Bottrop. Nach Bottrop und Gelsenkirchen nimmt das Schmutzwasserpumpwerk Oberhausen im Sommer den Betrieb auf. Dann fließt kein Abwasser mehr in den Fluss.
Auf den Tag des Waldes folgt am 22. März direkt der Tag des Wassers. Sicher kein Zufall. Klar, ohne Wasser kein Wald. Und der wieder zählt zu den großen Wasserspeichern der Welt. Das wohl größte und für die Region wichtigste Wasserprojekt seit 30 Jahren ist der Umbau der Emscher. Und wenn alles so läuft, wie die Emschergenossenschaft es plant, wird der Fluss, der vor über einem Jahrhundert aufhörte, einer zu sein, noch Ende des Jahres ausschließlich wieder sauberes Wasser führen. Der Abwasserkanal, zu dem die Emscher und ihr System von Nebenflüssen vor vielen Jahrzehnten geworden ist, verläuft dann unterirdisch und wird komplett von den oberirdischen sauberen Fluss- und Bachläufen getrennt sein.
Deutschlands größtes Schmutzwasserpumpwerk arbeitet ab August
Noch endet der Betrieb des bereits zwischen Dortmund und Dinslaken komplett verlegten Kanals in Bottrop. Ganz in Dienst gestellt werden kann der unterirdische Kanal jedoch erst, wenn nach den bereits arbeitenden großen Pumpwerken in Gelsenkirchen und Bottrop auch das deutschlandweit dann größte Schmutzwasserpumpwerk in Oberhausen-Biefang seinen Betrieb aufnimmt. „Damit rechnen wir im August“, sagt Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft (EG). Denn ohne diese Anlage als letztem technischen Meilenstein sei der Abwassertransport und die komplette Trennung von Schmutzwasser im unterirdischen Emscherkanal und dem sauberen Fluss- und Regenwasser im oberirdischen Flusslauf nicht möglich.
Pumpen gleichen Fließgefälle aus
51 Kilometer lang ist der Abwasserkanal Emscher, der das Schmutzwasser aus den Zuflusskanälen aufnimmt. Er besteht aus Stahlbeton-Rohren Durchmessern zwischen 1,60 und 2,80 Metern in acht bis 40 Metern Tiefe. Das notwendige Fließgefälle von 1,5 Promille muss durch die drei großen Pumpwerke ausgeglichen werden. Sonst käme das Abwasser an der Emschermündung in 80 Meter Tiefe an.
Das Motto des UN-Wassertages - „Wasser wertschätzen“ - kann so seit Beginn des Emscherumbaus 1992 auch über diesem Großprojekt stehen. Das gilt auch für die Zukunft. Denn mit der Abkoppelung versiegelter Flächen vom Kanalsystem wird Oberflächenwasser nicht einfach abgeleitet, sondern bleibt als Verdunstungswasser dem Gesamtkreislauf erhalten. Ein wichtiger Aspekt in Zeiten des Klimawandels mit seinen heißen Sommern und sinkenden Niederschlagsmengen. So arbeiten im Sinne der „Zukunftsvereinbarung Regenwasser“ sowie der Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ das Land, Anliegerkommunen wie Bottrop und die Emschergenossenschaft zusammen.
Ein immer noch künstlicher aber sauberer Fluss
War die Umwandlung der Emscher zum Abwasserfluss in der Hochzeit der Industrialisierung ein Meilenstein, um Hochwasser und Seuchenausbrüche zu stoppen und andere Flüsse der Region sauberer zu halten, so erwies sich das offenen Abwassersystem später als Handycap vor allem für Tausende Menschen in unmittelbarer Nähe. Natürlich wird sich ein ungezügelt mäandernder Fluss, wie sich die Emscher bis Ende des 19. Jahrhunderts darstellte, in einer dicht besiedelten und bebauten Region nicht gänzlich wieder herstellen lassen. Auch die „neue“ Emscher ein „künstlicher“ Fluss sein - aber eben naturnah und vor allem: sauber.
Das hat sich seither auch in zunehmender Artenvielfalt niedergeschlagen. Aus etwa 170 im Emscherumfeld lebenden Tierarten in den 90e Jahren sind seither laut Emschergenossenschaft 500 geworden. Längst leben dort wieder Forellen, Groppen und Stichlinge. Der Eisvogel als Indikator einer guten Gewässerqualität fühlt sich mittlerweile an den Ufern der Emscher und ihrer Nebengewässer genauso wieder zuhause wie die Gebirgsstelze oder die sogenannte Blauflügelige Prachtlibelle
Aus Abwasserkanälen werden wieder naturnahe Bachläufe
In Bottrop hat die Emschergenossenschaft (EG) bereits alle Abwasserkanäle mit insgesamt 28 Kilometern fertiggestellt. Kosten bislang: 361 Millionen Euro. Abwasserfrei sind alle Gewässer bis auf die Emscher, die immer Sommer folgt. Bereits renaturiert sind der Kirchschemmsbach, der Vorthbach und weite Teile der Boye.
In den Bau der Kläranlage hat die EG 485 Millionen Euro investiert. Was sonst noch geschah: Aus einer ehemaligen Kläranlage wurde der Bernepark. In Bottrop ist die weltweit größte Anlage zur solarthemischen Klärschlammtrocknung entstanden und am Kirchschemmsbach gibt es ein so genanntes Blaues Klassenzimmer.
Den Kirchschemmsbach hatte die Emschergenossenschaft bereits vor knapp zehn Jahren als Teil des Emscherumbaus von Schmutzwasser befreit und renaturiert. Dem Mehrwert für Flora und Fauna folgt nun das Plus für die Menschen entlang des Gewässers. Als Bildungsstandort direkt am Gewässer trägt das neue Blaue Klassenzimmer künftig dazu bei, dass der Wasserverband gemeinsam mit seinen Partnern in Stadt und Stadtteil den Nachwuchs für Themen wie Umwelt- und Naturschutz begeistern kann. Denn: „Nur was man kennt, weiß man auch zu schützen“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Emschergenossenschaft über diese Lernorte.