Bottrop. Das Recherchekollektiv Correctiv hat in Bottrop eine Jugendredaktion eröffnet. Themen, die junge Leute bewegen, spielen hier eine Rolle.
Gemütliche Lounge-Möbel, teils gebaut aus Euro-Paletten, dazu Regale aus alten Weinkisten – die Atmosphäre hier im Salon 5 an der Hochstraße hat etwas von einem Jugendtreff oder einem Club. Das ist auch so gewollt, doch verbirgt sich hinter der Einrichtung noch wesentlich mehr. Das Recherchekollektiv Correctiv hat hier mitten in der City seine Jugendredaktion gegründet.
Und hinter der entspannten Club-Atmosphäre kann gearbeitet werden. Hier stehen Rechner mit entsprechenden Programmen bereit, auf denen die Jugendlichen ihre Podcasts schneiden und bearbeiten können – nach vorheriger Einweisung. Podcasts, das sind Audiobeiträge, die auf dem Smartphone jederzeit abgerufen und nachgehört werden können. Ganz bewusst habe man sich für dieses Format entschieden, um auch diejenigen zu erreichen, denen das Schreiben vielleicht nicht so liege, sagt Redaktionsleiter Hüdaverdi Güngör.
Beiträge sind in der Salon5-App oder auch bei Spotify zu hören
Der 24-jährige Bottroper gehört zum siebenköpfigen Team vor Ort und ist Ansprechpartner für die Jugendlichen, die hier teils erste Erfahrungen mit dem Medium Podcast oder auch mit Medien allgemein machen. Es gehe darum, den Jugendlichen eine Stimme zu geben und ihren Themen Gehör zu verschaffen. Und da sei das Sprechen eben das einfachste und wirkungsvollste Mittel, sagt Güngör.
Seit Anfang Mai ist die App von Salon 5 erhältlich, hier finden Hörer die entsprechenden Podcasts, außerdem läuft da rund um die Uhr das Radio mit Beiträgen der Jugendlichen. Die Themen? Vielfältig. Es fänden sich da genauso Themen, die auch sonst in den Medien eine Rolle spielen, aber auch Komplexe, die sonst in der Berichterstattung keine so große Beachtung fänden, hat Hatice Kahraman beobachtet, die hier ihr Volontariat macht.
Das Thema Schule hat in den Beiträgen zuletzt viel Raum eingenommen
Viel Raum habe zuletzt das Thema Schule eingenommen. „Viele Jugendliche sind unsicher und haben im Moment Angst, in die Schule zu gehen. Dazu kommt ein Gefühl, man habe über ihren Kopf hinweg entschieden“, gibt Hatice Kahraman den Tenor solcher Beiträge der Jugendlichen wieder.
Doch es gebe auch Podcasts mit ganz klarem lokalen Bezug, sagt Hüdaverdi Güngör. So hätten sich vor einiger Zeit ein Jugendlicher aus der Boy und einer aus dem Fuhlenbrock über ihren Alltag und ihren jeweiligen Stadtteil ausgetauscht. „Wenn man so will haben sich hier zwei getroffen, die sich so in Bottrop wohl nicht getroffen hätten.“ Zu unterschiedlich seien auch in einer verhältnismäßig kleinen Stadt wie Bottrop die Lebensrealitäten.
Macher wollen auf diese Weise auch Medienkompetenz junger Menschen erhöhen
Ein weiterer Aspekt: Durch das Aufzeichnen eigener Podcasts und damit verbundener Recherche soll auch die Medienkompetenz der Jugendlichen gefördert werden. Es gehe eben darum zu erkennen, was sichere und seriöse Informationsquellen sind, sagt Güngör. Dieser Bildungsauftrag sei ja schon bei Gründung von Correctiv angelegt gewesen.
Corona aber hat auch hier den Machern den Start verhagelt. Geplant waren schon jetzt Kooperationen und Workshops mit Schulen, um Jugendlichen die Möglichkeiten vor Augen zu führen, die sie hier in dem umgebauten ehemaligen Ladenlokal haben. Güngör hofft, dass es damit nun nach den Sommerferien losgehen kann. Das Angebot gilt dann nicht nur für Bottroper Schulen sondern für die gesamte Region. So wie selbstverständlich auch Jugendliche aus anderen Städten im Salon 5 willkommen sind. Außerdem kooperiert Salon 5 mit den Talentsuchern der Hochschule Ruhr West und dem Fab Lab – etwa beim 3D-Druck.
Reaktionen auf die Podcasts kommen von weit über Bottrop hinaus
Dass die Themen und Ideen der Jugendlichen über Bottrop hinaus Interesse wecken, das sehe man an den Reaktionen auf die Podcasts. Die kämen teils auch aus Bayern oder Berlin. Ein Mädchen aus Nürnberg beteilige sich schon aktiv und produziere für den Salon aus Bayern einen regelmäßigen Podcast. So soll es am Ende auch funktionieren. Der Bottroper Salon 5, so Güngör, könne Vorbild für ähnliche Einrichtungen in anderen Städten sein. „Denn was in Bottrop funktioniert, das funktioniert überall.“
Jugendliche, die neu in den Salon 5 kommen, könnten sich zunächst einmal ausprobieren. „Wer neu kommt, der wird bei uns erst einmal vor dem Mikro von demjenigen interviewt, der vor ihm neu gekommen ist“, sagt Hüdaverdi Güngör. Auf diese Weise würden am schnellsten mögliche Hürden und Hemmungen abgebaut. Die Mitarbeiter im Salon 5 sind oftmals nicht nur als Journalisten gefordert, auch als Lehrer oder Sozialarbeiter müssen sie von Zeit zu Zeit herhalten. „Ich sage immer, wir haben hier einen ganz neuen Beruf erfunden“, sagt Güngör mit einem Grinsen.