Bottrop. Der Krankenhausapotheker im Marienhospital kritisiert das System. Medikamente werden in Asien billig produziert. Er hofft auf Veränderungen.
Michael Schulz beklagt Engpässe und Lieferprobleme bei Arzneimitteln. Er ist Leiter der Krankenhausapotheke im Marienhospital. Mit der Meinung steht er nicht alleine da. Bundesweit warnen seine Berufskollegen seit Jahren vor dieser Entwicklung. Dringend benötigte Medikamente sind oft nicht vorrätig oder nur schwer zu bekommen. Die Abhängigkeit von Staaten wie Indien und China, die vor allem billig produzieren, kommt in der Coronakrise immer mehr zum Vorschein.
Produktion sollte nach Europa zurückkehren
„Ich hoffe, dass daraus Lehren für die Zukunft gezogen werden“, sagt Schulz mit Blick auf die Zeit nach der Coronakrise. Er hofft, dass die Produktion wichtiger Arzneimittel wieder nach Deutschland oder zumindest nach Europa verlegt wird. Ein Großteil der Arzneimittellieferungen kommt aus China. Schulz beziffert die Zahl auf rund 80 Prozent. Als von dort vor Monaten die ersten Corona-Meldungen weltweit die Runde machten, läuteten im Marienhospital die Alarmglocken. Das Problem der Lieferengpässe ist unter Fachleuten schon länger bekannt. Wie Michael Schulz berichtet, wird nicht erst seit dem Ausbruch der Pandemie auf dem Markt für Arzneimittel mit harten Bandagen gekämpft. Schulz spricht davon, dass es „seit einem Jahr bei manchen Medikamenten extreme Lieferprobleme gibt“. Die Mitarbeiter der Apotheke haben die drohende Gefahr von Engpässen daher kommen sehen.
Nach Rücksprache mit der Geschäftsführung des Krankenhauses und Gesprächen mit Chefärzten, welche Medikamente besonders benötigt werden, wurde rechtzeitig und präventiv eingekauft. „Wir reden hier nicht von Hamsterkäufen“, betont Schulz, der auch für den Einkauf verantwortlich ist. „Wenn alle Mittel aufgebracht gewesen wären, hätten wir nicht mehr reagieren können.“ Normalerweise sollen Arzneimittel für die Versorgung der Patienten in der Krankenhausapotheke bis zu 14 Tage gewährleistet sein. Jetzt sollen sie für drei Monate reichen.
Verzögerung auch bei Rohstoffbeschaffung
Das Marienhospital sieht sich weiterhin gerüstet für neue Ernstfälle mit Corona-Patienten. Einen großen Vorteil hat die Krankenhausapotheke bei Lieferengpässen. Wenn schon nicht das Arzneimittel zu bekommen ist, dann würde sich wenigstens die Beschaffung des Rohstoffs lohnen. Denn die Apotheke darf bei Bedarf einzelne Arzneimittel selber herstellen. Aber auch beim Rohstoff muss, wie Schulz berichtet, die Apotheke oftmals Lieferverzögerungen einplanen, weil die Produktion zumeist ebenfalls in Asien liegt. Seit fast zwei Jahrzehnten übt er seinen Beruf aus. Zu den Anfängen war einiges anders. Man habe „aus dem Vollen schöpfen können“. Der Apotheker erinnert sich, dass Pharmavertreter ihre Präparate mitunter massenweise angeboten hätten. „Das hat sich in den letzten Jahren massiv verändert“, sagt er. Einige Präparate seien heutzutage in Deutschland nicht mehr, wie selbstverständlich angenommen, auf Anhieb erhältlich.
Im Extremfall würden manche Vorräte nicht lange reichen
Die Liefersituation ist in Zeiten von Corona nach wie vor angespannt. Es gibt Medikamente, die bei der Behandlung von schwer erkrankten Covid-19-Patienten lebensnotwendig sind - zum Beispiel Midazolam. Ungefähr 500 Flaschen des Beruhigungs- und Narkosemittels stehen als Bestand in den Regalen der Apotheke im Marienhospital. „Das sieht nach viel aus“, sagt Schulz „ist aber eigentlich nichts. Wenn wir zehn Corona-Patienten hätten, ist das nach 14 Tagen aufgebraucht.“
MHB produziert Desinfektionslösung für Eigenbedarf
Die Apotheke des Marienhospitals produziert Desinfektionsmittel für den Eigenbedarf. 3000 Liter reinen Alkohol stehen dafür in einem Container zur Verfügung. Die Aktion für Krankenhausapotheken geht zurück auf eine Unterstützung vom Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker und dem Bundesgesundheitsministerium. Die Handdesinfektionslösung wird nach einer Rezeptur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hergestellt.