Bottrop. Einzelhandelsverband begrüßt Vorstoß des Landes. Ordnungsdezernent äußert Zweifel, ob dieser Bestand haben wird. Bürger denken auch ans Personal.

Mit der seit Anfang Oktober gültigen Coronaschutzverordnung macht die Landesregierung einen Vorstoß in Richtung Handel: Sie erlaubt darin vier verkaufsoffene Sonntage im Advent plus einen am 3. Januar, um das Weihnachtsgeschäft während der Corona-Pandemie zu entzerren. Das Oberverwaltungsgericht äußerte indes bereits „erhebliche Zweifel an der Gültigkeit dieser Bestimmung“.

Handelsverband: Chance, an Umsatz hinzu zu gewinnen

Aus Sicht des Handels sei der Vorstoß jedenfalls zu begrüßen, meint der Vorsitzende des Bottroper Einzelhandelsverbands Jan Gerd Borgmann und schließt sich damit der Stellungnahme des Landesverbandes an. „Ich bin der Meinung, dass das eine gute, unterstützende Maßnahme für den Einzelhandel ist, eingedenk der aktuellen Lage“, so Borgmann. Das gäbe dem stationären Handel die Chance, ein paar Prozent an Umsatz hinzu zu gewinnen. Außerdem glaubt Borgmann, dass diese Maßnahme die Kundenströme an den Wochenenden vor Weihnachten ein bisschen entzerren können.

Geplante verkaufsoffene Sonntage fielen bis jetzt aus

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„Geplant war ja ein verkaufsoffener Sonntag am 6. Dezember zum Nikolausmarkt. Sollte es nur einen verkaufsoffenen Sonntag geben, wäre der Andrang erwartungsgemäß groß.“ In diesem Corona-Jahr sei die Lage aber insgesamt schwer abzuschätzen. „Der Weihnachtsmarkt findet ja nicht statt, dafür werden Kleinigkeiten versucht werden, verteilt über die Stadt.“ Er halte es für angemessen, die Grundsatzdiskussion über verkaufsoffene Sonntage jetzt zurückzustellen. Erste Priorität müsste es haben, die Corona-Regeln einzuhalten. Zum zweiten sei der Einzelhandel wirtschaftlich besonders betroffen. „Vor allem die Textiler, da knirscht es in Bottrop sehr.“ Bei hiesigen Buchläden oder Drogerien zum Beispiel sei die Lage seiner Einschätzung nach von Fall zu Fall unterschiedlich.

Die zuletzt geplanten Sonntagsöffnungen in Bottrop anlässlich von Großveranstaltungen wie Stadtfest und Michaelismarkt waren aufgrund der Corona-Krise ausgefallen.

Oberverwaltungsgericht hat Bedenken angemeldet, Verdi prüft

Wenn das Land Adventssonntage zur Ladenöffnung freigibt, müssten vor Ort in Bottrop dazu keine individuellen Entscheidungen von Rat oder Stadt getroffen werden, erklärt Ordnungsdezernent Paul Ketzer. Er geht indes geht davon aus, dass der Vorstoß des Landes keinen Bestand haben wird und verweist auf eine Äußerung des Oberverwaltungsgerichts. In einem konkreten Beschluss zu Ladenöffnungen in Gütersloh habe es auch Bedenken angemeldet zur Neuregelung in der Coronaschutzverordnung zu Sonntagsöffnungen in der Weihnachtszeit. Ketzer nennt etwa diesen Kritikpunkt: „Die Coronaschutzverordnung ist bis Ende Oktober befristet. Da schreibt das Land aber schon rein, was im Dezember passieren soll.“

Die Gewerkschaft Verdi, die verkaufsoffene Sonntage im Handel zum Schutz der Beschäftigten im Prinzip ablehnt und in verschiedenen Städten schon erfolgreich dagegen klagte, hat angekündigt, den Vorstoß des Landes zu prüfen.

Es gibt auch kritische Stimmen von potenziellen Kunden

Auch von Bürgern gibt es kritische Stimmen, wobei unter anderem ans Personal im Einzelhandel gedacht wird. Auf der WAZ-Facebook-Seite sind Leser dazu aufgefordert, ihre Meinung zu sagen: Würden sie es nutzen, wenn an allen Adventssonntagen eingekauft werden könnte? „Auf keinen Fall“, heißt es da in einem Kommentar. „Die Adventszeit soll einstimmen auf Weihnachten. Die Wochentage sind schon stressig genug, vor allem für das Personal, weil Weihnachten ja für viele immer so plötzlich kommt. Um alles zu entzerren, könnte man ja schonmal im Oktober/November anfangen, Geschenke einzukaufen.“

Engagement der IGs

Positiv bewertet Jan Gerd Borgmann das Engagement der Interessengemeinschaften in der Innenstadt. Zum Beispiel der IG an der Gastromeile Gladbecker Straße, „die auch jetzt in der Coronazeit versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Die Gastronomen sind in besonderer Weise betroffen. Wenn es diese Interessengemeinschaft nicht gegeben hätte in den letzten fünf Jahren, würde das auseinander fallen“, glaubt Borgmann.

Als zweites positives Beispiel nennt er die IG Marktviertel, der es zu gelingen scheine, auch Markthändler zum Mitmachen zu gewinnen. „Da sehe ich eine Aufbruchstimmung.“ Der Einzelhandelsverband unterstütze das über einen Fördertopf, aus dem die IGs jedes Jahr für ein Projekt Geld bekommen können.