Bottrop. . 22-Jähriger lebt derzeit in einer Wohngruppe der Evangelischen Sozialberatung. Er braucht eine Wohnung und würde gerne eine Ausbildung machen.

Wer Dennis auf der Straße trifft, käme nicht auf die Idee, dass der 22-Jährige keine Wohnung hat. Die Frisur modisch, der Bart gepflegt, dazu trägt er einen lässigen grauen Kapuzen-Pulli und Jeans. Doch wer den jungen Mann besucht, dem fällt auf, dass seine Unterkunft sehr karg aussieht.

Die Wände sind weiß, die Möbel passen nicht zusammen, es gibt kaum persönliche Gegenstände – abgesehen von einigen Büchern. Denn Dennis lebt zwar in dieser Wohnung, doch wirklich zu Hause ist er hier nicht. Die Evangelische Sozialberatung (ESB) hat ihn aufgenommen in eine ihrer Wohngruppen, er hat ein Zimmer, die Küche und das Bad teilt er sich mit einem anderen Mann. Für Dennis ist das Zimmer die Chance auf einen Neuanfang. Er hat auch schon auf der Straße gelebt, zuletzt eine Woche, davor schon einmal ein ganzes Jahr.

Die wenigsten Obdachlosen leben in Bottrop wirklich auf der Straße

142 Wohnungslose haben im Oktober die ESB als Postadresse angegeben. Doch die wenigsten von ihnen leben tatsächlich auf der Straße, übernachten draußen. Neben der ESB und ihren Wohngruppen bietet auch die Stadt Schlafplätze am Borsigweg an. „Viele kommen aber auch anderswo unter, etwa bei Bekannten auf dem Sofa“, sagt ESB-Leiterin Claudia Kretschmer.

Dennis ist Mitte September nach Bottrop gekommen, vorher war er in Würzburg, hat dort als Lagerist gearbeitet und bei einer Freundin gewohnt. „Es gab Streit, sie hat mich rausgeworfen, und ich habe so schnell nichts neues gefunden.“

Seine Habseligkeiten stopft er in einen Rucksack

Also lebt er auf der Straße. Seine Habseligkeiten stopft er in einen Rucksack. Von jedem Kleidungsstück drei, dazu alle Papiere, Ausweise, Karten aber auch Zeugnisse. 70 Kilo habe er auf dem Rücken geschleppt, erinnert er sich. Mit der Wohnung ist dann auch der Job weg und er entschließt sich zur Rückkehr ins Ruhrgebiet. Früher hat er in Gelsenkirchen gelebt, nach Bottrop kommt er, weil er hier Bekannte hat.

Dennis war schon mal obdachlos

Die Wohnung, in der Dennis zurzeit wohnt, ist ziemlich spärlich eingerichtet.
Die Wohnung, in der Dennis zurzeit wohnt, ist ziemlich spärlich eingerichtet. © Frank Oppitz

Für Dennis ist es nicht das erste Mal, dass er obdachlos ist. Schon früher ist er von zu Hause abgehauen, hat sich ein Jahr lang auf den Straßen in Gelsenkirchen durchgeschlagen. Er übernachtet in Parkhäusern, unter Brücken oder in leerstehenden Häusern. „Wichtig war immer einen Platz zu finden, wo man nicht gestört oder gar angegriffen wird.“ Und doch, auf der Straße schlafe man nie richtig. „Innerlich war ich immer wach. Man kommt nicht zur Ruhe, man achtet auf jede Kleinigkeit, auf jedes Geräusch.“

Um die Tage auf der Straße rumzubringen, fängt er an zu kiffen. Dennis nennt es seine „dunkle Zeit“ und „niemand kann mir erzählen, dass er die Straße nüchtern überlebt Man weiß einfach nicht, wie man die Zeit rumkriegt.“ Er lebt von Hartz IV, 409 Euro im Monat, um an Gras zu kommen, habe man sich eben zusammengetan. „Der eine hatte Tabak, der andere Gras, so ging das.“ Dennis spricht von „Zweckfreundschaften“, die man auf der Straße schließe.

Den Schulabschluss hat er nachgeholt

Und doch scheint er die Kurve zu kriegen, nutzt seinen Schulabschluss, um sich weiter zu bilden und lebt in einer Beziehung. Als die zerbricht, zieht es ihn aus dem Ruhrgebiet nach Würzburg, in Franken ist er aufgewachsen, dort lebt auch noch der Vater. Anfangs läuft es gut, er hat das Gefühl es gehe wieder bergauf. Das erneute Aus trifft ihn umso härter. Es fühle sich an wie Versagen, ein persönliches Scheitern, erzählt er. Und im Hinterkopf, da sei nun immer die Angst und so ein Gefühl, „dass ich bei einem Fehltritt wieder zurück falle“.

