Bottrop. Rund 400 Quarantäneanordnungen müssen noch geschrieben werden. Mündlich Anordnungen sind jedoch auch bindend. Die Akzeptanz der Maßnahme sinkt.

Nicht nur die Kontaktnachverfolgung bringt das Bottroper Gesundheitsamt an die Grenzen der Belastbarkeit, auch die daraus resultierenden Quarantäneanordnungen stellen die Stadt vor Probleme. Derzeit sei es ein Problem, die Quarantäneverfügungen aus- und zuzustellen, sagt Stadtsprecher Andreas Pläsken. Denn eine Quarantäneanordnung muss im Nachgang auch schriftlich erfolgen – durch den Fachbereich Recht und Ordnung.

Allerdings: Auch eine mündliche Quarantäneanordnung, wie sie das Gesundheitsamt zunächst ausspricht, sei bindend, warnt der Stadtsprecher. Wer dann trotzdem noch draußen angetroffen werde, der verstoße gegen das Infektionsschutzgesetz.

Auf jede infizierte Person kommen im Schnitt zehn Kontakte zur Nachverfolgung

Aktuell, so Pläsken, lägen bei der Stadt noch rund 400 Quarantäneerlasse, die ausgestellt werden müssten. Daran arbeite man nun mit Hochdruck, stellt der Stadtsprecher klar, denn: „Das ist ein Punkt, den wir auf jeden Fall in den Griff kriegen müssen.“ Nur: bei der der Vielzahl der Neuinfektionen – von Mittwoch auf Donnerstag waren es 62 – kommen immer wieder weitere hinzu.

Die hohen Zahlen seien auch leicht zu erklären. Im Schnitt kämen auf jede infizierte Person zehn Kontakte, die nachverfolgt werden müssen, so Pläsken. Und je nach Art und Dauer des Kontakts ergibt sich die Risikostufe der Kontaktperson und möglicherweise eben auch die Quarantäneanordnung – zumindest für diejenigen, die qualifizierten Kontakt zu einem Corona-Patienten hatten.

Robert-Koch-Institut hat Regeln für Quarantäne aufgestellt

Mit Blick auf diese Entwicklung, so Pläsken „sind wir eben auch noch mal froh, dass wir nun die Unterstützung der Bundeswehr haben. Wir hoffen darauf, mit diesen Kräften diese Zahlen möglichst schnell reduziert zu bekommen.“ Um die Risiken für weitere Infektionen zu minimieren, sei das dringend notwendig. Am Donnerstag wurden die Kontaktnachverfolger personell noch einmal aufgestockt.

Neben denjenigen, die mit dem Virus infiziert sind, müssen teilweise auch Kontaktpersonen in Quarantäne. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat dazu entsprechende Empfehlungen veröffentlicht. Demnach müssen die in Quarantäne, bei denen ein hohes Risiko bestehe, dass sie sich infiziert haben könnten. „Dies ist der Fall, wenn man innerhalb der letzten 14 Tage engen Kontakt zu einer Person mit einer laborbestätigten Infektion durch das Coronavirus SARS-CoV-2 hatte. Ein enger Kontakt bedeutet hauptsächlich, dass man mindestens 15 Minuten mit der oder dem Erkrankten gesprochen hat bzw. in Kontakt mit dessen Sekreten gekommen ist, wie etwa durch Anniesen oder Anhusten, während diese Person ansteckend war.“

Viele Betroffene wollen mit den städtischen Mitarbeitern diskutieren

Wer allerdings in den letzten 14 Tagen nur im gleichen Raum mit einem Covid-19-Erkrankten war und keinen engen Kontakt hatte, für den werde keine Quarantäne angeordnet, da dann ein geringeres Ansteckungsrisiko besteht, heißt es seitens des RKI.

Was den städtischen Mitarbeitern aufgefallen ist: Die Akzeptanz für diese Maßnahme habe abgenommen, berichtet Andreas Pläsken von den Erfahrungen der Kontaktnachverfolger. Anders als noch im Frühjahr bei der ersten Welle, wollten viele Menschen über die Maßnahme diskutieren oder kündigten gar an, sich nicht an die Auflagen zu halten.

Stadt Bottrop musste bei einer Familie einen Sicherheitsdienst vor die Tür stellen

In der Regel täten sie es dann aber doch, so Pläsken. Das hätten entsprechende Kontrollen ergeben. Allerdings gab es in Bottrop auch schon den Fall einer Familie, die sich dieser Auflage widersetzt hat, immer wieder wurden Familienmitglieder draußen angetroffen. Am Ende musste die Stadt vor dem Haus einen Sicherheitsdienst postieren, der die Einhaltung überwacht hat.

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Der Krisenstab stellt noch einmal klar, dass das Einhalten der Quarantäneanordnungen nicht ins Belieben gestellt ist. Außerdem bitten die Verantwortlichen, von Grundsatzdiskussionen mit den Kontaktnachverfolgern abzusehen. Pläsken: „Ich kann verstehen, dass es Redebedarf gibt, aber Grundsatzdiskussionen führen uns da nicht weiter, und in der Zeit hätte der Kollege vielleicht schon zwei weitere Telefonate führen können.“

Grundlage ist das Infektionsschutzgesetz

Die Quarantäneanordnung bezieht sich auf das Infektionsschutzgesetz, genauer auf den Paragrafen 30 dieses Gesetzes. Der regelt die „Absonderung“ unter anderem von Kranken sowie Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen.

Ausdrücklich hebt dieser Paragraf auch die Freiheit der Person in Teilen auf. Dazu heißt es im Infektionsschutzgesetz: „Das Grundrecht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) kann insoweit eingeschränkt werden.“