Bottrop/Gelsenkirchen. Verdi fordert Einkommensplus von 4,8 Prozent. Bottroper und Gelsenkirchener Beschäftigte sagen, warum sie das gerechtfertigt finden.

Sie sind empört. Sie geben sich kämpferisch. Sie wollen jetzt, gerade aufgrund ihres von vielen Seiten gelobten Einsatzes in der Corona-Pandemie, wert geschätzt werden – und zwar nicht nur mit Worten, sondern auch ausgezahlt in barer Münze: Die Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst, die sich am Mittwoch unter Federführung der Gewerkschaft Verdi in Bottrop zusammengefunden haben, um angesichts der anstehenden Tarifrunde ihre Position zu schildern. „Ich fordere Anerkennung – aber auch auf meinem Konto“, fasst Gabriele Faber-Dallmann zusammen, Erzieherin aus Gelsenkirchen.

Gabriele Faber-Dallmann, Erzieherin aus Gelsenkirchen, wünscht sich Anerkennung und Wertschätzung nicht nur in Worten.
Gabriele Faber-Dallmann, Erzieherin aus Gelsenkirchen, wünscht sich Anerkennung und Wertschätzung nicht nur in Worten. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Marion Schäfer, Gewerkschaftssekretärin im Verdi-Bezirk Mittleres Ruhrgebiet, erläutert den Hintergrund: „Wir starten jetzt mit der Forderung nach 4,8 Prozent Lohnerhöhung in eine Tarifrunde, die wir ursprünglich im Frühjahr vorhatten zu verschieben.“ Das damalige Gewerkschaftsangebot eines Kurzläufertarifvertrages mit Einmalzahlung hätten die Arbeitgeber aber abgelehnt. Eine Nullrunde indes will sich nun niemand der Anwesenden bieten lassen.

Pflegekräfte aufgrund Corona überlastet

Denn sie mögen als systemrelevant betrachtet und bezeichnet werden, fühlen sich aber nicht unbedingt so behandelt. Stefan Michalski, Krankenpfleger im Bottroper Knappschaftskrankenhaus, weist auf die coronabedingt nochmal erhöhte Arbeitsbelastung der Pflegekräfte hin. „Wir arbeiten acht Stunden lang nur mit Maske“, nennt er ein Beispiel. Personal falle teilweise aus, weil es überlastet sei – selbst junge Leute. „Die Kollegen sind einfach auf.“ Michalski erzählt auch, dass er teilweise zwölf Dienste nacheinander gearbeitet habe gefolgt von zwei Tagen frei – „wie soll man sich da erholen?“ Und auf die vom Gesundheitsminister angekündigten 1500 Euro Prämie warte er immer noch.

Gewerkschaftssekretärin Marion Schäfer zitiert ergänzend mit Volker Doifl einen erkrankten Kollegen vom Bueraner Bergmannsheil, wonach es nicht ausreichend Schutzkleidung gebe und auch Beschäftigte selbst an Corona erkrankten – und dementsprechend ausfielen. Eine Mitarbeiterin der Verkehrsüberwachung stellt zudem fest: „Die Bürger draußen sind aggressiver geworden und gehen einen viel mehr an.“

Geleistete Arbeit gerate in Vergessenheit

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Ramazan Korkmaz, Vertrauensleute-Sprecher bei der Vestischen, betont: „Alle mussten zu Hause bleiben – wir mussten das System weiterführen“, genau wie der Kommunale Ordnungsdienst oder die Krankenhäuser. „Traurig ist, dass die geleistete Arbeit jetzt vergessen wird.“

In seinem Beruf seien über 40 Prozent der Kollegen im Alter 50 plus. „Wir hatten Kollegen, die aus Angst nicht kommen wollten. Sie sind trotzdem da gewesen.“ Was ihn unter anderem ärgert: „Im Öffentlichen Personennahverkehr gibt es die Kassenverlustentschädigung in Höhe von rund vier Euro im Monat.“ Weil die Busfahrer aber aufgrund von Corona keine Tickets verkauften und somit nicht kassierten, sei ihnen dieses Geld noch abgezogen worden. Den Arbeitgebern im öffentlichen Dienst müsse nun auf die Füße getreten werden, da sind sich alle einig.

Beschäftigte für leere Kassen nicht verantwortlich

Gabriele Faber-Dallmann sagt auch dies: „Wir sehen schon, dass die Kassen leer sind. Aber dafür sind wir nicht verantwortlich.“ Ihr sei wichtig, dass die Öffentlichkeit sehe, „dass wir nicht maßlos sind, sondern das berechtigt fordern.“ Für vieles andere, meint Ramazan Korkmaz, werde Geld locker gemacht – „aber für den kleinen Mann ist kein Geld da“. Im Übrigen seien längst nicht alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst Spitzenverdiener.

Ab 1. September wird verhandelt

Verdi fordert für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes unter anderem eine Anhebung der Einkommen um 4,8 Prozent bzw. einen Mindestbetrag von 150 Euro monatlich, ein Plus von 100 Euro monatlich bei den Ausbildungsvergütungen und Praktikantengehältern sowie die Ost-West-Angleichung der Arbeitszeit.

Die Themen des Gesundheitswesens und der Pflege sollen an einem eigenen Verhandlungstisch eingebracht werden.

Die erste Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern ist am 1. September in Potsdam geplant.