Dennis will in der Suppenküche Kolüsch mithelfen

Auch jetzt ist Dennis noch nicht auf der sicheren Seite. Ein fester Tagesablauf, eine Struktur fehlt ihm noch. Er kifft nicht mehr, trinkt stattdessen, spricht selbst von Alkoholismus. Wenn es auch Zeiten gebe, wo er gar nicht trinkt. Am 12. Dezember eröffnet die ESB wieder die Suppenküche Kolüsch. Dennis ist als ehrenamtlicher Helfer dabei. Er freue sich darauf, sagt er, endlich wieder etwas sinnvolles zu tun, einen geregelten Tagesablauf zu haben. Er ist sich sicher, dann auch keinen Alkohol zu brauchen.

Für rund sechs Monate können Wohnungslose in den Unterkünften der ESB bleiben. In der Zeit versuchen Claudia Kretschmer und ihr Team die Menschen zu stabilisieren und in eigene Wohnungen zu vermitteln. Sie hofft, dass das auch mit Dennis gelingt, die Voraussetzung für ihn sei Dank seines Schulabschlusses gut. Auch Dennis hofft, dass es klappt: „Ich würde gern noch eine Ausbildung machen.“

Es fehlen bezahlbare Wohnungen

Die Zahl der Wohnungslosen in Bottrop steigt seit Jahren an, sagt Claudia Kretschmer. 2010 haben 132 Menschen die ESB als Meldeadresse genutzt, 2016 waren es bereits 391. Und auch in diesem Jahr, fürchtet Kretschmer, werde die Zahl noch einmal steigen, bis Ende Oktober waren es nämlich bereits 328. Für diese Leute ist die ESB Anlaufstelle, hier erhalten sie Hilfe und hierher kommt ihre Post. Denn um Geld vom Amt zu erhalten, braucht es eine Adresse. Rund 860 000 Menschen in ganz Deutschland hatten 2016 keine eigene Wohnung, so die Bundesarbeitsgemeinschaft der Wohnungslosen. Seit 2014 sei dies ein Anstieg um 150 Prozent.

Wohnungslos bedeutet nicht automatisch, dass die Menschen auf der Straße leben, doch sie lebten in ungeschützten Wohnverhältnissen, könnten sich nicht anmelden, sagt Claudia Kretschmer.

Die ESB bietet vier Wohnungen mit je zwei Schlafplätzen

Die ESB bietet vier Wohnungen mit je zwei Schlafplätzen an, sie sollen Betroffenen helfen, ihr Leben wieder zu ordnen und in eine eigene Wohnung zu gelangen. Das sei bei manchen schon schwer genug, doch seit einiger Zeit würden auch die Rahmenbedingungen immer schwieriger, weil geeignete Wohnungen fehlen, sagt Claudia Kretschmer. Die Kaltmiete für einen Alleinstehenden dürfe nicht höher als 258 Euro sein, basieren auf dem Mietspiegel von 2009.

Inzwischen ist der Mietspiegel mehrmals angepasst worden. Für 258 Euro bekomme man heute wesentlich kleinere Wohnungen oder ältere in schlechtem Zustand mit hohem Renovierungsbedarf. Es gebe zwar einen Zuschuss zur Renovierung, „doch der reicht hinten und vorne nicht“, sagt Kretschmer. Abgesehen davon seien derartige Wohnungen in Bottrop immer schwieriger zu finden.

Die ESB sucht dringend Wohnungen für ihre Klienten. Die Kaltmiete darf 258 Euro nicht überschreiten. Wer entsprechendes anbieten kann, darf sich gern bei der ESB melden unter: Tel. 317055.

>>> DIE ESB VERWALTET DAS GELD

  • Die ESB bemüht sich, auch präventiv zu handeln, also nicht erst wenn die Wohnung weg ist, sondern wenn die ersten Mietrückstände auflaufen, oder wenn der Verlust der Wohnung wegen Verwahrlosung droht. Auch in solchen Fällen können sich Betroffene an die ESB wenden.
  • Die Hilfe geht sogar soweit, dass 90 Klienten die ESB freiwillig beauftragt haben, ihr Geld zu verwalten. Die Sozialarbeiter achten dann darauf, dass laufende Kosten bedient werden und zahlen den Rest aus.
  • Die Öffnungszeiten der ESB, Kirchhellener Str. 62a, sind: mo, mi, fr 9-12.30 Uhr, do 14-17 Uhr.