Bottrop. Die ESB sorgt sich um Menschen ohne festen Wohnsitz und sicheren Rückzugsort. Sie hat eine Idee, um Unterbringungsmöglichkeiten auszuweiten.

Bleibt zu Hause! Das gilt in der Corona-Krise als das Gebot der Stunde. Doch was, wenn man gar kein Zuhause hat? "Für jemanden ohne gesichertes Wohnumfeld ist dieser Aufruf ein Paradoxon", sagt Claudia Kretschmer, die in der Evangelischen Sozialberatung (ESB) in Bottrop Wohnungslose betreut. "Und auch die geltenden hygienischen Anweisungen sind für jemanden schwer durchzuhalten, der in ungesicherten Wohnverhältnissen lebt." Nicht nur aus diesen Gründen sieht sie Wohnungslose von der Corona-Epidemie besonders bedroht und betont, dass Lösungen und Schutzräume gefunden werden müssen.

Viele Wohnungslose haben Vorerkrankungen

"Viele haben schwerwiegende Vorerkrankungen, sind aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation anfällig für alles Mögliche", weiß die Sozialarbeiterin. Tatsächlich auf der Straße leben in Bottrop nur zwei, drei Obdachlose, die die ESB-Berater kennen. Insgesamt aber haben aktuell 172 Wohnungslose, die über keine eigene meldefähige Adresse verfügen, eine Postadresse bei der ESB, um zum Beispiel Leistungen des Jobcenters beziehen zu können. "47 von ihnen sind unter 25 Jahre alt", so Kretschmer. Das seien oft Menschen, die mal hier oder mal da bei Bekannten unterkommen. Doch es werde für sie zunehmend problematischer, noch ein Sofa zum Übernachten zu finden. "Die Kollegen, die sie sonst aufnehmen, machen aufgrund von Corona jetzt möglicherweise auch die Tür zu."

Und wenn sie jemand aufnimmt - wie mag das Zusammenleben unter den aktuellen Umständen funktionieren? Wie lange mag das gut gehen? Gleichzeitig führe die Tatsache, dass Häftlinge aktuell unter bestimmten Voraussetzungen aus den JVAs entlassen werden, um in den Gefängnissen eine Infektionsgefahr zu verringern, dazu, dass mit noch weiteren Wohnungslosen zu rechnen sei. "Zwei Fälle in Bottrop sind uns da schon bekannt", sagt Kretschmer.

Städtisches Nachtasyl verfügt noch über Kapazitäten

Am Borsigweg 7 gibt es speziell für die Unterbringung von Obdachlosen das rund um die Uhr geöffnete städtische Nachtasyl. "Vor Ort gelten alle Regelungen, die jetzt auch sonst wichtig sind: Abstand halten, Hygienerichtlinien befolgen", unterstreicht Stadtsprecher Andreas Pläsken. Maximal 46 Menschen haben hier Platz, belegt sei das Nachtasyl aktuell mit 33 Personen. "Absolut überwiegend handelt es sich um Einzel-Unterbringungen, aber es gibt auch langjährige WGs."

Die Notunterkunft am Borsigweg, sagt Claudia Kretschmer, "ist im Moment die einzige Möglichkeit, noch Obdachlose unterzubringen". Sie plädiert für eine Ausweitung der Unterbringungsmöglichkeiten in der aktuellen Situation, für die Schaffung von gesicherten Rückzugsmöglichkeiten in Schutzräume, wo auch alle hygienischen Anforderungen umgesetzt werden können. In einigen Städten habe man Hotels für Obdachlose geöffnet. Für Bottrop hat die ESB folgende Idee: "Die GBB zieht Wohnungen am Ostring und an der Beckstraße leer, um sie abzureißen. Vielleicht kann sie das zurückstellen und befristete Mietverträge für Wohnungslose geben. Das wäre eine kurzfristige Lösung."

Das könnte vielleicht auch die Lösung für folgende Frage sein: "Wenn ich jetzt als Wohnungsloser mit dem Corona-Virus infiziert bin, was passiert dann mit mir? Wo ist die Quarantäne für Wohnungslose?"

Die ESB ist für Wohnungslose weiter erreichbar

Die Beratungsstelle der ESB an der Kirchhellener Straße ist zu, aber nicht geschlossen, betont Claudia Kretschmer. "Wir halten Hilfen in Notfällen aufrecht und haben so eine Art Schalterdienst für alle, die ihre Post abholen oder für die wir das Geld verwalten." Antragshilfe leistet die ESB aktuell per Telefon (02041 317055). Infos der Stadt rund um Corona werden weitergegeben, der Kontakt gerade zu den jungen Erwachsenen per Handy aufrecht erhalten. "Sie sollen nicht das Gefühl haben, jetzt mutterseelenallein zu sein."

Hilfreich sei es, dass die Tafel an der Gladbecker Straße noch geöffnet hat. Zur Verhinderung weiterer Obdachlosigkeit fordert die ESB, keine Wohnungsräumungen und Stromsperren durchzuführen