Herne. Würden Erzieherinnen und Busfahrer in Corona-Zeiten streiken? Verdi schließt das nicht aus. Was die Gewerkschaft und Herner Beschäftigte fordern.
Gaby Szymkowiak-Tarnowski sitzt im Herner Verdi-Büro und schüttelt den Kopf. „Es ist eigentlich traurig, dass wir heute hier sein müssen“, sagt die Leiterin der Kita am Regenkamp und spricht damit wohl vielen der rund 8500 Herner Kollegen im öffentlichen Dienst aus dem Herzen. Wie so oft in diesen Tagen spielt Corona dabei eine ganz besondere Rolle.
Eine Tarifrunde, wie es sie noch nie gegeben hat
Zum Start der Tarifrunde im öffentlichen Dienst hat Verdi für Mittwochmorgen in seine Geschäftsstelle in Herne-Mitte eingeladen. Eine Tarifrunde, wie es sie wegen der Pandemie und deren Folgen noch nie gegeben hat. Trotz Covid-19 schließe die Gewerkschaft Streiks nicht aus - auch wenn diese natürlich ganz anders aussehen würden als bisherige Arbeitskämpfe, sagt die stellvertretende Bezirksgeschäftsführerin Martina Steinwerth.
Mit drei Herner Beschäftigten will Verdi an diesem Morgen den eigenen Standpunkt und das Unverständnis über die kommunalen Arbeitgeber deutlich machen. „Uns wurde in der Corona-Krise ständig gesagt: Ihr seid systemrelevant. Wir haben Applaus bekommen. Und jetzt ziehen sich die Arbeitgeber zurück und wollen unsere Forderung nicht erfüllen“, sagt Gaby Szymkowiak-Tarnowski, die (mit Unterbrechung) seit 40 Jahren als Erzieherin arbeitet.
Erzieherin arbeitet samstags an der Rewe-Kasse
Im Juni forderte Verdi auch vor dem Hintergrund der Pandemie: Verschiebung der Tarifrunde um ein halbes Jahr bis Februar und eine Einmalzahlung für die Beschäftigten. Als „völlig überzogen“ wiesen Vertreter der kommunalen Arbeitgeber dies zurück. Leere Kassen - ihr Hauptargument - werden in Städten wie Herne wie unter einem Brennglas sichtbar: So wird Stadtkämmerer Hans Werner Klee die Politik am Donnerstag darüber informieren, dass Corona-bedingt 2020 mit einem Haushaltsloch von mindestens rund 50 Millionen Euro zu rechnen sei.
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Doch auch die Kita-Leiterin vom Regenkamp nennt am Mittwoch Zahlen. „Eine Erzieherin bekommt als Berufsanfängerin 2800 Euro“, sagt Szymkowiak-Tarnowski. Hinzu komme: Bundesweit arbeiteten mehr als 60 Prozent der Erzieherinnen in Teilzeit. Durch ein Plus von 4,8 Prozent - so viel fordert Verdi aktuell - hätten alle etwas mehr in der Tasche, so die Kita-Leiterin. Das sei bitter nötig: Es gebe junge Vollzeit-Erzieherinnen, die samstags bei Rewe an der Kasse säßen, um sich etwas dazu zu verdienen.
Gewerkschaft verweist auf Hilfen für Unternehmen
Auch HCR-Busfahrer Mario Schulz (52) und Marcel Winter (26), Kfz-Mechatroniker bei den Stadtwerken, zielen im Herner Verdi-Büro besonders auf die Situation von Berufsanfängern ab. Schulz hebt zudem die besondere Verantwortung eines Busfahrers hervor, der morgens ab vier Uhr „auf der Matte stehen muss“, um seiner verantwortungsvollen Aufgabe nachzugehen.
Stadtverwaltung ist der größte Arbeitgeber
Beim Verdi-Warnstreik vor zwei Jahren blieben auch in Herne Kitas geschlossen und Busse in den Depots. Am Ende einigten sich die Tarifparteien auf ein Plus von 7,5 Prozent (gestreckt über 30 Monate) sowie eine Einmalzahlung von 250 Euro.
Von rund 8500 Beschäftigten im öffentlichen Dienst arbeiten in Herne allein rund 3000 Menschen bei der Stadtverwaltung - davon sind rund 2300 angestellt und 700 verbeamtet. Zum öffentlichen Dienst zählen außerdem u.a. Entsorgung Herne, HCR, Sparkasse, Stadtwerke und Stadtentwässerung.
Auch unter Eltern, Stadtwerke-Kunden und HCR-Fahrgästen dürfte es Verständnis für die Haltung der Erzieherin, des Kfz-Mechatronikers und des Busfahrers geben. Die Frage dürfte jedoch sein: Fände ein Streik in diesen Zeiten breite gesellschaftliche Akzeptanz? Martina Steinwerth und ihre Kollegin Pamela Strutz vom Verdi-Fachbereich Gemeinden sind davon fest überzeugt.
Und dass finanzschwache Städte wie Herne unter Folgen einer Tariferhöhung ächzen würden, räumt Steinwerth ein. Dieses Problem könne aber nur grundsätzlich unter anderem über eine Altschuldenregelung und eine bessere Finanzausstattung der Kommunen gelöst werden - „und nicht auf dem Rücken der Beschäftigten, die tagtäglich ihre Frau und ihren Mann stehen“. Auch das fügt Steinwerth noch an: Der Staat habe in der Corona-Krise schließlich auch für Unternehmen viel Geld in die Hand genommen.
Was sagt Kämmerer Klee aus Sicht der Arbeitgeberin Stadt? Die Beschäftigten sollten natürlich angemessen bezahlt werden, doch die Forderungen müssten sich im Rahmen der Haushaltslage bewegen, so die (sehr vorsichtige) Botschaft aus dem Herner Rathaus.