Bottrop. Manche Firmen der Kreishandwerkerschaft aus Bottrop sind Gewinner in der Krise. Aber alte Probleme haben sich verschlimmert.

In einer Krise gibt’s Gewinner und Verlierer. So auch im Bottroper Handwerk. Egbert Streich, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Emscher-Lippe-West bezeichnet die Situation als „heterogen“. Frisöre haben zum Beispiel gar keine Einnahmen, weil sie ihre Geschäfte schließen müssen. Andere haben je nach Struktur des Betriebs volle Auftragsbücher.

Mehrere Monate Vorlaufzeit für größere Aufträge

„Es gibt viel zu tun, weil viele Leute zuhause sind“, sagt Uwe Pyschny, der seinen Meisterbetrieb für Heizung und Sanitär am Wienberg in Vonderort hat. „Im Home Office fällt eher auf, wenn etwas im Argen liegt.“ Der Notdienst seiner Firma ist 24 Stunden, sieben Tage in der Woche, erreichbar. Die Vorlaufzeit für kleinere Reparaturen wie eine Heizungsstörung oder ein defekter Spülkasten kann circa ein bis zwei Tage betragen. Wer größere Umbauten am oder im Haus vornehmen möchte, benötigt Zeit und Geduld. „Für Großaufträge liegt die Vorlaufzeit bei drei bis vier Monaten“, sagt Pyschny.

Ein ähnliches Bild beim Malerbetrieb Bergendahl an der Haardtstraße. Ein Auftrag für Tapezierarbeiten, Bodenverlegung oder Wärmedämmung ist schnell geschrieben. Aber die praktische Umsetzung beim Kunden vor Ort kann dauern. Schon vor dem Ausbruch der Pandemie gingen ein bis zwei Wochen ins Land bevor die Maler und Lackierer mit ihrer Tätigkeit loslegen konnten. In der Pandemie hat sich laut Inhaber Klaus Bergendahl die Wartezeit für Kunden nahezu verdoppelt.

Seit Mai rollt verstärkt die Auftragswelle

Beide Handwerksmeister bestätigen, dass im März und April, also im ersten Lockdown, die Aufträge weniger wurden. „Es gab ein paar Absagen“, sagt Klaus Bergendahl. Seiner Einschätzung nach waren die Kunden unsicher und vorsichtig. Sie wussten nicht, wie sich die Pandemie entwickeln würde. Die vor allem älteren Kunden wollten aus Angst vor Corona keine Handwerker ins Haus lassen. Aber seit den Lockerungen im Mai rollt die Auftragswelle. Die Liste wird abgearbeitet. Saisonal bedingt ist es in den zurückliegenden Tagen im Betrieb etwas ruhiger gewesen. Über zu wenig Arbeit wollen sich Pyschny und Bergendahl keineswegs beschweren.

Demnach hat das Handwerk in manchen Branchen trotz Coronakrise und Lockdown goldenen Boden. Aber wie lange noch? „Die Betriebe haben dafür andere Probleme“, weiß Egbert Streich. Wie überall im Handwerk hat sich der chronische Nachwuchsmangel noch mehr verschärft. „Der Eindruck täuscht, dass Handwerker im Lockdown mehr zu tun haben“, meint Pyschny, der zugleich Obermeister der Innung Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik für Bottrop-Gladbeck ist. „Wir haben immer gut zu tun gehabt, unabhängig vom Lockdown“, sagt er. Die lange Wartezeit für die Kunden erklärt sich aus seiner Sicht aus einem anderen Grund. „Engpässe sind da, weil kein Nachwuchs da ist. Wir haben zu wenig Handwerker.“ Pyschny bringt die Problematik auf den Punkt: „Wer will denn heutzutage noch Anlagenmechaniker werden? Oder auf dem Bau arbeiten?“

Dauerproblem: Fehlende Auszubildende

Malermeister Klaus Bergendahl ist unterdessen glücklich darüber, dass er zurzeit drei Auszubildende hat. Das Familienunternehmen nutzt verstärkt Online-Plattformen sowie seine Social-Media-Profile bei Instagram und Facebook, um auf sich aufmerksam zu machen und junge Leute für den Beruf zu begeistern. Als Obermeister der Bottroper Maler-Lackierer-Innung weiß er aber auch, dass die Personaldecke bei manchen Kollegen anders aussieht. „Qualifizierte Auszubildende für das Handwerk zu bekommen, ist ein Dauerproblem“, sagt Egbert Streich.

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Nun kämen durch den verhängten Lockdown zusätzliche Sorgen dazu, dass etwa Frisöre ihre Azubis gar nicht in Theorie und Praxis ausbilden könnten. „Messen und Veranstaltungen, wo viele Unternehmen ihre Azubis bisher gefunden haben, sind ebenfalls abgesagt worden“, so der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. „Der verlängerte Lockdown ist für die Ausbildung im Handwerk eine mittelschwere Katastrophe.“