Auf einem Firmengelände in Bottrop liegt eine Art künstlicher Sumpf. Dahinter verbirgt sich Deutschlands erste Verdunstungsanlage für Regenwasser
Im Bottroper Gewerbegebiet an der Gohrweide steht Deutschlands erste Verdunstungsanlage. Regenwasser wird in einem nicht mehr benötigten Löschteich gesammelt und über Pumpen nach und nach auf einer Fläche versprüht, wo es dann verdunstet – mit positiven Effekten für das Umgebungsklima sowie für Tiere und Pflanzen.
Die Anlage auf dem Gelände des Verpackungs- und Logistikdienstleisters Ludzay ist Teil eines vierjährigen Pilotprojekts, das vom Bund gefördert wurde und nun ausläuft. Für weitere zehn Jahre steigt nun die Stadt, die auch vorher schon Projektpartner war, verstärkt mit ein. Sie übernimmt Messungen, um die Datengrundlage für derartige Projekte zu erweitern.
Eine solche Fläche vermutet man nicht in einem Bottroper Gewerbegebiet
Rund 2000 Quadratmeter ist die Verdunstungsfläche groß. Auf ihr wachsen Sumpfpflanzen, vor allem Schilf. Die Besonderheit: Eine dicke Lehmschicht verhindert, dass das Wasser versickert, stattdessen verdunstet es – zum einen klassisch über den Boden, der weit größere Teil jedoch über die Blätter der Pflanzen. Deshalb spricht man auch von Transpiration.
Für Ludzay-Geschäftsführer Philipp Noll ist die Anlage ein echter Gewinn. „Wenn man da steht und sich umschaut, hat man gar nicht mehr das Gefühl, mitten in einem Gewerbegebiet in Bottrop zu sein.“ Die Fläche sei Lebensraum für viele Insekten und andere Tiere, sogar Salamander habe man hier schon beobachtet.
Wissenschaftliche Begleitung des Bottroper Projekts durch due Ruhr-Uni Bochum
2011 hat das Unternehmen das Gelände an der Gohrweide gekauft und neue Hallen gebaut. Durch Veränderungen im Brandschutz wurde der Löschteich überflüssig und es entstand die Idee zu dieser Anlage. Fördergelder vom Bund und die wissenschaftliche Begleitung durch die Ruhr-Uni haben das Ganze möglich gemacht.
Die Forscher wollen durch die Anlage lernen, welchen Einfluss die Verdunstung auf das Mikroklima hat. Denkbar sei es, diese Technik auch im innerstädtischen Bereich bei so genannten Hitzeinseln einzusetzen. Der Temperaturunterschied zwischen eng bebauten Innenstädten und dem kühleren Umland liege bei rund zehn Grad, erklärt Monika Steinrücke von der Ruhr-Uni in Bochum. Weitere Messungen sollen nun unter anderem Sicherheit geben darüber, wie viel Wasser auf einer Fläche von bestimmter Größe verdunstet. Das ermöglicht Berechnungen, wenn es um die Dimension künftiger Anlagen geht.
Verdunstungsanlage hat Vorbildcharakter auch über Bottrop hinaus
Baudezernent Klaus Müller betont den Vorbildcharakter – auch über Bottrop hinaus. Er könne sich gut vorstellen, dass an anderen Stellen in der Stadt ähnliche Anlagen gebaut werden könnten – ohne schon konkrete Projekte zu benennen.
Im vergangenen Juli konnten über die Anlage pro Tag knapp 12.000 Liter Wasser verdunsten. Wasser, das sonst über versiegelte Flächen in die Kanalisation abgeflossen wäre – ohne positive Auswirkungen auf die Umgebung. Wichtig ist jedoch ein Zwischenspeicher für das Regenwasser, denn je nach Menge des Niederschlags kann das Wasser nicht auf einmal auf der Fläche verdunsten.
Bottroper Baudezernent hofft, dass solche Anlagen künftig gefördert werden
Allerdings ist so eine Anlage nicht ganz günstig. Rund 100.000 Euro habe sie gekostet, so Noll. Dazu kommen pro Jahr etwa 5000 Euro Betriebskosten, etwa für die Rodung der Fläche im Frühjahr. Der Strom für die Pumpen kommt aus der firmeneigenen Photovoltaik-Anlage, außerdem werden für die Flächen, die über diese Anlage entwässert werden, keine Niederschlagsgebühren fällig. Noll ist überzeugt: „Es rechnet sich.“ Müller hofft, dass solche Anlagen künftig auch gefördert werden, etwa über das Programm „Wasser in der Stadt von morgen“.
Kapazität der Anlage
Die Kapazität der Verdunstungsanlage reicht aus, um das gesamte Regenwasser das auf rund 11.000 Quadratmetern versiegelter Fläche auf dem Firmengelände anfällt, aufzunehmen und nach und nach verdunsten zu lassen.
Geschäftsführer Philipp Noll schätzt, das dass die Kapazität der Anlage sogar ausreichen würde, noch rund 3000 Quadratmeter Fläche an das System anzuschließen. Wird der Löschteich als Zwischenspeicher zu voll, gibt es einen Überlauf in die Kanalisation. Der seit Bestehen der Anlage allerdings noch nie benötigt.
Im Gegenteil, stattdessen musste die Wasserzufuhr auf die Verdunstungsfläche reduziert werden, damit der Speicher im Sommer nicht leer läuft.