Bottrop. Wie verändert Corona die Stadt? Diese Frage schwebt über dem Gespräch mit Oberbürgermeister Bernd Tischler, der sich auch bei den Bürgern bedankt.
„Glückauf“ steht auf dem Mundschutz, den Oberbürgermeister Bernd Tischler trägt. Ein schöner Wunsch: Angesichts der Umstände passt der alte Bergmannsgruß besonders gut in die Zeit. Im Gespräch mit den WAZ-Redakteuren Kai Süselbeck und Matthias Düngelhoff spricht der OB darüber, wie sich die Corona-Pandemie auf die Stadt auswirkt. Am Ende, da ist er sich sicher, wird sich die Stadt verändert haben.
Wie geht es Ihnen?
Es ist eine ungewöhnliche Zeit, auch für mich persönlich. Meine Arbeitsweise und auch meine Schwerpunkte haben sich vollkommen verändert. Das Managen der Krise ist derzeit die Hauptaufgabe. Ich bin ja ganz bewusst nicht Mitglied des Krisenstabs, meine Funktion ist eher die des Bindeglieds zwischen der Stadt und den übergeordneten Ebenen. Wir Oberbürgermeister und Landräte tauschen uns in Telefonkonferenzen regelmäßig mit der Bezirksregierung aus und auch auf der Ruhrgebietsebene versuchen wir uns abzusprechen, dass die einzelnen Maßnahmen sich nicht von Stadt zu Stadt unterscheiden. Das klappt jetzt immer besser.
Zuletzt hat sich Armin Laschet negativ über die Kommunen geäußert und ihnen vorgeworfen, bei den Schulöffnungen die Hausaufgaben nicht gemacht zu haben.
Da sind alle Beteiligten in den Städten und ich selbst auch sauer auf die Landesregierung. Hier wird von allen Verantwortlichen hart gearbeitet. Der Städtetag und die Kommunen haben immer wieder darauf gedrängt, dass das Land vor der Verabschiedung seiner Erlasse kommunale Praktiker einbindet. Es ist auch heute noch schwierig, die Erlasse und Verordnungen des Landes auf kommunale Ebene zu übersetzen. Da gibt es immer wieder Ungereimtheiten.
Wie gehen denn aus Ihrer Sicht die Bottroper mit all den Auflagen und Einschränkungen um?
Den Bottroperinnen und Bottropern muss ich ein riesiges Kompliment machen, dass sie sich so an die Vorgaben halten. Ich weiß aus Gesprächen mit meinen Kollegen, dass es in anderen Städten wesentlich mehr Probleme gibt. Dass es in Bottrop gut läuft, zeigt sich etwa auch darin, dass wir seit Beginn der Maßnahmen bis Mittwoch nur rund 300 Anzeigen erstatten mussten. Ich weiß, was wir den Menschen zumuten. Aber wir müssen durchhalten, wenn wir die Krise so überstehen wollen, wie wir es uns wünschen.
Die öffentliche Debatte scheint derzeit auf der einen Seite von denen bestimmt zu werden, die sich mehr und schnellere Lockerungen wünschen, dagegen stehen diejenigen, die warnen, nichts zu überstürzen. Wo stehen Sie?
Ich bin bei den Vorsichtigen, weil ich nicht riskieren möchte, dass alles umsonst war, weil wir zu schnell waren. Nichtsdestotrotz werden wir uns in der kommenden Woche auch Gedanken machen, wie es weiter geht, wie wir vielleicht einzelne Dinge lockern und die Verwaltung wieder ein Stück öffnen können.
Was macht Corona mit der Stadt?
Wir hatten ja vor der Krise große Erfolge, etwa mit dem Hansa-Center oder auch mit dem Hotel in den Althoff-Arkaden. Da liegt jetzt manches auf Eis. Wobei es beim Hansa-Center weiter läuft. Da sind wir ja dabei, ein Sanierungsgebiet auszuweisen. Parallel laufen telefonisch und per Video Absprachen mit den Besitzern, die wiederum auch mit Mietinteressenten verhandeln. Die Freizeitwirtschaft dagegen liegt am Boden. Zwar gibt es positive Nachrichten vom Grusellabyrinth mit dem neuen Besitzer, doch sonst tut sich gar nichts. Zumal auch noch niemand weiß, wie und wann es da weitergehen kann. Gleiches gilt für die Gastronomie. Ich bekomme derzeit fast täglich verzweifelte Anrufe auch von namhaften Gastronomen in der Stadt. Einer hat mir gesagt, dass die Ungewissheit für ihn das Schlimmste sei. Und dabei hat die Wirtschaftsförderung mit ihrer Hotline schnell reagiert und eine Lotsenfunktion eingenommen, um an Hilfsgelder zu kommen. Die Industrie in Bottrop scheint mir dagegen bisher relativ gut durch die Krise zu kommen. Ja, Corona wird die Stadt verändern, aber wie, dass lässt sich jetzt noch nicht sagen. Was den Einzelhandel angeht, da appelliere ich an die Bottroperinnen und Bottroper, hier vor Ort einzukaufen.
Wie kann die Stadt die finanziellen Belastungen der Krise stemmen? Nach zehn Jahren eisernem Sparen gab es mit dem ausgeglichenen Haushalt ja eigentlich einen Silberstreif am Horizont.
Ja, das ist richtig. Es werden die Einnahmeausfälle sein, die uns zu schaffen machen – etwa bei der Gewerbe- und der Einkommenssteuer. Am Ende werden es Millionenbeträge sein. Allein der kommunale Anteil bei den ausfallenden Kita-Gebühren für April und Mai liegt bei je 270.000 Euro. Deshalb ist auch mit der Landesregierung besprochen - und zumindest gibt es auch mündliche Zusagen - dass es einen kommunalen Rettungsschirm gibt. Sämtliche Coronakosten werden deshalb auch separat erfasst.
Findet die Kommunalwahl am 13. September statt? Und wie ist überhaupt der Wahlkampf denkbar?
Ich bin überzeugt, dass die Wahl stattfindet. Auch Land und Städtetag haben sich ja dafür ausgesprochen. Ich kenne die Sorgen, insbesondere der kleineren Gruppen, die ihre Aufstellungsversammlungen noch durchführen müssen. Da werden wir helfen, etwa bei der Suche nach geeigneten Räumen und deren Einrichtung. Was den Wahlkampf angeht: Ich habe mir dazu noch keine konkreten Gedanken gemacht. Ich vermisse vielfach den direkten Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern – unabhängig vom Wahlkampf.