Bottrop. Seit Montag sind diese Tests Pflicht. Nicht überall gibt es überhaupt Material. Auf das Personal kommt wieder eine größere Belastungen zu.

Besuchsverbote während der ersten Corona-Welle waren für Angehörige und Bewohner von Seniorenheimen extrem belastend. Ein hilfreiches Mittel zur Bekämpfung der sich ausbreitenden Pandemie seien aktuell die Schnelltests, die bevorzugt auch an Alten- und Pflegeheime ausgeliefert würden, so NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) in der vergangenen Woche. Das Reglement sehe vor, dass jedes Pflegeheim 20 Tests pro Bewohner und Monat mit der Pflegekasse abrechnen könne. Seit dieser Woche greift in NRW eine Allgemeinverfügung für Alten- und Pflegeheime, laut der die Einrichtungen Testungen anzuwenden bzw. zu veranlassen haben. Die Heime sind gerade dabei, sich dafür zu wappnen.

„Für die Einrichtungen ein kompliziertes Thema“, gibt Barbara Klaus unumwunden zu. Und nein, Reihentests habe man noch gar nicht durchführen können, weil das Konzept, das das Haus für die neue Verordnung erarbeitet habe, noch gar nicht vom Gesundheitsamt genehmigt worden sei, so die Leiterin des Caritas-Seniorenzentrums St. Teresa im Fuhlenbrock. Wie lange das dauert, kann sie nicht sagen. „Wenn wir nach 14 Tagen nichts gehört haben, gilt das Konzept automatisch als akzeptiert, sofern es den festgelegten Landesvorgaben entspricht“, so Barbara Klaus. Erste Tests seien zwar schon bestellt worden, aber das Personal zur Durchführung der Tests habe noch nicht die geforderte medizinische Schulung erhalten (siehe Zweittext).

Kernaufgabe: Versorgung und Pflege der Bewohner

Ein weiteres Problem hierbei ist, dass das vorhandene Personal die Testungen zusätzlich zu den eigentlichen Aufgaben übernehmen soll, da gefordert ist, dass die Tests nur von Personen durchgeführt werden können, die über grundlegende pflegerische oder medizinische Kenntnisse verfügen. „Unsere Mitarbeitenden sind aber in erster Linie für die Versorgung und Pflege unserer Bewohner da und nicht für die Durchführung von Coronatestungen. Aber grundsätzlich begrüßen wir natürlich die Tests als zusätzlichen Schutz für unsere Bewohner und Mitarbeitende.“

20 Tests pro Bewohner und Monat, die man mit der Pflegekasse abrechnen könne, sieht das Reglement des Landes derzeit vor. Für ein Haus wie St. Teresa mit 167 Plätzen bedeutet das 3.340 Tests pro Monat. Testintervalle müssen festgelegt werden, also wer wie oft getestet wird. „Bewohner und Mitarbeiter regelmäßig, Besucher anlassbezogen, also etwa wenn typische Symptome festgestellt werden, dazu kommen symptomfreie Tests, einfach zur Sicherheit,“ erklärt Barbara Klaus. Bei einem Zeitaufwand von 15 bis 20 Minuten bis zum Ergebnis eines Schnelltests kann man sich ausrechnen, wieviel Zeit das in Anspruch nimmt. Bis zu 40 Besucher hat das Haus zurzeit am Tag. „Dafür werden wir festgelegte Testtermine anbieten.“

Schnelltests sind sehr zeitintensiv

Kaum anders sieht es beim Ernst-Löchelt-Seniorenzentrum der Awo auf dem Eigen aus. Zwar liegt dort seit Freitag das Material für 700 Tests vor, aber die Genehmigung des Gesundheitsamtes für das vorgelegte Konzept steht noch aus. „So lange halten wir die Füße still“ sagt Dirk Kuczera, der um das enge Zeitfenster zwischen Verordnung und Umsetzung weiß. Mit diesem Monat hat er die Leitung des Hauses von Peter Schmidt übernommen.

Das Ernst-Löchelt-Seniorenzentrum der Awo ist mit 194 Plätzen die größte Pflegeeinrichtung in Bottrop.
Das Ernst-Löchelt-Seniorenzentrum der Awo ist mit 194 Plätzen die größte Pflegeeinrichtung in Bottrop. © Olaf Fuhrmann

Am heutigen Mittwoch beginnt im größten Seniorenheim der Stadt mit 194 Plätzen in sieben Wohnbereichen die Schulung des Personals durch einen Arzt. Danach erfüllen 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die geforderten Voraussetzungen zur Durchführung der Schnelltests.

„Das alles ist sehr zeitaufwändig, aber wir machen das gern, weil wir um die Bedeutung wissen, obwohl es das Personal nochmals stärker belastet“, so Kuczera. Nur eine Testreihe für Bewohner und Mitarbeiter bedeuteten 390 Tests. Jedesmal 15 Minuten, macht über 90 Stunden. Und das soll mehrmals im Monat stattfinden. Noch Fragen?

Ressourcen wohl falsch eingeschätzt

Wie so oft seit Ausbruch der Corona-Pandemie fallen politische Entscheidungen schnell, was oft genug zu Lasten der zur Durchführung Verpflichteten geht. Bei den seit dieser Woche vorgeschriebenen Corona-Schnelltests in Seniorenpflegeheimen sieht die Situation bei jedem Träger in Bottrop etwas anders aus.

Bei Häusern der Caritas beispielsweise, die hier vier Häuser mit 411 Plätzen betreibt, liegen derzeit noch keine Schnelltests vor, wie Andreas Trynogga bestätigt. „Das Testmaterial ist bestellt, das wird von der Caritas zentral für deren Bottroper Einrichtungen übernommen“, so der Caritasdirektor. Zentral wurden auch die ersten medizinischen Schulungen für das Personal geplant, die von der Betriebsärztin der Caritas durchgeführt werden. Zusätzliches Personal gebe es dafür nicht, das liege nicht nur an der noch unklaren Refinanzierung, sondern auch am Fachkräftemangel, so Trynogga weiter. Die benötigten Ressourcen, sowohl an Zeit wie an Personal, für diese neue Verordnung wurden seines Erachtens nicht richtig eingeschätzt. Die Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor allem im Pflegebereich sei generell enorm, auch ohne diese zusätzlichen Aufgaben. Und dass bislang für keines der beim Gesundheitsamt zur Durchführung der Schnelltests eingereichten Konzepte der einzelnen Caritashäuser die Genehmigung vorliege, wundert den Caritas-Chef ebenfalls nicht. Auch dort laufe einfach zu viel auf.

Das neue Christophorus-Haus kurz vor der Fertigstellung im Januar 2019.
Das neue Christophorus-Haus kurz vor der Fertigstellung im Januar 2019. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

So sieht es auch Jens Adems, Leiter der Seniorenwohnanlage Christophorus im Fuhlenbrock. Die Einrichtung mit 60 Plätzen gehört wie das Haus am Ehrenpark (51 Plätze) zu den Gesundheitsdiensten Reckmann. Auch dort wurde bislang weder das Testkonzept genehmigt, noch liege Testmaterial vor. Die Schulungen für das Personal beginnen bald.

Die Schraube nicht unendlich weiterdrehen

Natürlich seien die Schnelltests im Sinne der Pandemiebekämpfung zu begrüßen. Das Outsourcen von Aufgaben seitens der Politik dürfe nicht auf dem Rücken der Pflegekräfte ausgetragen werden, deren Kerngeschäft die Pflege und Betreuung der anvertrauten Menschen sei. Man könne diese Schraube mit Zusatzaufgaben eben nicht unbegrenzt weiterdrehen.