Wegen der Corona-Krise sind Tausende in Bottrop potenziell von Kurzarbeit betroffen. So schätzt Kämmerer Brunnhofer die Folgen der Krise ein.

Im April nahm Jochen Brunnhoffer (SPD) als neuer Dezernent für Finanzen, Kultur, Gesundheit und Soziales seine Arbeit auf. Selten musste ein neuer Beigeordneter der Stadtverwaltung so von null auf hundert in sein Amt starten wie er. Die Corona-Krise forderte ihn und seine Mitarbeiter von Beginn an. Rund 100 Tage nach der Amtsübernahme zieht der Stadtkämmerer nun im Gespräch mit den WAZ-Redakteuren Dirk Aschendorf und Norbert Jänecke eine erste Bilanz.

Die Corona-Krise hat ja über die Zahl der Infektionen hinaus Folgen. Welche Ausmaße nimmt sie in Bottrop an?

Jochen Brunnhofer: Gesundheit ist natürlich am wichtigsten, doch die Corona-Krise hat auch enorme Auswirkungen auf die Beschäftigten und ihre Familien in der Stadt. Es gibt 896 Anträge auf Kurzarbeit und damit 9008 potenziell von Kurzarbeit Betroffene allein in Bottrop. Im letzten Jahr hat Kurzarbeit dagegen noch so gut wie keine Rolle gespielt.

Wären die Folgen ohne die Chance auf Kurzarbeit nicht noch viel dramatischer?

Kurzarbeit hilft uns wahnsinnig. Wir hätten hier sonst viel mehr Arbeitslose und auch mehr Empfänger von Transferleistungen. Wir sollten aber nicht übersehen, dass die Beschäftigen dadurch ja auch finanzielle Einbußen haben. Um so kleiner ihr Salär ist, um so spürbarer wirkt sich das für sie aus.

Für die Stadt gehen die Schäden durch die Corona-Krise in die Millionen. Wie groß werden sie in diesem Jahr sein?

Wir gehen insgesamt von Haushaltsschäden in Höhe von 23 Millionen Euro aus. Unsere Analyse beruht bisher aber noch auf Prognosen und Schätzungen. Die größten Einbußen machen dabei die Steuerausfälle aus. Bei der Gewerbesteuer wird es einen herben Rückgang von elf Millionen Euro geben und beim kommunalen Anteil an der Einkommenssteuer von sechs Millionen.

Auch durch Maßnahmen der Stadt selbst gehen ja Einnahmen verloren, wie viele?

Der erhöhte Aufwand für Schutzmaßnahmen und zusätzlichen Reinigungsbedarf macht 1,8 Millionen Euro aus. Das hat ganz praktische Gründe. Wegen der Corona-Pandemie müssen zum Beispiel die Büros und Flure öfter gereinigt werden oder Türklinken abgewischt werden. Der Verzicht auf Elternbeiträge ist sicherlich richtig. Allein die Gebührenausfälle bei den Kitas und den Offenen Ganztagsschulen und ähnlichem liegen aber bei 1,1 Millionen.

In wieweit helfen Bund und Land der Stadt?

Vom Bund gibt es eine einmalige Hilfe: Die Gewerbesteuerausfälle werden uns für dieses Jahr ersetzt. Das Land verteilt Geld, das vom Stärkungspakt übrig blieb, an finanzschwache Kommunen. Bottrop wird davon etwa 5,6 Millionen Euro bekommen.

Städte wie Bottrop kämpfen ja schon länger für einer Verbesserungen ihrer Finanzausstattung. Sind Sie da über solche kurzfristigen Hilfen hinaus weitergekommen?

Ja, es wird endlich auf lange Sicht eine Entlastung von den steigenden Sozialkosten geben. Denn der Bund wird sich mit maximal 75 Prozent an den Kosten der Unterkunft von so genannten Hartz-4-Empfängern beteiligen. Da hat die Corona-Krise den Durchbruch gebracht. Bottrop bringt das dann jedes Jahr eine Entlastung von 7,5 bis acht Millionen Euro.

Damit sind aber längst nicht alle Finanzprobleme der Stadt gelöst...

