener Sache klingt positiv: „Wir haben keine Erkrankung im Personal, die Mannschaft ist an Bord.“ Allerdings schielt die Richterin ein wenig neidisch auf die elektronischen Arbeitsmöglichkeiten der benachbarten Sozialgerichte. Die Kolleginnen und Kollegen schieben auf großen Rollwagen Bildschirme, Kameras und Laptops von Saal zu Saal. Bis zu den ersten Videoverhandlungen beim Arbeitsgericht wird’s noch etwas dauern.