Keineswegs. Wir brauchen endlich auch Hilfe bei den Liquiditätskrediten. Da waren wir auf einem guten Weg, weil Finanzminister Scholz dazu bereit war, doch durch die Corona-Hilfspakete ist daraus am Ende doch nichts geworden. Allein in Bottrop machen die Kassenkredite zurzeit 175 Millionen Euro aus. Das führt zu einer ordentlichen Schuldenlast im Haushalt.

Bei allen Sorgen um die Finanzen: Wie sehr beeinträchtigt die Corona-Krise das soziale Leben in der Stadt?

Sehr, sehr stark. Wenn ich allein an die Betretungsverbote in den Seniorenheimen denke. Da herrschte die Angst vor, dass sonst das Corona-Virus von außen hereingetragen würde, was sicherlich schlimme Folgen in den Pflegestätten gehabt hätte. Doch das hat viele alte Menschen und ihre Familien sehr belastet. Ich habe auch großen Respekt vor vielen Familien, wie gut sie die Corona-Krise im Ganzen gemeistert haben.

Im Kultur- und Bildungsbereich erneuert sich die Stadt gerade erheblich: Befinden sich die Arbeiten zur Erweiterung des Museums Quadrat und des Kulturzentrums auf der Zielgeraden?

Durchaus. Auf den Baustellen hat es auch durch die Corona-Pandemie keine Verzögerungen gegeben. Die Arbeiten am Kulturzentrum sind wohl Ende des Jahres abgeschlossen, beim Museum rechnen wir damit im Herbst 2021. Die erste Ausstellung planen wir für die erste Jahreshälfte 2022.

Das ist sozusagen die verbesserte Hardware. Was passiert inhaltlich?

Die Bibliothek im Kulturzentrum steht vor einer großen Erneuerung. Da geht es nicht nur um einen erweiterten Ausleihbereich, einen neuen Fußboden oder ein schönes Café, sondern auch um neue Technik und verbesserte Online-Möglichkeiten. Für die Bibliothek nehmen wir etwa 870.000 Euro in die Hand, das hat ja auch der Kulturausschuss so beschlossen.

Was passiert im Museum? Nach der Eröffnungsphase steht ja auch ein Leitungswechsel an. Das Haus ist ja das kulturelle Aushängeschild der Stadt und gute Museumsdirektoren finden sich ja nicht auf die Schnelle. Wann beginnt die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin für Dr. Liesbrock?

Herr Dr. Liesbrock wird noch anderthalb Jahre im Amt bleiben und, wie Sie sagten, die Eröffnungsphase organisieren und begleiten. Aber spätestens ab dem kommenden Jahr wollen und müssen wir die Nachfolgesuche intensiv angehen. Da habe ich aber noch keine Wegpflöcke eingeschlagen. Zu leiten sind ja eigentlich zwei Häuser, das Josef-Albers-Museum und das Museum für Ur- und Ortsgeschichte.

Zwei völlig unterschiedliche Bereiche unter einem Dach und gemeinsamer Leitung. Bleibt das so?

Ja. An eine Aufteilung oder eine wesentliche Personalaufstockung ist nicht gedacht. Das muss bei der Kandidatensuche mit berücksichtigt werden. Dazu kommt aber, dass wir die Ur- und Ortsgeschichte perspektivisch und inhaltlich gerne neu ausrichten wollen.

Der gesamtstädtische Haushalt ist ja, wie Sie sagten, mit einem „blauen Auge“ durch die Corona-Pandemie gekommen. Werden Sie im Kulturbereich Abstriche machen müssen?

Nein, wir werden nicht kürzen müssen. Es hat ja sogar einen Überschuss von 127.000 Euro gegeben, hauptsächlich deswegen, weil viele Veranstaltungen coronabedingt ausfallen mussten. Dieses Geld bleibt ja im Kulturetat, wird aber auch helfen, Mindereinnahmen auszugleichen die wir zum Beispiel dadurch haben, wenn wir die JAG-Aula bei Aufführungen nicht 400 Plätze, sondern nur die Hälfte besetzen dürfen. Wie es nach dem Frühjahr 2021 aussieht, kann ich aber jetzt noch nicht sagen.